Konstein
Ein Leben lang um Anerkennung gekämpft

Zum Tod des weltweit bekannten Treppenforschers Professor Friedrich Mielke - Nachlass an der Uni Regensburg

03.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr
Seine Forschungen waren weltweit einzigartig: Der lange Zeit in Konstein lebende Treppenforscher Professor Friedrich Mielke ist gestorben. −Foto: Archiv/Meyer

Konstein/Eichstätt (EK) Er war der erste und weltweit bedeutendste Treppenforscher.

Und ein großer Denkmalpfleger. Von Konstein aus, wo er seit 1986 lebte, kämpfte er leidenschaftlich für die Anerkennung "seiner" Treppenkunde, der Scalalogie, und für ein eigenes Treppenmuseum. Seine Tragik war, dass er mit seinen wegweisenden "Visionen" häufig auf Unverständnis stieß. Das hat ihn verbittert und auch einsam gemacht. Jetzt starb Professor Friedrich Mielke zehn Tage nach seinem 97. Geburtstag.

Seine Urne wurde mittlerweile in einem Ehrengrab der Stadt Potsdam beigesetzt, deren Ehrenbürger er seit 1991 war. In seiner Trauerrede würdigte Oberbürgermeister Jann Jakobs das gigantische Lebenswerk des Architekten, Denkmalpflegers und Treppenforschers. Es fielen aber auch Sätze wie "Es war nicht immer einfach mit ihm" oder "Friedrich Mielke war nicht immer bequem".

Gesundheitlich seit Langem schwer angeschlagen, durfte Mielke, der als 20-Jähriger 1941 in Russland sein rechtes Bein verloren hatte, seinen größten Triumph noch erleben: 2014 auf der nur alle zwei Jahre stattfindenden Biennale in Venedig, dem größten Architektur-Spektakel der Welt. Dort war ihm und seinen Treppen ein ganzer Saal gewidmet. Außerdem hatte in Venedig ein einstündiger Dokumentarfilm über ihn Premiere. Endlich war das Thema "Treppen" ganz, ganz oben angekommen.

Diese späte Anerkennung verdankt der oft verkannte Wissenschaftler zwei bekannten Architektur-Professoren: Joachim Wienbreyer (66) aus Regensburg und Stephan Trüby (48) in Stuttgart. Wienbreyer übernahm 2012 für die Ostbayerische Technische Hochschule Mielkes sensationelle Sammlung. Bis dahin hatten seine Modelle von Treppen, originale Handläufe oder Baluster, eine Treppen-Bibliothek und 35000 Farbdias in Mielkes Konsteiner Privathaus ein Schattendasein geführt. Noch im selben Jahr wurden Teile der Sammlung in Regensburg öffentlich gezeigt.

Der Stuttgarter Trüby wiederum ebnete Mielke den Weg nach Venedig. Und er drehte mit dem Kameramann Tomas Koolhaas einen Film über ihn. Trüby: "Mielke war sehr enttäuscht, dass er die Reise zur Biennale in letzter Minute absagen musste. Für mich ist es ein großes Privileg, ihn persönlich kennengelernt und einen Teil dazu beigetragen zu haben, sein Werk international bekannter zu machen. " Bei einem der letzten Besuche in Konstein hatte Wienbreyer dem an den Rollstuhl gefesselten Hausherren erzählt, dass seine Sammlung spätestens 2021 in einen Neubau auf dem Gelände der Universität Regensburg umzieht - als "Friedrich-Mielke-Institut für Scalalogie". Wienbreyer: "Da hat er vor Rührung geweint. "

Mit unglaublicher Energie und geradezu missionarisch hatte Friedrich Mielke seine Pläne vom ersten Treppenmuseum der Welt verfolgt. Aber: Die zeitlose Brisanz des Themas Treppe haben nur wenige realisiert. Dabei ging es ihm nicht nur um die Ästhetik und den Erhalt historischer Treppen, sondern auch um die Sicherheit beim Treppensteigen, um Tritthöhen, um DIN-Normen, sichere Geländer und praktische Handläufe. Deutschlandweit schrieb er Kommunen und sogar den Bundespräsidenten an und bat um Unterstützung. Vergebens. Ein früherer Eichstätter Oberbürgermeister soll auf Mielkes Ansinnen so reagiert haben: "Da könnten wir ja auch ein Dachrinnen-Museum einrichten. . . " Was den Wahl-Konsteiner veranlasste, in der von ihm herausgegebenen Buchreihe "Scalalogia" über die wichtigen Gemeinsamkeiten von Treppe und Dachrinne zu dozieren.

1980 ins Altmühltal gekommen war der 1921 im Schwarzwald geborene Sohn eines Baumeisters aus Mecklenburg ebenfalls durch Zufall. Mielke, der nach seiner Kriegsverwundung Architektur studiert und in Schwerin und Potsdam als Denkmalpfleger gearbeitet hatte, wollte 1980 nach seiner Emeritierung als Professor in West-Berlin auswandern - nach Italien. Aus einem Gehöft in der Toskana wurde jedoch der gräfliche Gutshof Altheimersberg bei Pappenheim. 1986 kaufte er für sich, seine Frau und die bereits bestehende private "Arbeitsstelle für Treppenforschung" ein Haus in Konstein. Den ersten und einzigen Lehrauftrag für Treppenkunde an der Katholischen Universität Eichstätt hatte der Protestant nur wenige Semester. Mit Hilfe freiwilliger Mitarbeiter stürzte er sich in die Erforschung der Treppen ganzer Städte - auch um Vergleiche ziehen zu können.

Schon 1989 erschien der Band Eichstätt, Ingolstadt folgte 1992. Weißenburg sollte der nächste sein. Fasziniert vor allem von der Raffinesse und Eleganz italienischer Treppenhäuser ("die schönsten der Welt") sagte er damals: "Allein für die historischen Treppen Roms bräuchte ich ein zweites Leben, ein weiteres für die Treppen in Venedig oder Genua. " Um die "Ideal-Treppe" zu finden, hat Mielke auch experimentiert. Angeregt durch den Landshuter Bildhauer Werner Bäumler (Künstlername Laurin) ließ Milke in seinem Privatgarten eine Treppe mit unterschiedlich hohen Stufen in Beton gießen. Er nannte sie Laurin-Treppe und ließ sie im Sommer 1991 von Buben und Mädchen des Kindergartens Wellheim testen und einweihen.

Trotz seines einmaligen Engagements - er saß in vielen Institutionen, im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Burgenvereinigung ebenso wie im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz - gelang es ihm nicht, die Ausbildung der Architekten hinsichtlich der Treppen zu beeinflussen. Bis heute gibt es keine Hochschule oder Universität, an der Treppenkunde gelehrt wird.

Auch wenn die Blütezeit der Treppen-Baukunst vorbei ist - sie war im Barock und noch im 19. Jahrhundert - ,erleben wir derzeit eine Renaissance der Treppe. Professor Wienbreyer, dessen Hochschule Friedrich Mielke 2014 die Ehrensenatoren-Würde verliehen hatte: "Das müsste eine späte Genugtuung für ihn sein. "

Peter Leuschner