Eichstätt
Selbst Goethe ehrte den Eichstätter Fürsten

30.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:34 Uhr

Foto: Eva Chloupek

Eichstätt feiert 200 Jahre Fürstentum. Die Regentschaft selbst währte nur eine Generation. Doch die Herzöge von Leuchtenberg haben in der Stadt ihre Spuren hinterlassen. Auch deshalb feiert Nicolaus von Leuchtenberg (84) das Jubiläum gerne mit.

Herr von Leuchtenberg, Eichstätt feiert 200 Jahre Fürstentum und Herzöge von Leuchtenberg. Sie als Chef des Hauses Leuchtenberg feiern mit. Kennen Sie Eichstätt und das Altmühltal?

Von Leuchtenberg: Ich bin noch nie mit dem Rad oder zu Fuß durchs Altmühltal gewandert; das ist ein noch unerfüllter Wunsch. Aber ich bin schon des Öfteren hier gewesen. Das erste Mal war noch Hans Hutter Oberbürgermeister in Eichstätt (1951 bis 1976, Anm. d. Red.). Da waren wir - meine Mutter, mein Stiefvater und ich - bei den Hutters eingeladen. Ich komme immer wieder gerne nach Eichstätt und bin sehr angetan, dass jetzt dieses Jubiläum so groß gefeiert wird.

 

Was ist die Bedeutung des Jubiläums aus Ihrer Sicht?

Von Leuchtenberg: Das Jahr 1817 ist von geschichtlicher Bedeutung, und zwar in dreifacher Hinsicht. Die Zeit meines Urururgroßvater Eugène als Vizekönig von Italien war mit dem Niedergang Napoleons zu Ende. Er kam mit seiner Familie nach München zum Schwiegervater, dem bayerischen König Max I. Josef, und brauchte einen neuen Aufgabenbereich. Seine Frau Auguste Amalie war höchst interessiert, daran, dass ihr Mann beschäftigt war. Der Mann musste ja regieren! Eugène hatte verschiedene Angebote, darunter Leuchtenberg in der Oberpfalz und eben Eichstätt. Leuchtenberg war allerdings mehr Ruine als Burg und sehr weit von München entfernt. Und Auguste Amalie war eine anspruchsvolle Dame. Eichstätt mit seiner vormals fürstbischöflichen Residenz gefiel ihr besser, sie haben sich für Eichstätt entschieden. Max ernannte seinen Schwiegersohn also zum Fürsten von Eichstätt. Max war ein Wittelsbacher, und Leuchtenberg war Eigentum der Wittelsbacher. Also konnte der König über den Namen verfügen. Und der war frei, denn die Landgrafen von Leuchtenberg sind Ende des Mittelalters ausgestorben. Also hat König Max hat seinem Schwiegersohn noch den Namen Leuchtenberg mit Herzogtitel verliehen.

 

Und was war die dritte bedeutende Begebenheit 1817?

Von Leuchtenberg: Im selben Jahr, 1817, wurde nun dem Fürsten von Eichstätt und Herzog von Leuchtenberg in München sein Sohn Maximilian geboren, das siebte Kind. Und das ist für mich persönlich bedeutend, denn dieser Maximilian von Leuchtenberg war mein Ururgroßvater.

 

Wie wichtig war der wirtschaftliche Aspekt des Fürstentums Eichstätt für Eugènes Familie?

Von Leuchtenberg: Die wirtschaftliche Versorgung war natürlich sehr wichtig. Und da spielt in Eichstätt die Forstwirtschaft eine große Rolle. Allerdings war das Fürstentum insgesamt gesehen nicht rentabel. Es machte Verluste, deshalb wurde es in der nächsten Generation auch an Bayern zurückverkauft.

 

Das bringt uns zu einem Abstecher in die Gegenwart. Es gibt bis heute noch Verbindungen des Namens Leuchtenberg mit Bayern - auch über das Leuchtenbergpalais in München. Sie persönlich wohnen allerdings bei Bonn. Haben Sie selbst einen Bezug zu Bayern?

Von Leuchtenberg: Ja, zu Bayern generell und natürlich zu den Wittelsbachern, speziell zu Herzog Franz. Er ist Chef des Hauses Wittelsbach, ich bin Chef des Hauses Leuchtenberg. Und in diesem Bereich verständigen wir uns. Wir sehen uns nicht so oft, aber wir telefonieren miteinander. Und dann gibt es natürlich Verbindungen zum Leuchtenbergpalais nach München.

 

Die aktuelle Leuchtenbergausstellung der Eichstätter Residenz wird im Oktober dann auch dort zu sehen sein.

Von Leuchtenberg: Ja, da werde ich auch gerne wieder nach München kommen. Und in Eichstätt ist mein nächster Termin zum Jubiläum die Aufführung der "Leuchtenberg"-Messe am 17. September im Dom. . .

 

. . . die Ihr Vater zu Ihrer Taufe komponiert hat. . .

Von Leuchtenberg: Richtig. Darauf freue ich mich auch sehr.

 

Eine vielleicht provokante Frage: Warum ist es aus Ihrer Sicht gut und geboten, dass dieses Jubiläum öffentlich gefeiert wird?

Von Leuchtenberg: Natürlich bin ich daran interessiert, dass die Geschichte meiner Vorfahren gewürdigt ist. Es freut mich, dass der Name Leuchtenberg und die Geschichte nicht ganz in Vergessenheit geraten ist. Der Leuchtenberg-Freundeskreis wurde gegründet, weil mir aufgefallen war, dass selbst bei Führungen in München kaum etwas zum Leuchtenbergpalais gesagt werden konnte. Dabei ist die Geschichte interessant: 1817 begann Eugène auch mit dem Bau des Palais' in München. 1821 war es dann fertig. Später wurde er krank und kam zur Kur in Marienbad. Dort lernte er Goethe kennen. Und Goethe hat Eugène 1824 einen Nachruf gewidmet. All solche Dinge waren nicht mehr bekannt, und deshalb ist es für mich eine persönliche Freude, wenn nun wieder daran erinnert wird. Außerdem gab und gibt es Stimmen, die kritisieren, dass der Herzog sich in Eichstätt nur für die Jagd interessiert habe. Es stimmt, er war ein begeisterter Jäger. Aber es ist auch wahr, dass in dieser schlimmen und bitterarmen Zeit damals, in der die Menschen Hunger litten, jeder Eichstätter Bürger einen Laib Brot bekommen hat. Das war etwas ganz Wertvolles. Eugène hat auch Getreide zu günstigeren Konditionen gekauft, damit man Brot zu günstigeren Preisen auf den Markt bringen konnte. Er hat die Gerichtsbarkeit wieder nach Eichstätt geholt und die Handwerksbetriebe durch Aufträge belebt. Es sind so viele kleine Taten, die in der Summe wichtig waren.

 

Das sind Aspekte, die im Jubiläumsjahr besonders beleuchtet werden. Es gibt in Eichstätt auch verschiedene Orte mit Leuchtenberg-Bezug. Welches ist für Sie der wichtigste oder interessanteste?

Von Leuchtenberg: Das Offensichtlichste ist natürlich die Residenz. Dass da heute das Landratsamt ist, finde ich sehr schön. Wie die Räume da noch erhalten oder wunderbar renoviert sind, ist sehr erfreulich. Etwa diese Eugène-Büste im Zimmer des Kämmerers, ganz toll; oder das Tapetenzimmer, sehr schön.

 

Sie haben in ihrer Familie französische und russische Verbindungen. Wie blicken Sie mit Ihrer Familiengeschichte auf die heutige Europakarte?

Von Leuchtenberg: Da ist St. Petersburg in Russland ganz hervorstechend. Maximilian, der Sohn, der 1817 in Bayern geboren wurde und die russische Zarentochter geheiratet hat - mein Ururgroßvater - hat sehr viel in und für St. Petersburg gemacht. Zu dieser Zeit wurden die ersten Eisenbahnlinien gebaut. Und er hat angeregt, die Lokomotiven nicht von England zu kaufen, sondern in Peterburg selbst zu bauen. Er war so aktiv, dass es hieß, er sei der einzige aus dem Zarenhaus, der das Geld, das er verbraucht hat, wirklich selbst verdient hat. St. Petersburg veranstaltet nun anlässlich seines 200. Geburtstags diverse Feierlichkeiten und Konzerte. Das Palais, das er mit seiner Frau in Petersburg bewohnt hat, das Mariinski-Palais, in dem heute die Legislative von Petersburg ihren Sitz hat, gibt am 2. Oktober einen Galaempfang mit allem Drum-und-dran, da werden wir Leuchtenbergs auch alle hinfahren. In Petersburg wurde 2010 auch das Grab meiner Urgroßeltern wiederentdeckt; auf dem Gelände einer Klosterkirche, die 1942/43 durch deutsche Artillerie schwer beschädigt und von der Roten Armee dann völlig geschliffen worden war. In den Resten der Krypta auf einem überwucherten Gelände wurden zwei Sarkophage gefunden, und zwei freie Plätze, die für die Kinder gedacht waren, also für meinen Großonkel und meinen Großvater. Mein Großvater ist allerdings in Frankreich beerdigt und der Großonkel Georg in Seon am Chiemsee.

 

Sie haben auch familiäre Verbindungen in die USA.

Von Leuchtenberg: Onkel Sergej ging gleich nach Kriegsende 1945 nach Amerika, er hatte vier Töchter, zwei leben noch. Mit den Cousinen und ihren Kindern habe ich noch regen Kontakt. Auch aus der Georg-Linie kommen aus Amerika Enkelinnen und Nachfahren jetzt auch zu Besuch nach Europa und wollen die Wurzeln unserer Familie sehen: München, Seon, Ismaning und eben Eichstätt.

Jetzt sind wir mitten im weit verzweigten Leuchtenbergischen Stammbaum. . .

Von Leuchtenberg: . . . und haben dabei hauptsächlich über Eugènes Sohn Maximilian gesprochen. Über seinen erstgeborenen Sohn August noch gar nicht, obwohl seine Dom-Augusto-Stiftung in Eichstätt heute noch wirkt. Dazu kommen noch Eugènes Töchter Josephine, sie wurde durch Heirat Königin von Schweden, und Eugenie, die mit dem Fürst von Hohenzollern-Hechingen verheiratet war. Dann haben wir da noch die Tochter Theodoline mit dem Graf von Württemberg. Und aus Schweden weiß man, dass Königin Silvia ein Leuchtenberg-Diadem trägt.

 

Zurück zu Ihrer Linie.

Von Leuchtenberg: Mein Vater hatte zwei Brüder. Einer ist jung verunglückt, der andere war ohne Nachfahren. In meiner direkten Linie gibt es noch mich und meinen Sohn Konstantin. Mein erster Sohn Nikolaus Maximilian ist 2000 kurz vor seinem 40. Geburtstag gestorben. Konstantin und ich sind die beiden letzten Leuchtenbergs, die anderen sind alles Töchter, die andere Namen tragen.

 

Wir haben viel über Ihre direkte Linie nach Russland gesprochen. Wie sieht es mit ihrer Verbindung nach Frankreich aus?

Von Leuchtenberg: In Frankreich gibt es noch Beauharnais. Natürlich haben wir Malmaison (den Wohnsitz von Napoleon I. und Eugènes Mutter Josphine, Anm. d. Red) besucht. Meine Großeltern hatten noch in Südfrankreich auf ihrem Weingut, dem Chateau de Ruth, in Orange gelebt. Sie waren die letzten mit Familienvermögen.

 

Das bringt uns zu der Frage: Wovon lebt ein Herzog heutzutage?

Von Leuchtenberg: Ich habe gearbeitet, ich bekomme eine Rente. Mein Vater hat nach 1917 in Russland gegen die Bolschewiki gekämpft und ist in den Kämpfen nach Süden bis auf die Krim abgedrängt worden und dann über die Türkei zu seinen Eltern nach Südfrankreich gelangt. Weil er aber mit seinem Musikstudium noch nicht fertig war, ging er nach München. Dort hat er sein Musikstudium vollendet und sich sein Geld als Organist verdient - als Orthodoxer in katholischen Kirchen.

 

Und wovon leben Sie selbst?

Von Leuchtenberg: Ich bin Toningenieur. Meine Schwester war Organistin und Pianistin. Sie und ihr Mann hatten in Bonn ein Studio aufgebaut und mich gefragt, ob ich Lust hätte, die Stereophonie aufzubauen. Ich hatte natürlich große Lust - das war technisch damals Neuland in Deutschland. Ich habe auch als freier Toningenieur für verschiedene Produktionen gearbeitet. Bei manchen bin ich auch heute noch mit von der Partie und verdiene mir etwas dazu. Von den Schlössern der Vorfahren habe ich nichts mehr gekriegt. Aber ich bin froh und glücklich mit meinem Leben. Ich bin trotz meines Alters gesund mit geht es gut. Man ist dankbar.

 

Das Gespräch führte

Eva Chloupek.

 

 

 

ZUR PERSON

Nicolaus von Leuchtenberg (84) ist ein direkter Nachkomme von Eugène de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, dem Stiefsohn von Kaiser Napoleon I. von Frankreich, und fungiert als Familienoberhaupt des Hauses Leuchtenberg. Er lebt in St. Augustin bei Bonn. Eugènes Sohn Maximilian, sein Ururgroßvater, war mit Großfürstin Maria von Russland, der Tochter von Zar Nikolaus I., verheiratet und trug den Titel Fürst Romanowksy. Die Familie wurde während der russischen Revolution 1917 enteignet.