Eichstätt (EK) Die Eichstätter haben wenig unter Hitze zu leiden; wenn sie wirklich saubere Luft tanken wollen, müssen sie den Frauenberg erklimmen, doch wirkliche Artenvielfalt in der Pflanzenwelt erleben sie dort oben nicht, sondern die bekommen sie, wenn sie offenen Auges durch die Stadt wandern. Zu diesen, teilweise überraschenden, Ergebnissen kamen Masterstudenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) im Rahmen eines Seminars, das vom Lehrstuhl "Physische Geographie
Manche Pflanzen mögen's heiß

Studenten der KU haben sich mit dem Mikroklima in Eichstätt befasst Ausstellung in Notre Dame

12.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

Fachliches Gespräch zwischen den Professoren Susanne Jochner und Bernd Cyffka. Die Ausstellung im ersten Stock des Naturparkzentrums Notre Dame ist noch bis November zu sehen. Professor Cyffka deutete an, dass Studenten dieselben Aufgaben in einigen Semestern erneut bearbeiten werden. "Dann lassen sich Veränderungen feststellen. Das Thema eignet sich zum Quantifizieren." - Foto: Bartenschlager

Eichstätt (EK) Die Eichstätter haben wenig unter Hitze zu leiden; wenn sie wirklich saubere Luft tanken wollen, müssen sie den Frauenberg erklimmen, doch wirkliche Artenvielfalt in der Pflanzenwelt erleben sie dort oben nicht, sondern die bekommen sie, wenn sie offenen Auges durch die Stadt wandern. Zu diesen, teilweise überraschenden, Ergebnissen kamen Masterstudenten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) im Rahmen eines Seminars, das vom Lehrstuhl "Physische Geographie/Landschaftsökologie und nachhaltige Ökosystementwicklung" betreut wurde.

Lehrstuhlinhaberin ist Professor Dr. Susanne Jochner, Trägerin des Deutschen Forstwissenschaftspreises 2014. Mit im Boot war Dr. Bernd Cyffka, Professor für Angewandte Physische Geographie und Leiter des Aueninstituts Neuburg.

Die Arbeiten zum Thema "Umweltprozesse und Naturgefahren", die im vergangenen Sommersemester angefertigt wurden, bleiben nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft, sondern werden in Form einer Ausstellung den Besuchern des Naturparkzentrums Notre Dame in Eichstätt zugänglich gemacht. Am Donnerstag war Eröffnung.

Eine Gruppe der insgesamt 20 Studenten beschäftigte sich mit Flechten. Bestimmte Arten gelten als Indikatoren für Luftgüte: Sie vermehren sich an der Rinde von Bäumen gut, wenn die Luft schadstoffgeschwängert ist. Die Studierenden nahmen konkret Ahornbäume im Stadtgebiet und am Frauenberg unter die Lupe. Wie die wissenschaftliche Hilfskraft Johanna Jetschni erläuterte, ist die Luftqualität in der Stadt mittelprächtig. Eine Theorie allerdings bestätigte sich nicht: Die Gruppe hatte angenommen, dass die meisten Schadstoffe im Industriegebiet zu finden sein würden. Ein Irrtum: Dort ist die Luft auch nicht schlechter als in der Stadt. Auf dem Frauenberg dagegen kann jeder rein atmen. Professor Jochner geht davon aus, dass auch an den Hängen des Altmühltals ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden können. Nur wurden die nicht untersucht.

Mit der Erstellung einer Vegetationskarte war eine zweite Gruppe beschäftigt. Sie untersuchte, wo welche Pflanzen wachsen. Es gibt Gewächse, die Wärme lieben, und andere, die es eher gern kalt haben. Die Raue Gänsedistel, der Klatschmohn und die Eseldistel zum Beispiel mögen's heiß. "Der wärmste Standort ist die Baustelle am Freiwasser", weist Studentin Sara Hocheder auf einen rot eingefärbten Punkt hin, eine "Wärmeinsel". Es ist die einzige, die in der Stadt zu finden ist. "Es gibt hier keine Hitzestaus und ausgeprägten Hitzestandorte", präzisiert die Lehrstuhlinhaberin. Keine wirkliche Überraschung: Das Mikroklima spiele eine große Rolle. Die Stadt sei klein, gut durchlüftet und die Altmühl bringe Abkühlung mit sich.

Für den Laien unerwartet ist jedoch eine andere Aussage von Hocheder: "Manchmal wirkt die Stadt sehr karg, aber nur auf den ersten Blick." Die Biodiversität, also die Artenvielfalt, sei in der Stadt größer als auf dem Land, ergänzt Jochner. Aus dem Pflaster, aus jeder Mauerritze sprieße es. "In der Stadt gibt es so viele verschiedene Umweltbedingungen. Deshalb dient sie der Flora als Rückzugsraum. Auf dem Frauenberg finden sich die Allerweltsarten, zum Beispiel Löwenzahn."

Der dritte Forschungsbereich sei der spannendste, versprach Susanne Jochner. Hier ging es um tatsächliche Temperaturen und um das Mikroklima. An mehreren Standorten brachten die Studierenden Temperaturmesser an: im Stadtwald bei der Agip-Tankstelle an der Ingolstädter Straße, auf einem Trockenrasenhang, im Hofgarten und an der Altmühl. Als Referenzfläche mit typisch städtischem Charakter diente ein Areal beim Wirtshaus "Zum Gutmann". Die Durchschnittstemperatur im Stadtwald war am geringsten. "Das Ökosystem Wald sorgt für ein angenehmes Klima." Die Bäume werfen Schatten und auch die Verdunstung ist hoch. Die versiegelte Fläche beim "Gutmann" lädt sich dagegen auf und speichert die Wärme. "Der Fluss liegt mit seinen Werten dazwischen. Er wirkt ausgleichend", so Jochner.

Auch die Feinstaubwerte sind im Wald am geringsten. Die dichte Vegetation filtert den Staub raus. Die höchsten Werte wurden wieder bei der Referenzfläche gemessen. Aussagen gibt es auch zur Kohlenstoffspeicherung. Die Waldfläche der Stadt beträgt 19,23 Quadratkilometer. Darin sind 11 150 Tonnen reiner Kohlenstoff gespeichert.

Die Besucher der Ausstellung, die aus vier großformatigen Postern besteht, werden dabei auch mit dem Begriff "Hemerobie" konfrontiert. Hinter dem sperrigen Wort versteckt sich die Frage, wie stark der Mensch seine Umwelt verändert hat. In Eichstätt sehr. Die Skala reicht von eins ("nicht kulturbeeinflusst") bis sieben ("übermäßig stark kulturbeeinflusst"). Die Stufe eins kommt in der Domstadt gar nicht vor. Der Frauenberg fällt unter die Kategorie 2 und zahlreiche Bereiche - insgesamt wurden 30 Standorte untersucht - sind der Kategorie 7 zugewiesen.

Diese Ergebnisse sind keine rein akademischen Angelegenheiten. "Sie könnten auch in stadtplanerische Maßnahmen einfließen", so Professor Jochner. Leider werde das Fachwissen der KU nicht oft von der Stadt angezapft, bedauerte Professor Cyffka.