Eichstätt
Die einsamste Insel der Welt

17-facher Familienvater Sebastian Englert zum Priester geweiht – Sein Sohn wirkte auf der Osterinsel

27.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr

 

Eichstätt (EK) Ein Vater einer großen Kinderschar, der zum Priester geweiht wurde. Ein Kapuziner, der als Missionar und Sprachforscher auf einer winzigen Insel im Pazifischen Ozean wirkte. Und eine Benediktinerin, die erst vor einigen Jahren in Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee starb: Sie gehörten zur Familie Englert, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Eichstätt wohnte und wirkte.

ANNO DAZUMAL

Vater Sebastian Englert lebte von 1854 bis 1933 und war in der Zeit von 1908 bis 1920 Leiter des Humanistischen Gymnasiums, dem heutigen Willibald-Gymnasium. Er stammte aus Aschaffenburg, hatte klassische Philologie und Geschichte studiert und promoviert, wurde Offizier und 1894 schließlich Gymnasialprofessor in Eichstätt. Mit Berta Prechter aus Neuburg ging er den Ehebund ein. Das Paar bekam 17 Kinder, von denen vier früh starben. Nach dem Tod seiner Frau studierte Sebastian Englert ein zweites Mal, und zwar Theologie. An seinem 70. Geburtstag, 13. Juli 1924, wurde er mit päpstlicher Erlaubnis durch Bischof Johannes Leo von Mergel zum Priester geweiht.

Der Schuldirektor hatte sich in Eichstätt einen Namen als Vorsitzender, Konservator und Bibliothekar des Historischen Vereins gemacht und war an archäologischen Ausgrabungen um Eichstätt beteiligt. Während des Ersten Weltkriegs wurde er als Hauptmann zum Eichstätter Kriegsgefangenenlager eingezogen. Nach seiner Priesterweihe lebte Englert zurückgezogen. Die Messe feierte er täglich in der Friedhofskapelle „Maria Schnee“.

Das vierte Kind der Familie Englert war Franz Anton. Er kam während der Tätigkeit seines Vaters als Gymnasiallehrer in Dillingen am 17. November 1888 zur Welt. Nach dem Abitur trat Anton bei den Kapuzinern ein und empfing die Priesterweihe. Die Primiz feierte Pater Sebastian, so sein Ordensname, in Eichstätt. Den Geistlichen zog es in die Ferne: Er wünschte sich einen Einsatz als Seelsorger in Chile, ein Land, das dem Kapuzinerorden anvertraut war.

In der Mapuche-Mission im chilenischen Araukanien setzte sich Pater Sebastian für die von ihrem Ackerland vertriebenen und ausgebeuteten Indianer ein. Kapuzinerpater Othmar Noggler schrieb in einem Beitrag über den Chile-Missionar: „Pater Sebastian kämpfte um das Recht der Indianer auf ihr angestammtes Land und damit für ihr Lebens- und Überlebensrecht, für ihre Menschenwürde und ihre Kultur.“

Zum Missionsgebiet der Kapuziner gehört auch die Osterinsel, rund 3700 Kilometer vom Festland entfernt mitten im Pazifischen Ozean. Pater Sebastian kam 1935 dorthin, „was einer freiwilligen Verbannung gleichkam“, wie Noggler feststellte. Damals gab es nicht einmal eine Funkverbindung zu den Mitbrüdern und zur Heimat. Die chilenische Marine steuerte das Eiland mit der Größe des Chiemsees einmal im Jahr an, wobei Post geliefert und mitgegeben werden konnte. Rund 500 Menschen bewohnten seinerzeit diese Insel. Der Kapuziner starb 1969 „auf der einsamsten Insel der Welt“, wie die Osterinsel auch oft genannt wird.

Am 7. März 2006 starb schließlich als letztes der Kinder der Familie Englert die in Eichstätt aufgewachsene Benediktinerschwester Eustochium am 7. März 2006 in Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee im Alter von 99 Jahren. Ihr Taufname war Elisabeth Maria, ihr großer Wunsch war, es ihrem Bruder, dem Kapuzinerpater gleichzutun und in die Mission zu gehen. So trat sie 1927 in die Abtei ein. Die feierliche Einkleidung vollzog ihr eigener Vater.

Schwester Eustochium lebte 77 Jahre im Kloster. Sie arbeitete in der Druckerei und der Buchbinderei, wo sie ihre künstlerischen Fähigkeiten einsetzte. Sie wurde Präfektin, verrichtete im Krieg in einem Lazarett Dienst und durchlief die Ausbildung zur Handarbeitslehrerin. Am 10. März 2006 wurde Schwester Eustochium auf dem tief verschneiten Klosterfriedhof der Fraueninsel beerdigt.