Beteiligung statt Konflikt

Gastbeitrag zur aktuellen Debatte über Jugendliche im Hofgarten

29.07.2020 | Stand 02.12.2020, 10:52 Uhr
Keine Woche nach der Installation der im Jugendzentrum gebauten Palettenmöbeln an verschiedenen Orten entlang der Altmühl (im Bild) wurden sie wie berichtet mutmaßlich von Jugendlichen bereits wieder zerstört. Aus Sicht der Jugendsozialarbeit gibt es dafür Erklärungen und einen Lösungsansatz. −Foto: Bender/Archiv

Die Vertreterin des Schwerpunkts Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und außerschulische Jugendbildung an der Fakultät für Soziale Arbeit der KU Eichstätt-Ingolstadt, Maria Wolf, meldet sich zur aktuellen Debatte über Jugendliche im Hofgarten mit folgendem Gastbeitrag zur Wort:Die vergangenen Wochenenden haben es sichtbar werden lassen: Lärm und Müll im Hofgarten und zerstörte Palettenmöbel an der Altmühl zeigen, dass Eichstätt jungen Menschen zu wenig Möglichkeiten bietet, ihren Interessen entsprechend zu agieren.

Latente Konflikte zwischen mehr oder weniger formal organisierten Jugendlichen und ganz frei zusammengesetzten Freundeskreisen treten immer wieder in einzelnen Aktionen von Zerstörung, Wut und Ablehnung hervor.

Das zentrale Problem: Junge Menschen werden dadurch missachtet, dass ihnen zum einen kein Forum für ihre Anliegen geboten wird und zum anderen ein Bild von "guten" Jugendlichen, das heißt aktiven, nützlichen und möglichst in non-formalen Gruppen organisierten Jugendlichen gezeichnet wird. Das provoziert, denn es suggeriert: Du wirst hier nicht gebraucht!

Junge Menschen brauchen Orte, an denen sie sich frei von normierender Aufsicht ausprobieren können. Es geht darum zu testen, wie sie vor Gleichaltrigen "ankommen". Es geht darum, Anerkennung zu erhalten und die Folgen des eigenen Handelns zu spüren. Der öffentliche Raum ist dafür eine Bühne. Wenn den jungen Menschen diese Bühne genommen wird, müssen sie sich Anerkennung und Aufmerksamkeit auf anderen Wegen holen. Und sei es durch zerbrochene Bierflaschen und zerstörte Möbel. Dadurch lassen sich Abgrenzung und Protest bekunden gegenüber nicht selbstgewählten, nicht selbst angeeigneten Werten und gegenüber den Gruppen, die diese versinnbildlichen.
Die einseitige Förderung und Anerkennung "organisierter" non-formaler Gruppen verschärft die Konflikte, denn der Unterschied zu den Peergroups ohne institutionelle Anbindung wird hierdurch nur noch stärker. Das ist seit Jahren an den Graffitiaktivitäten im Wiesengässchen buchstäblich abzulesen.

Das Zerstören von Palettenmöbeln dürfte aus dieser Perspektive heraus als Meinungsäußerung empfunden werden, die endlich öffentliche Beachtung findet.
Die Antwort kann nur ein Zugehen auf die jungen Menschen sein, bei dem die Offenheit für ihre Bedürfnisse im Vordergrund steht. Aufsuchende Jugendarbeit ist eine Chance, um jungen Menschen eine Stimme zu geben. Dabei darf sie nicht als verlängerter Arm einer Law-and-Order-Politik verstanden werden, sondern gemeinwesenorientiert. Es bedarf einer verbindlichen Struktur, bei der die verschiedenen Bevölkerungsgruppen Eichstätts ins Gespräch kommen, ihre Interessen miteinander aushandeln und von der Stadt ernst genommen werden.

EK