Eichstätt
100 Jahre VfB Eichstätt - 1991 bis 2020

Eine "untrainierbare" Mannschaft - auf eigenen Wunsch nicht in die Regionalliga

19.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:05 Uhr
Ende der Saison 2016/17 feierte der VfB den Meistertitel und den Aufstieg in die Regionalliga. −Foto: Traub, DK-Archiv

Eichstätt - 1990 war der VfB erneut in die B-Klasse abgestiegen und stand vor einem kompletten Neuaufbau.

Einige Akteure hatten ihre Laufbahn beendet, während andere den Verein wechselten. Der raue B-Klassen-Wind blies der Mannschaft recht kräftig ins Gesicht - so kräftig, dass man sogar in die C-Klasse abstieg.

Es folgten sieben sehr magere Jahre. 1997/98 warf Trainer Max Zintl bereits früh in der Saison das Handtuch. Adalbert Lina, vormals Trainer des TSV Gaimersheim in der Landesliga, half dem VfB in der Not aus. Bereits nach drei Wochen suchte Lina das Gespräch mit Abteilungsleiter Sepp Schiebel, der sich noch genau an den Wortlaut erinnern kann: "Sepp, diese Mannschaft ist untrainierbar". Das Geld für mich kann sich der Verein sparen. Stellt einen Kasten Bier in die Kabine, dann sind die Spieler zufrieden. " Die Trainersuche begann erneut - doch auch unter Herbert Zanker, der später Co-Trainer von Georgiens Nationalcoach Klaus Toppmöller wurde, riss die Negativserie nicht ab.

Erfolgreicher war in dieser Zeit der Jugendfußball, der unter der Amtsführung des neuen VfB-Chefs Otto Eigenmann einen großen Aufschwung erlebte. So wurde die D-Jugend nicht weniger als siebenmal hintereinander Meister ihrer Spielklassen. Mit der C-Jugend spielte in der Saison 97/98 erstmals eine VfB-Mannschaft in der oberbayerischen Bezirksliga. Diese hervorragende Jugendarbeit würdigte der Bayerische Fußballverband mit der Sepp-Herberger-Urkunde und der Deutsche Fußballbund (DFB) im Frühjahr 2000 mit der Verleihung des DFB-Ehrenamt-Preises an Jugendleiter Fred Pfaller.

Blieb die Baustelle der 1. Mannschaft. Der Vorstand mit Otto Eigenmann, Wolfgang Köhler, Rudolf Halbig, Jugendleiter Fred Pfaller und Abteilungsleiter Sepp Schiebel erarbeitete einen "Fünfjahresplan". Spielertrainer Franz Schreiner aus Raitenbuch, ein ehemaliger Profi (SpVgg Unterhaching, ESV Ingolstadt), sollte den VfB wieder in die Erfolgsspur bringen: Zwei Spielzeiten blieb der VfB ungeschlagen und war in der Saison 99/2000 wieder in der A-Klasse angekommen. Franz Schreiner selbst konnte aufgrund einer schweren Verletzung nur teilweise in der A-Klasse mitspielen; dennoch belegte der VfB einen vorderen Mittelfeldplatz.

Die Saison 2001/02 "gehörte" dem VfB. Als neuer Spielertrainer setzte Karl-Heinz "Kalle" Forster den von Schreiner eingeschlagenen Weg fort. Auf dem Platz ein Vorbild, im Training immer hundert Prozent - und auch mit seiner geselligen Art begeisterte er die Mannschaft. Spieler wie Jochen Regler und Dominik Schmidramsl, aus der VfB-Jugend kommend, waren nun fester Bestandteil bei den Senioren. Der VfB wurde Meister und stieg in die Bezirksliga Oberbayern Nord auf.

In den kommenden drei Spielzeiten etablierte sich der VfB in der neuen Liga. "Geheimnis des Erfolges liegt in der Jugendarbeit", titelte der EICHSTÄTTER KURIER am 19. Juli 2003. Viele eigene Junioren gehörten fortan zu den Stützen der Mannschaft, aber der VfB musste sich auch mit gestandenen Spielern aus dem Umland verstärken, um seinen weiteren Zielen gerecht zu werden. Nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit bestritt Forster gegen den als Absteiger feststehenden FSV Harthof sein Abschiedsspiel. Die Gäste waren nur mit einer Rumpftruppe angetreten und wurden vom VfB mit sage und schreibe 21:0 abgefertigt.

Wer sollte Kalle Forster beerben? Der MTV Ingolstadt war mit Trainer Erich Hock in die Bayernliga aufgestiegen. Dessen Vertrag wurde jedoch nicht verlängert und Hock trainierte den TSV Berching. Sepp Schiebel traf sich mit Hock und erinnert sich: "Zum Mittagessen wollte ich wieder zurück sein, aber das Gespräch dauerte über vier Stunden (?). Der ,Guru' hatte angebissen und drei Tage später gab er seine Zusage. " Wie sich der Erfolgstrainer seiner neuen Mannschaft vorstellte, ist unvergessen: "Mein Name ist Erich Hock. Ich bin Ihr neuer Trainer. Eines sage ich Ihnen gleich - wer von den Spielern im Sommer in den Urlaub fährt, mit dem plane ich nicht. Der kann gleich zu mir kommen und seinen Spielerpass abholen. " Das saß.

Während Siggi Silbermann die Reserve trainierte, holte sich Hock mit Franz Dengler einen ehemaligen VfB-Spieler als Co-Trainer ins Boot. Dominik Schmidramsl kehrte zum VfB zurück, und mit dem 23-jährigen Markus Hörmann verstärkte man sich in der Offensive. Neuzugang Hörmann erzielte in dieser Saison nicht weniger als 33 Tore. Der VfB hielt von Beginn an Kontakt zur Tabellenspitze. Schließlich kam es zu einem nervenaufreibenden Saisonfinale. Nur wenige Minuten fehlten dem TSV Rohrbach am letzten Spieltag zum Titel, Sekt und T-Shirts standen schon am Spielfeldrand, doch am Ende stand es 2:2. Eichstätt gewann zeitgleich beim SC Bajuwaren mit 7:1 - so musste ein Entscheidungsspiel über die Meisterschaft entscheiden: Vor 1700 Zuschauern stand es nach 90 Minuten 1:1. In der Verlängerung verwandelte Hörmann einen Strafstoß zur Führung, Richard Prüller traf zum 3:1-Endstand. Der VfB Eichstätt war in die Bezirksoberliga (BOL) aufgestiegen.

Dort überwinterte der VfB in der folgenden Saison als Spitzenreiter - am Ende war mit dem dritten Platz ein Riesenerfolg für den Aufsteiger zu verzeichnen. Und für die 2. Mannschaft gab es unter Trainer Silbermann den Aufstieg in die Kreisliga zu feiern. Der Wermutstropfen: "Sir" Erich Hock hatte bereits im Winter seinen Abschied verkündet. Die Trainersuche des VfB Eichstätt gestaltete sich erneut schwierig. Schließlich fiel die Wahl auf Sabahattin Koc aus Ingolstadt. "Saba" war ein sehr emotionaler Trainer und erreichte mit dem VfB wie im Vorjahr Rang 3 in der BOL.

Der Kontakt zu Erich Hock war nie abgebrochen - schließlich kehrte der "Magier" in der Saison 2008/09 zum VfB zurück. Ein Glücksfall war auch die Verpflichtung von "Kiste" Markus Jörg aus Hitzhofen, der bereits beim MTV Ingolstadt unter Hock gespielt hatte. Seinen "Freund" Siggi Silbermann konnte Hock als Co-Trainer gewinnen. Als Torwarttrainer setzte Thorsten Heinz seine Karriere fort. "Mit dem Abstieg befasse ich mich nicht. Mein Ziel ist immer der Aufstieg! ", das war das Credo von Erich Hock. Bereits 2005 hatte Hock in Eichstätt das wöchentliche Training auf drei Einheiten ausgeweitet. Der "Sir" kannte alle Stärken und Schwächen des Gegners und reagierte auch während eines Spiels prompt mit taktischen Veränderungen. Dieses "Erfolgsgen" übertrug sich auf die Mannschaft und am Saisonende stand der VfB als Meister der BOL und somit Aufsteiger in die Landesliga Süd fest.

Was niemand für möglich gehalten hatte, gelang dem VfB nach dem Aufstieg in die Landesliga Süd: Punktgleich mit dem SV Heimstetten holte sich der VfB die nächste Meisterschaft. Zum Aufstieg in die Bayernliga reichte der Titel dennoch nicht, da es zu einem Entscheidungsspiel in Gersthofen kam. Heimstetten gewann mit 2:1 und der VfB musste in die Relegation. In Schwabach hieß der Gegner Schweinfurt 05 und der VfB musste kurz vor dem Abpfiff den entscheidenden Treffer zur 1:2-Niederlage hinnehmen.

Ein Höhepunkt der Saison 2009/10 war sicherlich das Freundschaftsspiel am 28. Mai 2009 gegen den FC Bayern München. Zur Halbzeit führten die Bayern nur 3:2 und am Ende lautete das Ergebnis 7:3 für die Bayern. Ein bis dato unbekannter Thomas Müller hatte fünf Tore erzielt und "somit in Eichstätt seinen Durchbruch zur Weltspitze geschafft".

Die nächste Saison gestaltete sich turbulent. Der neue Trainer Ralf Andresen wurde nach schwachem Saisonstart und einer 1:6-Niederlage in Wolfratshausen entlassen. In der Fußballabteilung des VfB traten Max Zintl und Sepp Schiebel von ihren Aufgaben zurück. Unter dem neuen Abteilungsleiter Axel Nerb schenkte der Verein dem bisherigen Co-Trainer Jürgen Steib das Vertrauen, dem Erich Hock als sportlicher Berater zur Seite stand. Am Ende reichte Rang 14 zum Klassenerhalt.

2011 verabschiedete sich Erich Hock endgültig vom VfB; der im Winter verstorbene "Sir" wird im Verein stets unvergessen bleiben. Neben Jürgen Steib wurde Norbert Scheuerer Co-Trainer, Thorsten Heinz leitete erneut das Torwarttraining. Der VfB beendete die Saison 2011/12 auf dem hervorragenden 4. Platz - und profitierte von der Spielklassenreform des BFV. Die Regionalliga Bayern wurde gegründet und die Bayernligen in Nord und Süd aufgeteilt. Dem VfB reichte Platz 4 zur Qualifikation und er durfte in die Bayernliga Süd aufsteigen. Auch dort hielt der VfB überraschend gut mit. Einmalig: Von der C-Klasse bis in die Bayernliga schaffte es Torhüter Thorsten Heinz. Die "Torwartlegende" kam in jeder Spielklasse zum Einsatz, ehe er seine Karriere beendete.

Nach vier erfolgreichen Jahren trat Axel Nerb aus beruflichen Gründen als Abteilungsleiter zurück. Mit Hans Benz, der bis 1981 in der 1. Mannschaft des VfB gespielt hatte, kehrte ein "alter Freund" als neuer Fußballchef zurück. Die Saison 2014/15 verlief jedoch alles andere als rund. Zur Winterpause befand sich der VfB in akuter Abstiegsgefahr, und Trainer Jürgen Steib wechselte zum Ligakonkurrenten TSV Rain. Die Trainer-Findungs-Kommission des VfB musste wieder einmal aktiv werden. Ein ehemaliger VfBler, Shefket Krasniqi, gab den entscheidenden Tipp: "Ruf doch den Markus Mattes an. " Gesagt - getan. Wieder gab das "Bauchgefühl" den Ausschlag. Bezirksligist TSV Rohrbach erteilte Mattes die Freigabe. Zwölf Spiele hatte er Zeit, um gemeinsam mit Co-Trainer Norbert Scheuerer die nötigen Punkte zu sammeln. Am vorletzten Spieltag war der Klassenerhalt perfekt: Die entscheidenden Tore beim 2:0 in Pipinsried schossen Markus Hörmann und Benni Schmidramsl.

Die 2. Mannschaft hatte sich derweil in der Kreisliga mit sehr ordentlichen Leistungen etabliert. In der Spielzeit 2010/11 schaffte sie es sogar in die Bezirksliga aufzusteigen. Im zweiten Jahr ging es jedoch wieder eine Klasse tiefer und es folgten vier weitere Jahre in der Kreisliga. Als 2017 mit Julian Scholl und Max Dörfler zwei Spieler das Traineramt übernahmen, wurde die "Zweite" Meister und spielt seitdem in der Bezirksliga Oberbayern Nord.

In der Saison 2015/16 wurde der VfB Eichstätt in die Bayernliga Nord "umgesiedelt". Unter Trainer Markus Mattes, nun unterstützt von Dominik Pfuhler als neuem Co-Trainer sowie Norbert Scheuerer und Armin Schmid als Torwarttrainer, zeichnete sich im Laufe der Saison eine kleine Sensation ab: Der VfB hielt das Titelrennen offen und landete schließlich mit einem Punkt Rückstand auf den SV Seligenporten auf dem 2. Platz. Aufgrund der fehlenden finanziellen Möglichkeiten hatte der VfB bereits früh bekundet, nicht in die Regionalliga Bayern aufsteigen zu wollen.

War es Zufall? War es nur Glück? Die Antwort gab der VfB ein Jahr später. Mit vier Punkten Vorsprung auf Viktoria Aschaffenburg holte sich der VfB die Meisterschaft in der Bayernliga Nord. Ein Spieler machte besonders auf sich aufmerksam: Fabian Eberle holte sich mit 27 Toren die Torjägerkanone. Aber konnte sich der VfB den Aufstieg in die Regionalliga leisten? Entscheidend war die Zusage von Ernst Prost, dem Firmenchef von Liqui-Moly, als Sponsor zur Verfügung zu stehen.

Seit 2017/2018 spielt der VfB nun im "Liqui-Moly-Stadion" und in der Regionalliga Bayern. Die folgenden Jahre - mit Spielen gegen 1860 München und im DFB-Pokal gegen Hertha BSC - sind bereits Legende. Doch diese Geschichten werden ein anderes Mal erzählt werden.

EK

Sepp Schiebel