Eichstätt
Ruinen mit Charme und Geschichte

Ausstellung "Das öde Haus" zeigt Federzeichnungen verfallener Gebäude - Auch Jurahäuser dabei

19.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:19 Uhr
Ehemals eindrückliches Zeugnis der Vergangenheit, heute bereits abgerissen: das Jurahaus in Englgrösdorf. −Foto: Kusche

Eichstätt - Für die einen sind sie abrissreife Ruinen, für die anderen ästhetische Denkmäler mit langer Geschichte und einstigem Leben: Verlassene und dem Verfall preisgegebene Gebäude, die es in fast jeder Ortschaft in Bayern gibt.

Auf sie richtet die Chiemgauer Künstlerin Stefania Peter in ihren Architekturzeichnungen den Blick.

Im Museum "Das Jurahaus" hat die Künstlerin im Beisein von Stefan Pfättisch, dem zweiten Vorsitzenden des Jurahausvereins, nun ihre Ausstellung "Das öde Haus" eröffnet. In mit feinstem Strich ausgeführten Feder- und Tuschezeichnungen offenbart sich die besondere Ästhetik von Bau, Zerstörung und Verfall und zugleich die Dramatik des unwiederbringlichen Untergangs historischer Gebäude: verlassene historische Bürger- und Handwerkerhäuser, riesige alte Bauernhöfe und Wirtschaftsgebäude, Scheunen und Stallungen. Ihr Abriss ist nur eine Frage der Zeit. Oftmals prägen sie mit ihren historischen Dächern, Fronten und Baumaterialien oder ihrer majestätischen Größe sogar das Ortsbild.

Doch sind es alles andere als "öde Häuser", wie Stefania Peter sie in ihrer berührenden Ausstellung im Jurahaus-Museum nach einer Novelle von E. T. A. Hoffmann bezeichnet. In ihr beschreibt der Autor 1817 die Faszination des Protagonisten, die er beim Vorbeischreiten an einem verwahrlosten Haus verspürt.

So ist auch die Künstlerin der Faszination für die Ästhetik verfallender historischer Gebäude erlegen, zugleich beeindrucke sie immer wieder der ökonomische und ökologische Aspekt: "Diese Häuser sind allesamt handwerklich aus alterungs- und reparaturfähigen, umweltfreundlichen und vor Ort verfügbaren Baustoffen hergestellt worden, unter Nachhaltigkeitsaspekten also vorbildlich", so die studierte Architektin mit Schwerpunkt Entwerfen, Baugeschichte, Architekturzeichnung und plastischem Gestalten.

Viele Jahre hat die Künstlerin zusammen mit ihrem Mann Franz Peter, ebenfalls Architekt, bedeutende sakrale Baudenkmäler instand gesetzt und restauriert und wurde bei dieser Arbeit immer wieder mit dem zunehmenden Verfall und Verlust der meist anonymen Architektur im ländlichen Raum konfrontiert. "Unkenntnis und Ignoranz, Gleichgültigkeit und Blindheit und der Drang zur maximalen Besitzverwertung leisten diesem Verlust von Vergangenheit eifrig Vorschub", so Peter.

Auch während ihrer zeitweiligen Tätigkeit in der Denkmalpflege des Landkreises Traunstein bestätigten sich diese Beobachtungen und ließen Stefania Peter nicht mehr los. Mit feinster Feder und Tusche, immer auch mit einem Hauch Buntstiftfarbe, begann sie, verfallende und verlassene Bauwerke zu zeichnen und dabei die Schönheit und Würde dieser vergessenen und dem fortschreitenden Verfall preisgegebenen Gebäude darzustellen: "Mit meinen Zeichnungen möchte ich das Unwiederbringliche aufzeigen, das in den Dingen steckt", sagt Peter. Fotografieren sei für sie nie eine Option gewesen: "Eine Fotografie dokumentiert ein Gebäude, eine Zeichnung setzt sich davon ab, indem sie verdichten, auflösen, das Wesentliche ohne störende Hintergründe fokussieren, ja hinter die Dinge blicken kann", ist sie überzeugt.

In emotional berührender Weise setzt die Künstlerin in ihren kolorierten Federzeichnungen einer Vielzahl verfallender Gebäude dann auch ein eindrückliches grafisches Denkmal. Mit akkuraten, wie Lasuren übereinandergelegten Schraffuren und sich kreuzenden Linien sichert sie die Spuren und Schichten vergangener Zeiten und vermittelt zugleich die bewundernswerte handwerkliche und architektonische Qualität der Bauwerke: "Die Baumaterialien, die Strukturen und Proportionen, die regional typischen Baustile wie die schwäbischen Simse oder das Jurahaus im Altmühltal - all dies gerät zunehmend in Vergessenheit und fällt technisierten und energetisch oft unvernünftigen Gebäuden zum Opfer", moniert Peter.

Nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber doch mit einer politisch-gesellschaftlichen Botschaft möchte sich die Künstlerin an die Betrachter ihrer Werke und die Öffentlichkeit wenden: "In Gesellschaft, Medien und Politik wird immer noch viel zu wenig berücksichtigt, wie viel Verlust der Verfall und der Abriss historischer Bauwerke bedeutet", meint sie. Das Argument, man könne "nichts dagegen machen", lässt sie nicht gelten. Und so setzte sie den imposanten Jurahäusern in Büttelbronn und Englgrösdorf zeichnerisch noch ein würdiges Denkmal, bevor beide Bauwerke von einem Tag zum anderen unwiederbringlich abgerissen wurden. Den Verfall eines Bierkellers in Burglengenfeld sowie des Brauereilagergebäudes, der Klostermühle und der Klosterbrauerei in Waldsassen und viele weitere faszinierende Gebäude in ganz Bayern hat Peter in Feder und Tusche nachgezeichnet und präsentiert diese nicht nur in ihrer Ausstellung, sondern auch in einem wunderschönen Buch (Das öde Haus, Volk Verlag München 2018).

Mit ihren Arbeiten schlägt sie immer wieder die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart und lässt die historischen Gebäude aufleben. Für den Betrachter von Peters Zeichnungen birgt selbst eine Gebäuderuine oder der traurige Scheiterhaufen der Reste einer alten Almhütte noch Zauber - wenn man nur weiß, dass einmal ein Einfirsthof aus dem 16. Jahrhundert in Tittmoning und eine perfekt an die Topographie der Alpen angepasste Almhütte aus Trockenmauern und Holz Schutz und Geborgenheit boten.

"Kultur ist das, was man lebt! ", sagt Stefania Peter und möchte damit auf die Schätze hinweisen, die wir direkt vor unserer Haustür finden können. Ihre Ausstellung jedenfalls kann unseren Blick für die Ästhetik verfallender historischer Gebäude in unserer Region eindrücklich schärfen - und vielleicht auch unser Engagement für deren Erhalt.

Die Ausstellung "Das öde Haus" im Museum "Das Jurahaus" ist noch bis zum 21. Juni 2020 zu sehen, jeweils am Dienstag und Mittwoch von 9 bis 12 Uhr, Donnerstag und Freitag von 14 bis 17 Uhr und Sonntag von 14 bis 16 Uhr.

EK