Beilngries
Gericht stoppt Windkraftpläne

Wegen Erdbebenmessstation: Klage eines Investors zum Bau von Anlagen auf dem Altmühlberg abgewiesen

25.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:45 Uhr

Beilngries/München (DK) Wegen einer Erdbebenmessstation bei Amtmannsdorf können auf dem Altmühlberg vier beantragte Windräder nicht gebaut werden. Dieses Urteil fällte das Verwaltungsgericht München. Die Klage gegen die Ablehnung der Windräder durch das Landratsamt wurde abgewiesen.

20 Verhandlungsstunden habe man insgesamt gut und gerne hinter sich gebracht, bilanzierte Richterin Andrea Breit, Präsidentin des Verwaltungsgerichts München, am Dienstagabend nach dem neuerlichen Prozesstag. Gestern wurde dann das Urteil verkündet: Die Entscheidung des Landratsamtes Eichstätt, dass die vier Windräder nicht gebaut werden dürfen, hat Bestand. Die Klage des Investors wurde abgewiesen. Die Urteilsbegründung wird den Prozessbeteiligten erst in den kommenden Wochen zugestellt.

Die Vorgeschichte: Die Kammermeier WKA-Objektplanungs GbR hatte 2012 einen Antrag auf Bau der Anlagen gestellt. Im Frühjahr 2014 lehnte das Landratsamt Eichstätt die geplanten Windräder allerdings ab. Als Hauptargument wurde eine seismologische Messstation bei Amtmannsdorf angeführt. Dagegen reichte der Investor Klage ein. In den folgenden knapp drei Jahren fanden drei Verhandlungstermine statt, bei denen beide Seiten zahlreiche Experten und Argumentationsstrategien ins Feld führten. Am Dienstagnachmittag traf man sich nun zum vierten Mal vor dem Verwaltungsgericht.

Kernfrage der Verhandlung war, ob die seismologische Messstation an dieser Stelle als Ausschlusskriterium für die beantragten Windkraftanlagen ausreicht. Wie Richterin Andrea Breit erläuterte, ist im Bayerischen Windenergieerlass vom Juli 2016 auch eine Passage zur Seismologie enthalten. Dort wird differenziert. Bei Messstationen der Landeserdbebendienste und einiger Universitäten ist ein Schutzradius von drei bis fünf Kilometern sowie eine Einzelfallprüfung aufgezeigt. Für diejenigen Messstationen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die das Netz des sogenannten Gräfenberg-Arrays bilden, wird ein genereller Schutzradius von fünf Kilometern vorausgesetzt. Die Station bei Amtmannsdorf zählt zu letzterer Gruppe. Das Gericht musste nun klären, ob es sich bei der Passage im Windenergieerlass um ein "antizipiertes Sachverständigengutachten" handelt. Hinter diesem sperrigen Begriff versteckt sich - sehr vereinfacht ausgedrückt - folgende Frage: Handelt es sich um einen eher banalen Hinweis oder gibt es dafür eine fundierte Begründung?

Um das zu klären, hatte das Landratsamt Eichstätt den Wissenschaftler Joachim Wassermann ins Gericht geladen. Der Seismologe hatte maßgeblich an besagter Passage mitgewirkt. Er musste dem Gericht erläutern, mit welchen Methoden gearbeitet wurde und wie es zum Fünf-Kilometer-Schutzradius kam. Wassermann erklärte, dass man die Messwerte an vier Regionalstationen analysiert habe - vor und nach dem Bau einer Windkraftanlage in unterschiedlichen Entfernungen. Dabei habe man deutliche Störeinflüsse bemerkt. An den Gräfenberg-Array-Stationen habe man nicht gemessen. Die Instrumente dort seien aber vergleichbar. Da diese Anlagen jedoch von viel größerer Bedeutung für die Erdbebenforschung seien, habe man hier einen Schutzradius von fünf Kilometern vorausgesetzt. Auf Nachfrage der Richterin musste Wassermann einräumen, dass es sich dabei allerdings um einen "gegriffenen Wert" handelte. "Wir sind aber noch von Nabenhöhen um 70 Meter ausgegangen. Aus heutiger Sicht würde ich eher sagen, dass ein Radius von zehn Kilometern nötig wäre", fasste der Seismologe zusammen.

Die Klägerseite hielt erwartungsgemäß dagegen. Wassermann selbst habe davon gesprochen, dass es bei der Passage im Windkrafterlass um eine "möglichst einfache Handhabung" und um einen "groben Rahmen" gegangen sei. Dass daraus ein Ausschlusskriterium für Windkraftanlagen abgeleitet werden könne, zweifelte die Klägerseite an.

Der Investor hatte zudem zwei Wissenschaftler an seiner Seite, die ihre Sichtweise zur Thematik erläuterten. Dabei ging es auch um die Frage, wie eine feste Begründung im Boden die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Messstationen verringern könnte. Die Klägerseite vertrat die Position, dass es dadurch kaum Probleme und zum Teil sogar Verbesserungen für die Messstationen geben könne. Für den Fall, dass das Gericht hier dennoch anderer Meinung sei, hatten die Kläger in Person des Professors Stavros Savidis noch einen weiteren Vorschlag: Man könne die Messstation verlagern. Hier widersprach Klaus Stammler von der BGR. Er fürchte den Verlust wichtiger Daten, die über viele Jahrzehnte hinweg gesammelt wurden.

Richterin Breit merkte immer wieder an, dass sich die Prozessbeteiligten nicht zu sehr in Detailfragen verlieren dürften. Die Thematik sei schon komplex genug. Letztlich wies das Gericht die Klage ab. Kammermeier sagte gestern im Gespräch mit unserer Zeitung, dass er das Urteil nicht nachvollziehen könne. "Wenn es Sinn macht, gehen wir in Berufung", kündigte er an.

Ganz anders war die Stimmungslage gestern bei der Bürgerinitiative Gegenwind Altmühlberg. Deren Vertreter Christian Engmann sagte zu unserer Zeitung, dass man das Urteil natürlich begrüße. Er und seine Mitstreiter würden nun hoffen, dass ein Schlussstrich unter die Windkraft-Thematik gezogen werden kann und auf dem Altmühlberg wieder Ruhe und Frieden einkehren.

In der Beilngrieser Stadtverwaltung erfuhr man am frühen Mittwochvormittag von der Entscheidung des Gerichts, so Bürgermeister Alexander Anetsberger anschließend im Gespräch mit unserer Zeitung. Selbstredend hatte auch die Stadt mit großer Spannung verfolgt, welche Entscheidung das Gericht fällt. Nicht teilen konnte Anetsberger die kritische Einschätzung des Gerichts zum Teilflächennutzungsplan Windkraft, den die Stadt Beilngries im April 2016 beschlossen hatte (wir berichteten). Dieser wurde im aktuellen Prozess zwar überhaupt nicht angefochten. Richterin Breit teilte am Dienstag dennoch mit, dass man bei der Durchsicht des Flächennutzungsplans Probleme erkannt habe. Vor allem habe man den Eindruck gewonnen, harte und weiche Ausschlusskriterien seien nicht sauber getrennt worden. Dem widersprachen die Stadt und auch das Planungsbüro, das durch Adrian Merdes vertreten wurde. Anetsberger sieht keinen Grund, am eigenen Flächennutzungsplan zu zweifeln, sagte er gestern zu unserer Zeitung.