Hilpoltstein
Zwischen Stille und Hektik

Delegation des Eichstätter Bistums besucht zehn Tage lang die indische Partnerdiözese Poona

27.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:27 Uhr

 

Hilpoltstein/Poona (pde) Nahezu zehn Tage lang hat eine Delegation aus dem Bistum Eichstätt die Partnerdiözese in Poona/Indien bereist und verschiedene Projekte besucht. Darunter waren auch viele Einrichtungen, die sich mit dem Schicksal gedemütigter Frauen auseinandersetzen.

Blaue Planen über Bambusstangen gespannt decken die Behausung direkt an der Stadtautobahn in Mumbai ab. In einem Rinnsal neben den Hütten wäscht eine Frau Kleidung. Rund 600 Meter hinter der Slumsiedlung ragt der weiße Gebäudekomplex „Paradise“ in die Höhe. Müll säumt die gesamte Strecke von fast 200 Kilometern von Mumbai bis Pune. Hätte die Reise einen Soundtrack, wäre es das permanente Hupen der Autos, Lastwagen, Mopeds und Rikschas. Hupen ersetzt Verkehrszeichen, Blinker, Ampeln. „Please horn“ steht nahezu auf jedem Heck der Lastwagen. Die indische Landschaft ist mit Staub bedeckt – wie mit Puderzucker bestäubt.

Über eine Woche ist eine Gruppe aus dem Bistum Eichstätt in Indien unterwegs. Ihr Ziel: die Diözese Poona im Bundesstaat Maharashtra. Von Mumbai aus geht es in den Südwesten, nach Pune, dem Bischofssitz. Seit fast 60 Jahren sind die beiden Diözesen partnerschaftlich verbunden. Es war eine der ersten Partnerschaften in Deutschland überhaupt, die das kleine Bistum Eichstätt mit dem weit entfernten Poona einging. Ziel war und ist es, neben dem gegenseitigen Austausch über theologische Themen und Problemen, die Menschen einander näher zu bringen. Vom direkten Austausch zu lernen, ist eine große Chance, erklärt Domkapitular Christoph Kühn, Beauftragter für die Weltkirche: „Ich denke da an die Kleinen Christlichen Gemeinschaften, an die Art und Weise, wie man ein Glaubenszeugnis in einer säkularen Welt, in einer nichtchristlichen Umwelt gibt. Da können wir viel von unseren indischen Partnern lernen.“ Rund vier Millionen Menschen leben in Pune, das von Eichstätt aus oft als der kleinere Partner gesehen wird. Davon sind rund 0,2 Prozent Christen – absolute Diaspora. Die St. Patricks Cathedral ist am Sonntag trotzdem voll. An der Decke surren die Ventilatoren gegen die beginnende Hitze.

Der emeritierte Bischof Valerian D’Souza firmt an diesem Tag 75 Jugendliche. Die Gäste aus Eichstätt sind auch dabei und erleben eben jenen Gottesdienst, für den der Bischof in der ganzen Diözese Eichstätt bekannt ist. Bischof Vally, wie er hier genannt wird, nimmt die Gitarre in die Hand und singt, lächelt dazu, die Jugendlichen singen den Refrain mit: „Down on my knees I found my saviour, down on my knees I found the lord“.

Nach dem Gottesdienst besucht die Gruppe aus Eichstätt das St. Anthonys Boarding. Ein Wohnheim für fast 100 Kinder. Die Kinder sind Halbwaisen oder die Eltern können sich nicht um sie kümmern, meistens sind es alleinerziehende Mütter – in der indischen Gesellschaft noch immer ein Stigma. Die Kinder besuchen alle die St.-Patrick-School direkt neben der Kathedrale, eine von zahlreichen Schulen, die in kirchlicher Trägerschaft ist. Insgesamt sind rund 85 000 Schüler an diesen Schulen. Nur eine Minderheit von ihnen ist katholisch. Das Hauptziel ist es die Schüler gut auszubilden – unabhängig von Religion, gesellschaftlichem Status oder Sprache. Das gilt auch im Don Bosco Technical Training. Hier haben die Schüler die Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen. Danach finden die Schüler ohne Probleme einen Job im ganzen Land. Nur wenige Meter von der Don Bosco Schule entfernt liegt das Heim „Asha Kiran“. Es wurde 2002 von Bischof Valerian gegründet. Dort kümmerte man sich in den vergangenen Jahren vor allem um Menschen, die HIV-positiv waren. Da in den letzten Jahren aber immer weniger Menschen mit Aids kamen, stellte Asha Kiran um: Dort wird jetzt verstärkt auf Naturheilkunde gesetzt.

„Catholic Youth Games“ – unter diesem Motto ist ein großes Sportgelände mitten in Pune zur Bühne für die katholische Jugend der Stadt geworden. Ein großes Tor ist mit weißen Stoffbahnen umhüllt, auf dem staubigen Boden ist ein roter Teppich ausgerollt. Die Ränge auf der Tribüne sind voll.

Rund 500 Jugendliche sind gekommen. Den ganzen Tag über finden verschiedene sportliche Wettkämpfe statt. Als es dämmert, werden die bunten Scheinwerfer angeworfen: Siegerehrung. Eine große Veranstaltung mit Medaillen und Scheckübergabe. Am Ende wird es aber noch einmal ruhig. 200 Mädchen tanzen auf dem roten Teppich. Sie bringen mit ihrem Tanz die Situation von jungen Frauen und Mädchen zum Ausdruck. Am Ende halten sie Plakate in die Höhe: „Save girl to save life“. Der örtliche Jugendseelsorger Pfarrer Lazarus ergreift das Mikrofon, ruft zu mehr Respekt gegenüber allen Frauen auf. Seine Worte schallen von den umliegenden Gebäuden wider.

Die Jugendlichen verteilen Kerzen, die großen Scheinwerfer gehen aus. Die Lautsprecher, aus denen bis vor kurzem noch laute Musik dröhnte, schweigen. Das ganze Stadion ist in Kerzenlicht getaucht. Die Menge ist still, gedenkt der jungen Studentin aus Delhi. So grausam ihr Fall ist – er ist keine Ausnahme in Indien.

Das zeigen die vielen Frauenprojekte, die die Gruppe aus Eichstätt besucht. Assunta Pardhe setzt sich mit ihrem Projekt „Chetna“ für Frauen in Indien ein. Als Anwältin klärt sie die Frauen und Kinder über ihre Rechte auf, hilft aber auch direkt Frauen und Kindern, die Opfer häuslicher Gewalt wurden: „Wir haben auch in vielen Dörfern und kleineren Gemeinden Häuser, in denen die Frauen Schutz finden, wenn sie beispielsweise auf die Straße geworfen wurden.“

Ein anderes Projekt ist „Maher“, das von Schwester Lucy ins Leben gerufen wurde. Sie gibt dort Frauen eine Heimat, die Opfer von Vergewaltigung, Zwangsheirat oder Misshandlungen wurden. Religiöse Zugehörigkeit spielt hier keine Rolle.

So hilft auch die Poona Diocesan Social Service Society (PDSSS), eine Einrichtung vergleichbar mit der deutschen Caritas. Ein Beispiel ist ein Projekt zur ländlichen Entwicklung in der Nähe von Satara, südlich von Pune. Die Frauen lernen dabei, sich eine nachhaltige Lebens- und Existenzgrundlage zu schaffen. „Das Projekt ist erfolgreich“, erzählt der Direktor der PDSSS, Reverend Louis: „Die Menschen haben jetzt beispielsweise Bankkonten, sie haben angefangen, ihre eigenen Unternehmen zu gründen. Das hier keine Christen sind, ist kein Problem. Ich glaube, Jesus ist zu allen von uns gekommen.“ Beeindruckt ist die Gruppe aus Eichstätt über das, was sie in Poona erlebt, über die Begegnungen mit den unterschiedlichen Menschen. So wird Partnerschaft lebendig. Gerhard Rott vom Referat Weltkirche begleitet diese Partnerschaft schon seit über 15 Jahren und ist nach wie vor begeistert: „Ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen Poona erleben können und dass auch möglichst viele Inder nach Eichstätt kommen. Wir können dadurch Globalisierung menschlich gestalten und so miteinander eine Zivilisation der Liebe aufbauen.“

Nach der Stille der ländlichen Region geht es zurück in das hektische Pune. Ein Blick aus dem Fenster: Rechts vom Hotel singt in einer Halle eine Gruppe Kinder „Halleluja“, zugleich ruft 500 Meter weiter der Muezzin vom Minarett herab zum Gebet. Von irgendwoher wabert der Geruch von Räucherstäbchen. Eine orange Fahne – Symbol der Heiligkeit bei den Hindus – weht im Wind.