Zwischen Hühnerzucht und Germanenschlacht

29.06.2006 | Stand 03.12.2020, 7:45 Uhr

Ingolstadt (DK) Gut zweieinviertel Stunden Vorstellungslänge, ein Darstelleraufgebot von 22 jungen Leuten in Einzelrollen und das Stück eines Autors der klassischen Moderne, der zu den ganz großen Bühnenschreibern zählt – das sagt an sich schon alles über das Gelingen dieses Schultheaters.

Die Leiterin des Ensembles "Re-actio(n)" des Reuchlin-Gymnasiums, Erika Ruda, wollte wohl mit Friedrich Dürrenmatts personenreicher, in der Antike angesiedelter Politsatire "Romulus der Große" alle Mitglieder ihrer großen Theatergruppe auf die Bühne bringen, aber sie tat ihnen mit der Stückwahl keinen Gefallen. Da mochten Ausnahmetalente wie der grandiose Jonathan Spanos in der Titelrolle noch so aufspielen: Gegen die Fallen eines am Hochprofessionellen orientierten Laientheaters kamen sie nicht an.

Und so wird denen, die ohne mitgebrachten Familien- oder Freundesbonus in das Theater am Turm Baur kamen, von diesem Abend vor allem das in Erinnerung bleiben: hilflose Mimen, Längen, Pausen, Langeweile. Und schwere Texthänger dazu. Souffleuse Regina Walser war neben "Romulus" die meistbeschäftigte Person des Abends, und zuletzt brauchte gar sie noch Unterstützung: Da sagten sich die sichtbar erschöpften jungen Leute einfach gegenseitig selber vor, was vor allem in Dialogszenen zu hübschen, wenn auch unbeabsichtigten Effekten führte. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Produktion längst vollständig aus dem Ruder gelaufen, ließ keinerlei inszenatorischen Eingriff mehr erkennen und offenbarte dafür auch noch deutlichen Probenmangel. Wie schade!

Denn sie gaben doch ihr Bestes: Die 22 jungen Menschen auf der Bühne, die – hübsche Idee! – durch zur Toga gewickelte leuchtende Betttücher zu ziemlich echten Römern wurden und so zumindest optisch als bunter Reigen aufmarschieren konnten. Kaiser, Kämmerer, Kriegsminister, Reiterpräfekt, Hosenfabrikant, Germanenfürst, Patrizier , Kammerdiener, Isaurier(in), Kunsthändler: Diese und mehr Figuren kennt das Stück; skurrile, per se komische Miniaturen im großen ironischen Ganzen um den Untergang des Römischen Reiches. Den übrigens der scheinbar bequeme, faule, hüh-nerzüchtende Kaiser aus weiser Erkenntnis selbst betreibt.

Wie ein Profi agierte Jonathan Spanos in der textreichen Rolle des Romulus, sprachlich und darstellerisch eine verblüffend reife Leistung! Auch viele andere gefielen, ein sehr komischer Martin Munz etwa als völlig übermüdeter reitender Bote oder Saskia Berthold und Jessica Müller als Isaurierin und Innenministerin Tullia Rotunda.

Mit solchem Ensemble wäre etwas möglich gewesen, nur "Romulus" halt nicht.

? Karin Derstroff