Kelheim
Zwischen Empörung und Verständnis

24.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:45 Uhr

Kelheim (DK) Am Wochenende haben die Kreistagspolitiker Post von den Mitarbeitern des Kelheimer Landratsamtes bekommen. Darin werfen sie den Kreisräten Untätigkeit vor. Die Reaktionen der gescholtenen Politiker reichen von Verständnis bis zu Empörung.

Landrat Hubert Faltermeier (Freie Wähler) schweigt zum offenen Brief seiner Mitarbeiter. "Der Herr Landrat äußert sich zu dieser Angelegenheit nicht", hieß es gestern aus seinem Pressebüro. Es ist aber kein Geheimnis, dass der Behördenchef ein Befürworter einer Sanierung mit Anbau ist. Und so dürfte ihm der Vorstoß seiner Bediensteten ganz recht sein.

In ihrem Schreiben werfen die Mitarbeiter des Landratsamtes den Neubau-Befürwortern im Kreistag vor, sie seien beleidigt, weil der Bürgerentscheid nicht nach ihren Vorstellungen ausgefallen ist und deshalb würden sie den "zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellten" Anbau streichen. Ihrer Meinung nach geht eine Sanierung ohne bauliche Erweiterung "schlicht an den Bedürfnissen einer zukunftsorientierten und bürgerfreundlichen Verwaltung vorbei."

Deutliche Worte fand der CSU-Fraktionssprecher Wolfgang Gural. "Sehr polemisch, ohne sachliche Inhalte und zum Teil unter der Gürtellinie", reagierte Gural auf das Schreiben, das ihn nach eigener Aussage bereits am Samstag erreicht hatte. "Der Personalrat hat zu uns in der gesamten Planungsphase, weder zum Neubau noch zur Sanierung, das Gespräch gesucht", wundert sich der CSU-Fraktionschef. Die Reaktion aus den Büros des Landratsamtes sei aus seiner Sicht völlig überzogen. Von seiner Kritik nimmt Gural den Behördenchef selbst nicht aus: "Nicht erst seit Juli, sondern schon seit Februar gibt es einen Sanierungsbeschluss ohne Anbau mit einem konkreten Zeitplan, nach dem mit dem Bau im Januar 2011 begonnen werden soll", so Gural weiter. "Der Ball liegt also schon lange beim Landrat", so der CSU-Fraktionsvorsitzende, der auch nach dem offenen Brief kein Jota von dem Beschluss des Kreistages abweichen will.

Landrat Faltermeier steht auch beim ÖDP-Fraktionssprecher Peter-Michael Schmalz in der Schusslinie. "Wenn der Bürgerentscheid sauber formuliert gewesen wären, bräuchten wir jetzt nicht zu diskutieren", schimpft der ÖDP-Politiker. Er habe den Landrat auf Probleme bei der Formulierung hingewiesen, doch Faltermeier hätte seine Bedenken nicht geteilt, so Schmalz. Da im Bürgerentscheid nur über eine Sanierung entschieden wurde, lehnte die Mehrheit des Kreistages am 26. Juli einen Anbau ab. Schmalz selbst hat auch gegen einen Anbau gestimmt. Aber nicht aus Trotz – wie ihm im Brief der Landratsamtsmitarbeiter vorgeworfen wird – sondern aus rein sachlichen Gründen, betont er. "Jetzt befinden wir uns in einer baulichen Sackgasse", meint der Langquaider. Denn seiner Ansicht nach würde auch ein Anbau die Platzprobleme nicht lösen. "Mit der Verwaltungsreform werden künftig weitere Stellen an die Landratsämter verlagert. Dann reicht auch der Anbau nicht." Und diese Reform befürwortet auch der Kelheimer Landrat Faltermeier, behauptet Schmalz.

Verständnis für die Verärgerung der Landratsamtsmitarbeiter zeigt die Fraktionssprecherin der Grünen, die Kelheimerin Christiane Lettow-Berger. Sie plädiere auch für einen Anbau und könne die Argumente, die in dem Brief aufgelistet werden, nur bestätigen. Die Sanierung habe schon immer auch eine Erweiterung des Landratsamtes beinhaltet. Das sei auch im Bürgerentscheid so gemeint gewesen. Warum jetzt eine Mehrheit des Kreistages das anders interpretiert und einen Anbau ablehnt, ist ihr schleierhaft. "Anscheinend will man den Bürgerwillen mit aller Gewalt missverstehen", so Lettow-Berger.

"Wir sind von dem Schreiben eigentlich nicht betroffen", sagt der SLU-Fraktionsvorsitzende Alois Schweiger, der den Brief nach eigenem Bekunden bis dato noch nicht in seiner Post gefunden hat und den Inhalt daher nur aus der Presse kennt. "Die Stadt-Land-Union steht und stand schon immer geschlossen hinter einem Anbau", betont Schweiger noch einmal. Eine vernünftige Sanierung sei allein mit einer Erweiterung der Büroflächen möglich, so der SLU-Sprecher. Keine Alternative sieht Schweiger in der Auslagerung ganzer Abteilungen in leer stehende Liegenschaften des Landkreises in Riedenburg oder Abensberg. "Wir kennen doch den baulichen Zustand dieser Gebäude und wissen, dass das nicht so einfach geht."

Ähnlich äußerte sich Jörg Nowy, der Fraktionschef der Freien Wähler, die sich immer für eine Generalsanierung einschließlich Erweiterung des Gebäudetrakts aus den 1960er Jahren stark gemacht hatten. In der Streichung des Anbaus sieht Nowy – genau wie die Beschäftigten des Landratsamtes – "eine Trotzreaktion der Neubau-Befürworter, die durch keine sachlichen Argumente begründet werden kann". Leer stehende Liegenschaften des Landkreises zu sanieren, anstatt den vorhandenen Komplex am Schlossweg im Zuge der Sanierung zu erweitern, hält Nowy nicht nur aus finanziellen Gründen für äußerst fragwürdig. Seiner Meinung nach ist das alles andere als bürgerfreundlich. "Jemanden, der versehentlich im Amt in Kelheim vorstellig wird, dann vielleicht nach Riedenburg zu schicken ist doch nicht zielführend", sagt der Essinger Bürgermeister.

Ungewohnt wortkarg gaben sich gestern die Sprecher der SPD-Fraktion und der Jungen Liste, Heinz Reiche und Christian Prasch. Sie wollten sich erst mit ihren Parteikollegen beraten, bevor sie sich zu dem Brief äußern. Heinz Kroiss von der FDP und die Sprecherin der Bürgerinitiative Biss, Marianne Steindl, waren gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.