Neuburg
Zweifelhafter Ehrenkodex

19-Jähriger will seine Lehrerin verteidigen und schlägt Mitschüler

26.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:19 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: Johannes Eisele (dpa-Zentralbild)

Neuburg (DK) Mit einem – juristisch gesehen – blauen Auge ist ein junger Mann davongekommen, der einem anderen Burschen ein blaues Auge verpasst hatte. Das Amtsgericht Neuburg stellte das Verfahren gegen den 19-Jährigen ein.

Er wollte ja eigentlich nur die Ehre seiner Lehrerin verteidigen, erzählte er Richterin Susanne Bekk. Ein Mitschüler der Berufsschule in Neuburg habe die Frau permanent während des Unterrichts beleidigt – in seiner Muttersprache. Und die beherrscht der Angeklagte, der vor zwei Jahren ohne seine Familie aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist und seither in der Asylunterkunft in der Donauwörtherstraße wohnt, eben auch. „Ich habe das auch schon in der Vergangenheit immer wieder der Lehrerin gesagt, dass er sie beleidigt“, sagte er. „Und auch dem Schulrektor.“ Er und seine Mitschüler hätten sich kaum mehr konzentrieren können, so dermaßen habe der andere sie im Unterricht gestört. Er habe ihn auch gewarnt, dass er das endlich bleiben lassen solle – vergebens.

An einem Tag im Februar dieses Jahres platze dem Angeklagten dann anscheinend der Kragen. Wieder habe sein früherer Freund die Lehrerin übelst beleidigt, woraufhin erst ein Dritter eingegriffen habe. Und so kam das eine zum anderen, man schrie sich an – und dann flogen die Fäuste. „Er wurde handgreiflich, und ich wurde auch handgreiflich“, gab der 19-Jährige mit Hilfe eines Dolmetschers zu. Dabei heraus kam eine offene Wunde im Mund des Opfers und Schmerzen und Prellungen im Gesicht. Die Anklage lautete deshalb auch auf vorsätzliche Körperverletzung.

Vor Gericht erklärte der Schüler, in seiner Heimat habe man so großen Respekt vor Lehrern wie vor den eigenen Eltern. „Ja, das ist ja auch gut so“, entgegnete Richterin Bekk. „Aber wie haben Sie denn konkret zugeschlagen“ Nach einigem Hin und Her antwortete er: „Er hat Fäuste gegeben, ich habe Fäuste gegeben.“ Auf Nachfrage präzisierte er: „Mit der Faust ins Gesicht.“ Den Streit unter den Schülern schlichtete denn auch die Lehrerin, die der Angeklagte nach eigenen Angaben ja eigentlich verteidigen wollte. Ob der Angeklagte in Gänze verstanden hat, dass seine Aktion nicht in Ordnung war, blieb zumindest vage: „Aber jetzt läuft es besser im Unterricht. Der andere ist ruhig geworden.“

Auf Nachfrage von Richterin Bekk gab er aber auch an, sich beim Opfer entschuldigt zu haben. „Wir sprechen auch wieder miteinander.“ Bekk wies den 19-Jährigen auch noch einmal deutlich daraufhin, dass solche Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen seien. „Das muss Ihnen doch klar sein“, sagte sie. „Wie wollen Sie das in Zukunft handhaben“ „Ich habe gelernt, dass man in Deutschland aufpassen muss“, antwortete der Angeklagte. „Ich zettele keinen Streit mehr an.“

Der junge Mann ist nicht vorbestraft, nächstes Jahr will er seinen Abschluss an der Berufsschule machen. Danach möchte er gerne eine Ausbildung zum Verkäufer beginnen. Richterin Bekk schlug vor, das Verfahren unter Auflagen einzustellen. Dem stimmte Staatsanwältin Anna-Maria Weiss zu, aber nicht ohne den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass das nur möglich sei, weil der Hintergrund „besonders“ sei und es dem Angeklagten leid tue. „Aber ein Faustschlag ist schon mehr als mit einer flachen Hand.“ Der 19-Jährige muss nun 30 Arbeitsstunden leisten und gilt juristisch als nicht vorbestraft.