Altmannstein
Zweifel an Jamaika

Altmannsteiner Kommunalpolitiker analysieren den Wahlausgang

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Altmannstein (rat) Mit Ratlosigkeit haben die Altmannsteiner Lokalpolitiker das Ergebnis der Bundestagswahl am Sonntag aufgenommen. Besonders das hervorragende Abschneiden der rechtsradikalen AfD sorgt für Entsetzen. Das ergab gestern eine Umfrage unserer Zeitung.

Es sei schade, dass die im Grunde erfolgreiche Politik der großen Koalition – und insbesondere der Unionsparteien – vom Wähler so abgestraft worden sei, erklärt Bürgermeister Norbert Hummel (CSU). Er habe dieses aus Sicht der CSU sehr enttäuschende Ergebnis in dieser Form nicht erwartet. Leider sei die Bundespolitik von vielen Bürgern auf die Flüchtlings- und Einwanderungsproblematik reduziert worden, bedauert der Bürgermeister. „Alle anderen Themen gingen dafür den Bach hinunter.“ Allerdings sei es den großen Volksparteien nicht gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung in den Bereichen Sicherheit und Zuwanderung zurückzugewinnen.

Gerade bei diesen beiden Kernthemen klaffe das politische Verständnis bei den vier für die Bildung einer Jamaika-Koalition erforderlichen Parteien weit auseinander, stellt Hummel fest. Deshalb werde diese Konstellation sehr schwierig. „Mir persönlich wäre die Weiterführung der großen Koalition am liebsten“, sagt er. Von Neuwahlen hält der CSU-Kommunalpolitiker nichts. „Da käme auch kein anderes Ergebnis heraus als am Sonntag“, befürchtet er.

„Mir persönlich wäre die Weiterführung der großen Koalition am liebsten.“

Bürgermeister Norbert Hummel

 

 

Seine Befürchtungen vor der Wahl hätten sich leider bewahrheitet, berichtet der CSU-Fraktionssprecher Johann Kuffer. „Ich war am Sonntagabend schockiert“, sagt er. Doch leider habe sich das Stimmungsbild, das er in den vergangenen Monaten registriert habe, im guten Abschneiden der AfD wiedergespiegelt, meint Kuffer, der seit Mai auch Vorsitzender der Altmannsteiner CSU ist.

Sein Amtsvorgänger Stefan Seidel war am Sonntagabend vor allem überrascht, dass die AfD generell auch im konservativen Bayern und speziell im Kreis Eichstätt so gut abgeschnitten hat. Wenigstens sei die Wahlbeteiligung hoch gewesen: „Das ist ein gutes Zeichen.“ Der CSU-Marktrat hofft nun, dass in Berlin eine leistungsstarke Regierung gebildet wird, um der AfD entsprechend Paroli zu bieten.

In ihrer Eigenschaft als Vorsteherin eines Altmannsteiner Briefwahllokals erschrak Vize-Bürgermeisterin Hannelore Eichenseher (CSU), als am Sonntagabend nach 18 Uhr die ersten Stimmzettel ausgezählt wurden. Es tat ihr nach eigenen Worten sehr weh, die vielen Stimmen für die AfD zu sehen. Eichenseher lobt die harte Arbeit der CSU-Abgeordneten in Berlin, die dafür dann so abgestraft würden. Das sei für sie nicht nachvollziehbar. Eichenseher hofft nun, dass trotz dieses Rückschlags „etwas Gutes entsteht“. Jede negative Situation könne auch positive Auswirkungen haben, meint sie.

„Dem Wahlkampf von Martin Schulz hat der Pfiff gefehlt.“

SPD-Markträtin Anke Dierl

 

Der Wahlkampf sei langweilig gewesen, umso überraschender sei das Wahlergebnis ausgefallen, wundert sich Wolfgang Eberl, der Sprecher der SPD/FW-Fraktion im Marktrat. Es habe keinen echten Austausch von Argumenten gegeben, bedauert er. Eberl vermutet, dass das AfD-Ergebnis auch eine Folge der fehlenden Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Volksparteien sein könnte. „Deren Positionen kamen nie so richtig heraus.“ Zudem herrsche in Teilen der Bürgerschaft eine wertkonservative Grundeinstellung. „Diese Leute fühlen sich verunsichert“, glaubt der FW-Kommunalpolitiker. Verblüfft ist Eberl auch, dass „die SPD nun kurz entschlossen in die Opposition geht“. Wie die mögliche Jamaika-Koalition funktionieren soll, sei ihm ebenfalls ein Rätsel. „Wie der Bogen zwischen den vier Partnern gespannt werden soll, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Eberl.

Seine Marktratskollegin aus den Reihen der SPD, Anke Dierl, lässt das Ergebnis gestern noch immer fast sprachlos zurück. Allerdings habe sie das dramatisch hohe Resultat für die AfD so erwartet, sagt die Sozialdemokratin. Dass die SPD nun in die Opposition wechseln will, eröffne der Partei die Chance auf einen Neuanfang. Sie selbst habe bereits beim Mitgliederentscheid vor vier Jahren gegen den Eintritt in die schwarz-rote Bundesregierung gestimmt. „Wir müssen uns nun zusammenreißen“, schreibt sie den Genossen ins Stammbuch. Es müsse Schluss damit sein, dass jeder immer nur sein eigenes Süppchen kocht. Kritisch steht Anke Dierl auch der Wahlkampagne des Kanzlerkandidaten Martin Schulz gegenüber. Dem Wahlkampf des SPD-Hoffnungsträgers habe „der Pfiff gefehlt“, beklagt sie.