Eichstätt
Zwangsferien wegen Influenza

1890 war das Eichstätter Krankenhaus überlastet – Grippe-Impfung schon im 19. Jahrhundert

27.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

Kümmerten sich von 1841 bis 1994 um die Patienten im städtischen Krankenhaus Eichstätt, dem heutigen Kreiskrankenhaus: die Barmherzigen Schwestern des Vinzenz von Paul. - Foto: Historischer Verein

Eichstätt (EK) Vor dem Betreten von Seniorenheimen werden dieser Tage Gäste per Anschlag aufgefordert, die Hände zu desinfizieren. Der Grund dafür ist die Influenza, die ganz Deutschland erfasst hat. Die aktuelle Grippewelle breitete sich von Süden in Richtung Norden aus. In Bayern, und natürlich auch in Eichstätt und den Gemeinden, kam es in zurückliegender Zeit immer wieder zu gehäuften Ausbrüchen an dieser ansteckenden Krankheit, vor allem um das Jahr 1890.

Trotz trockenen und kalten Wetters zum Jahreswechsel 1889 auf 1890 erkrankten in Eichstätt ausgerechnet am Neujahrstag mehrere Kinder, Frauen und Männer an Grippe. Von Ärzten wurde dazu geraten, möglichst den Wind zu meiden und bei geschlossenem Mund zu atmen. Das half natürlich nicht viel. Schon am 3. Januar 1890 meldete der EICHSTÄTTER KURIER: „In der Königlichen Lehrerbildungsanstalt sind über 40 Zöglinge erkrankt“. Auch unter den Soldaten des Eichstätter Jägerbataillons schnellten die Krankenziffern nach oben.

ANNO DAZUMAL

Es gab aber auch beachtliche Fortschritte in der Medizin: Einem Zeitungsbericht zufolge wurden damals in Eichstätt 117 Kinder mit Erfolg gegen Grippe geimpft. Aus allen bayerischen und österreichischen Städten liefen Nachrichten über horrende Krankenzahlen ein. So wurde aus Würzburg gemeldet, dass dort 1014 Kinder grippekrank seien. Von der Münchner Trambahngesellschaft blieben 86 Kondukteure (Schaffner) daheim im Bett.

Die Eichstätter Volksschule und das königliche Gymnasium wurden am 7. Januar 1890 für mindestens zehn Tage geschlossen. Bekannt wurde auch, dass in Pollenfeld und Seuversholz der Schulbetrieb eingestellt werden musste. Die Influenza wütete so arg, dass einmal an einem Tag 57 Personen, die unter der Virusepidemie litten, im städtischen Krankenhaus an der heutigen Römerstraße versorgt werden mussten.

Drei Tage später lief die Nachricht durch die Stadt Eichstätt, „dass in jedem Haus drei bis vier Erkrankte liegen“. Unter den Alumnen des Priesterseminars gab es viele an Grippe Leidende, ebenso in der Lateinschule. Total überlastet waren Ärzte und Barmherzige Schwestern im kleinen städtischen Krankenhaus. Da reichten mit Sicherheit nicht einmal die Gänge zur Aufnahme der Notbetten aus.

Anfang Februar 1890 war das Gröbste überstanden. Aus München wurde gemeldet, dass die bayerischen Schulen allmählich den Unterrichtsbetrieb wieder aufnehmen. Erneut kam in Eichstätt Sorge auf, als die Presseagenturen verbreiteten: „In Russland grassiert die Influenza schon wieder und sogar in einer schwereren Form.“

Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit dauerte damals nur wenige Stunden. Zu den Folgen zählten unter anderem ausgeprägtes Krankheitsgefühl im ganzen Körper, hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopfweh, Gliederschmerzen, trockener Husten und Übelkeit. Die Krankheit hielt zwischen sieben und 14 Tage an.

Gegen Ende Januar 1890 sank die Zahl der Einweisungen in das Eichstätter Krankenhaus. Am 15. Januar lagen 52 Erkrankte in der Anstalt im Haus des Spethschen Domherrnhofs im Osten der Stadt, am 21. Januar 25 und am 31. Januar noch vier. Diese konnten anderntags nach Hause gehen. Ebenso galt die Influenza beim Jägerbataillon, das in der Hofgarten-Kaserne (Sommerresidenz) untergebracht war, als erloschen. Und am 9. Februar 1890 gab der Militärmusikzug schon wieder auf dem Residenzplatz eine Parademusik. Unter anderem stand die „Veilchenpolka“ auf dem Programm.

Von Todesfällen durch die Grippe ist in der Heimatzeitung keine Nachricht zu finden. Eine Nachschau in den Büchern der Stadt Eichstätt im Standesamt (Haus Bummerlbräu in der Pfahlstraße) ergab keine auffallend erhöhte Sterblichkeit in den betroffenen Monaten: Von Oktober bis Dezember 1889 waren 59 Einwohner gestorben, in den drei Quartalen von Januar bis September 1890 jeweils exakt 67 Kinder, Frauen und Männer und im letzten Vierteljahr 1890 dann 58 Personen – wie im Jahr zuvor.