München
Zugausfälle, Unfälle und Verletzte: „Sabine“ wütet in Bayern

10.02.2020 | Stand 02.12.2020, 12:00 Uhr
Bahnarbeiter auf Turmtriebwagen bei Arbeit an Oberleitung. −Foto: Peter Kneffel/dpa

Keine Züge, keine Schule, kein Strom. In vielen Gegenden hat das Orkantief „Sabine“ Bayern kräftig durchgewirbelt. Es gab auch Verletzte, hätte aber schlimmer kommen können.

Das Orkantief „Sabine“ hat am Montag in Bayern das öffentliche Leben teils zum Erliegen gebracht. Mehrere Menschen wurden verletzt, die Sachschäden waren erheblich. Die Deutsche Bahn hatte am Morgen nach dem Fernverkehr auch den Regionalverkehr eingestellt, an den Airports wurden zahlreiche Flüge annulliert, fast alle Schulen blieben geschlossen, Veranstaltungen wurden abgesagt. Zahlreiche Bäume stürzten um und blockierten Straßen und Gleise, manche fielen auf Gebäude. In Oy-Mittelberg im Allgäu wurde ein Seminargebäude komplett abgedeckt. In einigen Gegenden fiel der Strom aus.

Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei mussten seit den früheren Morgenstunden zu Hunderten Einsätzen ausrücken. Die gesamte Schadenssumme war zunächst aber noch unklar. Mehrere Menschen wurden verletzt, meist blieb es aber bei leichteren Blessuren. Im mittelfränkischen Heßdorf (Kreis Erlangen-Höchstadt) wurde ein 20 Jahre alter Fußgänger am Kopf schwer verletzt, weil der Anhänger eines vorbeifahrenden Autos durch eine Böe auf den Gehweg geschleudert wurde.

Insgesamt hätte der Sturm nach Einschätzung von Experten allerdings noch schlimmere Folgen haben können. Nach Angaben von Guido Wolz vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in München ist es bekannt, dass Stürme im Winter weniger Schäden verursachen als im Sommer. „Wenn die Bäume kein Laub tragen, sind sie weniger anfällig“, erklärte er. Ein ähnlich starker Sturm hätte im Sommer vermutlich wesentlich mehr Bäume umgeworfen.

Am Montag fegten stundenlang orkanartige Böen über das Land. Bei Fürstenzell im niederbayerischen Landkreis Passau wurden nach Angaben des DWD 154 Stundenkilometer gemessen. „Das ist in solchen Tieflagen eine absolute Spitze“, sagte Meteorologe Martin Schwienbacher. Über den Großen Arber, mit 1455 Metern höchster Berg des Bayerischen Waldes, fegte der Orkan mit bis zu 161 Stundenkilometern. Auf Deutschlands höchstem Berg, der 2962 Meter hohen Zugspitze, registrierte die dortige Messstation 158 Stundenkilometer.

„Sabine“ komme zumindest in Bayern ziemlich nahe an den Sturm „Kyrill“ heran, der im Januar 2007 auch hier schwere Schäden verursacht hatte. Bis Dienstag erwartete der DWD besonders in den Gebirgen weitere teils extrem starke Böen, aber auch im Flachland könnten im Süden noch einmal 130 Stundenkilometer erreicht werden.

Am Flughafen München, Deutschlands zweitgrößtem Airport, wurden am Montag etwa 630 von 1050 Flügen annulliert. Wegen des Sturms wurden keine Maschinen mehr be- oder entladen, am Vormittag kam der Flugbetrieb dadurch zum Erliegen. Erst am frühen Abend hoben wieder Maschinen ab. Auch an den Flughäfen Nürnberg und Memmingen kam es zu Ausfällen, aber in einem deutlich geringeren Umfang.

Während die Deutsche Bahn am Vormittag in großen Teilen Deutschlands den Fernverkehr nach und nach wieder aufnahm, mussten sich im Freistaat und in Baden-Württemberg Reisende noch bis zum Nachmittag gedulden. Die DB hatte zudem auch den Regionalverkehr eingestellt, nur auf der S-Bahn-Stammstrecke in München wurde noch ein Pendelverkehr aufrechterhalten. Auch die privaten Bahnunternehmen mussten ihre regionalen Verbindungen in Bayern entsprechend einstellen. In den Mittagsstunden rollten zunächst in Franken wieder die ersten Züge, dann folgten nach und nach die verschiedenen S-Bahn-Linien in und um München.

Im südlichen Oberbayern und im Allgäu mussten allerdings eine Reihe von Strecken gesperrt bleiben. „Insbesondere umgestürzte Bäume in Oberleitungen und auf Schienen blockierten und blockieren an mehr als 20 Stellen einen sicheren Bahnbetrieb“, teilte die Bahn mit. Alle verfügbaren schweren Reparaturfahrzeuge sowie Fachkräfte mit Straßenfahrzeugen und Spezialausrüstung seien im Einsatz, um die Schäden zu beheben.

Beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd hieß es, es habe in der Region schon schlimmere Unwetter gegeben. „Es waren fast alles Einsätze, bei denen die Feuerwehr Hindernisse beseitigen musste: Umgestürzte Bäume, umgeworfene Verkehrsschilder“, sagte Sprecher Stefan Sonntag. Auch die Warnungen hätten geholfen. „Die Leute waren vorbereitet, sie sind eher mal zu Hause geblieben - und haben unnötige Fahrten vermieden.“

Auf den Straßen blieb das ganz große Chaos aus. Der übliche morgendliche Stau in München fiel geringer aus als sonst. Auch ungewöhnlich viele Parkplätze waren am Morgen frei. Viele hatten wohl ihre Autos vorsorglich in die Garage gefahren, um sie zu schützen.

Auf der Autobahn 92 (Deggendorf-München) erfasste der Sturm einen Lastwagen und warf ihn um. Der Fahrer wurde leicht verletzt. Mehrere Unfälle gab es, weil Autos oder Laster gegen umgestürzte Bäume stießen. Auf der A3 in der Oberpfalz warf der Sturm einen Lkw-Anhänger um - und richtete ihn auch wieder auf. Gerade als der Abschleppdienst eingreifen wollte, erwischte eine Böe aus entgegengesetzter Richtung den Anhänger und stellte ihn wieder auf die Räder. „Als wäre nichts passiert, konnte der Fahrer wieder in seinen Lkw einsteigen und losfahren“, berichtete die Polizei.

Den Schülern in Bayern bescherte „Sabine“ einen freien Tag. Die Landkreise und kreisfreien Städte hätten beschlossen, dass die Schule flächendeckend ausfalle, teilte das Kultusministerium mit. An den Schulen wurde eine Notbetreuung für Schüler eingerichtet. Am Dienstag solle der Unterricht in einigen Teilen Niederbayerns weiter ausfallen. Nach Angaben des Kultusministeriums vom Montagabend waren davon Schulen in den Landkreisen Dingolfing-Landau, Freyung-Grafenau, Passau und Rottal-Inn

Wegen „Sabine“ blieben mancherorts Mülltonnen ungeleert. Auf den städtischen Friedhöfen in München, Nürnberg und Augsburg wurden Beerdigungen abgesagt. Die Behörden wollen damit verhindern, dass Besucher von herunterfallenden Ästen oder umstürzenden Bäumen verletzt werden, hieß es.

Aus Sicherheitsgründen blieben auch Ausflugsziele wie der Tierpark Hellabrunn in München, der Zoo in Nürnberg, die Nationalparkzentren im Bayerischen Wald und die Parkanlagen der Bayerischen Schlösserverwaltung geschlossen. Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) rief die Menschen auf, Wälder zu meiden. „Bei den aktuellen Windstärken können selbst stabil verwurzelte Bäume unvermittelt umfallen oder große Äste verlieren“, warnte die Ministerin.

In der Nacht zum Montag war wegen des Orkantiefs in mehreren Regionen Bayerns die Stromversorgung ausgefallen. Etwa drei Stunden nach Mitternacht habe es erste Stromausfälle in Unterfranken gegeben, teilte die Bayernwerk AG in Regensburg mit. Dann weiteten sich die Stromausfälle in anderen Bezirken aus. Zehntausende Haushalte waren zeitweise ohne Strom. „Ursache für die Ausfälle sind meistens Bäume oder Äste, die Stromleitungen berühren oder beschädigen“, erklärte ein Sprecher.

Warnseite des Deutschen Wetterdienstes

Sturmblog Deutsche Bahn

Meldungen zu größeren Bahneinschränkungen

Flughafen München

DB zu Sturmauswirkungen in Bayern

dpa