Zornig bis vergnügt

19.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:24 Uhr
Wenn ich verwirrt bin - was geht dann in mir vor? Benjamin Kneser, Ardhi Engl und Joana Tscheinig suchen nach Antworten. −Foto: Olah

Ingolstadt (DK) „Heute bin ich vergnügt, und das merke ich daran, dass es in mir blubbert“, sagt Joana Tscheinig fröhlich und hält sich den Bauch. „Heute bin ich verwirrt, und das merke ich daran, dass ich zunehmend denke – HÄ!!“, sagt Benjamin Kneser mit gerunzelter Stirn.

„Heute bin ich neugierig, und das merke ich daran, dass ich denke ,Aha‘, ,Oh‘, ,Ah‘“, tönt es vielstimmig. Und drei Forscher machen sich auf, den Raum zu erkunden, an Wänden zu lauschen, in Ecken zu leuchten, Geräuschen nachzuspüren, die in Decken verborgen sind, in der Luft surren und überall anders klingen. Das sieht lustig aus, hört sich auch so an – und im Publikum gluckst es. „Heute bin ich“ heißt das zauberhafte Bilderbuch der Niederländerin Mies van Hout, das Franziska Henschel als Grundlage für ihr „Tanzendes Theater“ diente. Mies van Hout erzählt dabei keine Geschichte, sondern zeigt 20 Fische in allen Gefühlslagen: u. a. neugierig, mutig, neidisch, verblüfft, verwirrt, vergnügt, ängstlich. Regisseurin Franziska Henschel ist mit diesen Fisch-Zeichnungen unterwegs gewesen, hat kleine und große Leute gefragt, wie sie sich fühlen, wenn sie sich wie diese Fische fühlen – und hat aus den Antworten ein Stück entwickelt. Ein Stück, das versucht, so etwas Abstraktes und Kompliziertes wie Emotionen für Kinder ab vier Jahren auf der Bühne zu erklären, mit Bewegung, mit Sprache, mit Musik, mit Farben. Am Samstagnachmittag feierte es in der Werkstatt des Jungen Theaters Ingolstadt umjubelte Premiere.

Was ist ein Gefühl? Woher kommt es? Was macht es mit einem? „Jedes Gefühl fängt mit einem Gedanken an“, sagt Benjamin Kneser. „Jedes Gefühl fängt mit einer Stimmung an“, sagt Ardhi Engl. „Jedes Gefühl fängt im Körper an“, sagt Joana Tscheinig. Was stimmt nun? Überhaupt: „Es gibt nur drei Gefühle: Das Gefühl, das man gerade hat. Das Gefühl, das man loswerden will. Und das Gefühl, das man gerne hätte.“ Dazu gibt es Stimmungen wie „das grüne Warten“ und Gedanken wie „ja“, „nein“ oder „hä!“ Sagen zumindest die drei Schauspieler, während sie Bild um Bild von Mies van Houts Fisch-Kalender abreißen und jedem Gefühl auf den Grund gehen.

Franziska Henschel hat als Bühnenbild ein leeres weißes Zimmer gewählt – einen Gedankenraum, der sich für vielerlei theatrale Spielarten eignet: Schattenspiel, Farb- und Lichtkapriolen, Tanzperformances, musikalische Recherchen. Denn Klangtüftler Ardhi Engl musiziert auf merkwürdigen, selbstkonstruierten Instrumenten aus Alltagsgegenständen und Handwerkerbedarf, die mal vertraut tönen wie ein Kontrabass, mal quäkend, fremd aus Metallophonen und Duschschläuchen.

Das fügt sich perfekt in diese Produktion. Denn Engl, Kneser und Tscheinig brechen zu Expeditionen in unbekannte Welten auf. Und sind dabei wie Forscher aus verschiedenen Jahrhunderten gekleidet: altmodischer Gehrock, Schutzoverall mit Lichtfühlerhelm, aerodynamischer Hautanzug (Kostüme: Anna Kleihues). Jede Emotion wird zum Ausgangspunkt eines neuen Abenteuers. „Betrübt“ fühlt sich blau an, zieht die Schultern nach unten, macht den Kopf zum wollschalschweren Medusenhaupt und den Körper schlurfig langsam. „Fröhlich“ klingt spritzig hell nach Blubberblasen. „Wütend“ ist laut, explosiv und unberechenbar. Die „Angst“ lässt uns zittern vor dem Unbekannten (das vielleicht einen Monsterkopf trägt). Erst ein gewaltiger Sonnen-Schnee-Sturm bringt nach 45 Minuten wieder Klarheit im Kopf.

Regisseurin Henschel (künstlerische Mitarbeit: Michael Isenberg) und ihr Trio finden eine fantasievolle Bildsprache für dieses komplexe Thema. Es sind spannende Kopfgeburten, erfinderisch, poetisch, philosophisch, komisch, verrückt, düster. Für größere Zuschauer höchst vergnüglich. Für Vierjährige definitiv zu furchteinflößend.

Weitere Termine: 3. und 16. Mai, Kartentelefon (08 41) 30 54 72 00.