Riedenburg
Zigeuner besetzen das Rathaus

Bürgermeister Schneider übergibt den Schlüssel und verabschiedet sich bis zum Faschingsdienstag

11.11.2011 | Stand 03.12.2020, 2:11 Uhr

Er hatte sich schon so auf einen Tanz mit der scheidenden Baronin gefreut: Um Bürgermeister Schneider diesen Wunsch zu erfüllen, sangen die Faschingszigeuner – Musikanten hatten sie leider nicht mitgebracht – „Lustig ist das Zigeunerleben“.

Riedenburg (bis) Jetzt können sie im Rathaus schalten und walten, wie sie wollen: Die Faschingszigeuner haben seit dem 11. 11. um 11.11 Uhr die Schlüsselgewalt über die Machtzentrale in Riedenburg. Bürgermeister Michael Schneider hat sich selbst bis zum Kehraus in den Urlaub geschickt.

Doris Schmid kann es immer noch am besten – und am lautesten: das dreifache „Heinerle, Zigeinerle!“. Doch ihr Nachfolger, der neue Baron, hat ja noch viel Zeit zum Üben bis zum 21. Februar, dem Zigeunerfasching. Klaus Meyer bekam am Freitag nicht nur Gürtel und Kette von seiner Vorgängerin, sondern auch den Rathausschlüssel von Bürgermeister Michael Schneider (CSU). Denn heuer fand der Faschingsauftakt in Riedenburg erstmals im Sitzungssaal des Rathauses statt.

. . . 58, 59, 60: Zigeunerurgestein Willy Jetten konnte die genaue Zeit diesmal von der Funkuhr im Sitzungssaal ablesen, bevor er den Zigeunerfasching 2011/2012 für eröffnet erklärte. „Jetzt zieh Dich aus“, forderte er Doris Schmid auf, die allerdings einige Schwierigkeiten hatte, ihren prunkvollen Gürtel abzunehmen. Doch die Übergabe der Insignien an Klaus Mayer klappte umso reibungsloser. „Doris, Du hast es wunderbar gemacht“, lobte nicht nur Vereinschef Bernhard Schmid den Einsatz der scheidenden Baronin in ihrer Amtszeit.

Bürgermeister Schneider bedauerte gleich, „dass keine Musi dabei ist. Ich hatte mich schon aufs Tanzen gefreut.“ Der Trubel, den die große Zigeunerschar mit ins Rathaus brachte, gefiel ihm sichtlich. „Sonst sehe ich hier im Sitzungssaal nur ernste Männer und Frauen.“ Nach 27 Jahren gebe er nun erstmals den Rathausschlüssel aus der Hand, meinte Schneider bei der Übergabe und verabschiedete sich gleich bis zum Faschingsdienstag in den Urlaub. Auch Vize-Bürgermeister Siegfried Lösch (CSU) brauche sich in dieser Zeit um nichts zu kümmern. Der hatte die Faschingszigeuner bei ihrer Jahresversammlung ins Rathaus eingeladen und gleich auch für Getränke und Knabbereien gesorgt. Den gewaltigen Rathausschlüssel aus Holz hatte übrigens der neue stellvertretende Vorsitzende der Faschingstruppe gestaltet, Hans Dürschinger.

Die erste Sitzung der Riedenburger Zigeuner im Rathaus leitete Bernhard Schmid, während sich Bürgermeister Schneider entspannt zurücklehnen konnte. Dann allerdings ging es ihm, wie auch einem der früheren Barone, an den Kragen beziehungsweise an die Krawatte, die wie sonst am Unsinnigen Donnerstag der Schere zum Opfer fiel. Mit gestutzter Hemdzier durfte der entmachtete Bürgermeister aber doch noch mit Doris Schmid aufs Parkett des Sitzungssaales. Zwar ohne Instrumente, aber begleitet von vielen geübten Stimmen, tanzten sie zur Melodie von „Lustig ist das Zigeunerleben“.

Gesungen wurde auch für Willy Jetten, der am Tag zuvor seinen Geburtstag gefeiert hatte. Er freute sich, dass er es jetzt mit den Zigeunern ins Rathaus geschafft habe, was ihm auf dem politischen Weg mit der SPD nicht gelungen sei. Bernhard Schmid konterte, dass er erst drei Tage Mitglied der CSU sei, „und schon steh ich im Rathaus-Sitzungssaal ganz vorn“.

Nach dieser launigen Ratssitzung, die nicht die letzte sein soll, machten sich die Zigeuner auf ihre Tour durch die ganze Stadt, die am Abend mit Musik im Gasthaus ausklang.