Rohrenfels
Zehn Minuten an der Katastrophe vorbei

02.03.2010 | Stand 03.12.2020, 4:13 Uhr
Mit Gasflaschen und Kanistern voll Benzin, die er sich im Laufe der Zeit beschafft hatte, wollte der Mann sein Anwesen sprengen. Hier überprüft Brandrat Erwin Pfleger die teils geleerten Gasbehälter. −Foto: Rein

Rohrenfels (r) Explosionsgefahr in Rohrenfels: Ein 66-jähriger Rentner versuchte sich gestern früh mit Autoabgasen umzubringen und gleichzeitig sein Wohnhaus zu sprengen. Das Vorhaben misslang, der Lebensmüde konnte gerettet und die Katastrophe verhindert werden. Es ging um Minuten.

Offenbar fehlte nicht viel zu einer gewaltigen Explosion am Luisenweg in der kleinen Gemeinde. Der 66-Jährige hatte sein Haus mit geöffneten Gasflaschen vollgestellt und etliche Benzinkanister ausgeschüttet. Überall fanden sich getränkte Windeln und Styroporteile. Mit Zeitschaltuhren und laufenden Heizlüftern wollte er die Explosion auslösen. Jeder Raum sei präpariert gewesen.

Ein Mitarbeiter von E.on schaltete auf Geheiß der Polizei vom Umspannwerk Neuburg rasch den Strom ab. Die Zeitschaltuhren waren damit aus. Angeblich hätten sie zehn Minuten später gezündet. "Es hätte eine gewaltige Explosion gegeben", sind sich die Einsatzleiter sicher. Seine 92-jährige Mutter hatte der Rentner vor Tagen in die Kurzzeitpflege gebracht. Grund für die Verzweiflungstat könnte die bevorstehende Versteigerung des Hauses gewesen sein. Der Rohrenfelser lebte in Scheidung und ist verschuldet. Sein 1999 von ihm gebautes Haus mit eingebauter Garage sollte nächste Woche im Landgericht Ingolstadt versteigert werden. Der Verkehrswert liegt bei 391 000 Euro. Es sollte wohl nicht in fremde Hände gelangen.

Opfer gerettet
Gegen 6.25 Uhr hörte ein Nachbar Motorengeräusche aus der Garage. "Der Motor heulte immer wieder auf", so Ronny Winkler, ein weiterer Nachbar. Sie dachten an einen Herzinfarkt des Nachbarn. Sie gingen ins Haus, "es roch furchtbar nach Benzin". Kurz darauf rückte die Ortsfeuerwehr an. Der Rentner lag hilflos in seinem Auto. Der Motor lief, das Opfer hatte die Auspuffabgase eingeatmet. BRK-Sanitäter transportierten den Mann ins Neuburger Krankenhaus. Er liegt auf der Intensivstation und ist außer Lebensgefahr. Den Schäferhund des Rentners fand die Wehr vergiftet im Haus. "Die Ersthelfer haben Riesenglück gehabt", so ein Feuerwehrmann. Wegen des intensiven Benzin- und Gasgeruchs zogen sich die Einsatzkräfte aber bald zurück. Die Neuburger Polizei ließ das ganze Viertel evakuieren. Zwei Spezialisten des Landeskriminalamtes rasten aus München heran. Sie betraten das Haus und tasteten sich langsam von Raum zu Raum. "Ein reines Himmelfahrtskommando", kommentierte ein Beamter. Die LKA-Leute drehten die meisten Gasflaschen zu.

Man wollte sichergehen, "dass kein Zeitzünder oder andere Fallen eingebaut sind", erklärte der Neuburger Polizeichef Wolfgang Brandl. Der 66-Jährige sei als Tüftler bekannt. Im Müllkasten im Freien hatte er einen Toaster neben einer Gasflasche platziert und per Kabel mit einer Zeitschaltuhr verbunden. Die elektrischen Rollos des Hauses waren heruntergelassen und blockiert – die Polizei hatte in Rohrenfels den Strom abschalten lassen. Die Straßenmeisterei sperrte die Strecke Neuburg-Augsburg. Rohrenfels glich einer Geistergemeinde.

Auskunft verweigert

Erst gegen 17 Uhr galt die Explosionsgefahr als gebannt. Die Nachbarn kehrten in ihre Häuser zurück. Die Helfer schafften die benzingetränkten Textilien, Betten, Windeln ins Freie. Die Zahl der Propangasflaschen gab die Polizei mit 15 an.

Am frühen Vormittag hatten Polizeibeamte im Krankenhaus versucht, den 66-Jährigen zur Preisgabe des Zündmechanismus zu überreden. "Der Mann wollte aber mit uns nichts zu tun haben", so ein Oberkommissar.

Der Katastrophenstab des Landratsamtes war in Rohrenfels vor Ort, kurzzeitig auch Landrat Roland Weigert. Bürgermeisterin Karin Schäfer verfolgte die Aktion, gab den evakuierten Bürgern "Asyl" im Gemeindeamt und verteilte frühzeitig Wurstsemmeln, Krapfen und Kaffee.