Stuttgart
Zäsur beim VfB

Vereinsikonen wie Hansi Müller fordern Neuanfang in Stuttgart

09.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:50 Uhr

Stuttgart (DK) Hansi Müller haben sie damals vom Hof gejagt. Weil der Ex-Nationalspieler des VfB Stuttgart im österreichischen Fernsehen en passant ausplauderte, was alle doch längst wussten. "Alexander Zorniger wird neuer Trainer des VfB", erzählte die Ikone aus erfolgreichen Zeiten und musste anschließend aus dem Aufsichtsrat zurücktreten.

Die Geschichte mit Zorniger ging vollkommen daneben, wie man weiß, an der Sachkenntnis von Hansi Müller besteht aber weiter kein Zweifel. Auch an der Sachkenntnis von Karl Allgöwer übrigens nicht, er ist einer von den kritischen Geistern, die dieser Klub jetzt dringend braucht. Alle werden inzwischen gefragt. Weil alle davon ausgehen, dass es mit Sportvorstand Robin Dutt nach dieser Saison beim VfB Stuttgart nicht mehr weitergeht. Auch mit Trainer Jürgen Kramny nicht. Und vermutlich auch mit Präsident Bernd Wahler nicht.

Gestern herrschte Schweigen im Klubzentrum. Es ist noch eine Woche bis zum Spiel beim VfL Wolfsburg und der Hoffnung auf ein Wunder, an das im Grunde längst keiner mehr glaubt. Es geht darum, eine katastrophale Spielzeit mit dem nötigen Anstand zu Ende zu bringen. Und darüber nachzudenken, wie man sich für die Zukunft aufzustellen gedenkt. Hansi Müller spricht in aller Deutlichkeit aus, was das Problem des VfB Stuttgart ist: "Dieser Klub ist eine Wohlfühl-Oase. Da kommen junge Spieler hin, beziehen ein Apartment mit Blick auf die Stadt, fahren eine Luxuskarosse und glauben, sie hätten schon alles erreicht. Dabei haben sie noch gar nichts erreicht."

Auch, dass Kevin Großkreutz sich an den Klub gebunden fühlt ohne Rücksicht auf die Klassenzugehörigkeit, will Hansi Müller nicht überbewerten: "Vielleicht hat er gar keine andere Möglichkeit mehr." Müller fordert, dass sich jetzt der Aufsichtsrat um seinen Vorsitzenden Hartmut Jenner entscheiden müsse, wie es mit dem Klub weitergeht: "Jeder sollte sich fragen, ob er an seiner Position noch richtig ist." Selbst Weltmeister Guido Buchwald, in seinen Äußerungen sonst eher zurückhaltend, sagt: "Robin Dutt hat einen Vier-Jahres-Vertrag. Ich finde, im Profigeschäft sollte es nur kurzfristige Verträge geben." Beide sind für einen radikalen Schnitt. Der Klub muss sich neu positionieren, vielleicht sogar neu erfinden.

Aber die Bedingungen werden in der zweiten Liga schwer. In der Bundesliga werden 538 Millionen Euro an Fernsehgeldern an die Vereine ausgeschüttet, in der zweiten Liga sind es noch 135 Millionen. Derzeit investiert der VfB knapp 40 Millionen Euro in das Profigeschäft, in der zweiten Liga wird sich das auf 20 Millionen reduzieren.

1975, beim ersten Abstieg der Klubgeschichte, verfügte der Verein noch über perspektivische Talente wie Hansi Müller oder Karlheinz Förster, heute sind die Jugendmannschaften des VfB überschaubar erfolgreich, die wichtigsten Talentförderer sind alle in Richtung Leipzig abgewandert, die Zweitvertretung ist in die Regionalliga abgestiegen. Es wird schwer. Jedem ist das klar. Hansi Müller sagt: "Wir haben damals als junge Spieler unsere Chance genutzt." Karl Allgöwer unterstreicht im "Kicker", dass er zukünftig für "Alibifunktionen" nicht zur Verfügung steht, fordert für die Zeit nach dem Spiel beim VfL Wolfsburg aber eine schonungslose Aufarbeitung der Saison: "Da wird es nicht sehr freundschaftlich zugehen, damit muss man professionell umgehen und handeln. Ich gehe davon aus, dass ich bei den Gesprächen dabei bin. Da wird analysiert, und dann werden hoffentlich die richtigen Entscheidungen getroffen."