Ingolstadt
Wolkig bis heiter

Das Open Flair litt lange unter dem schlechten Wetter, aber das konnte die Stimmung kaum trüben

03.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr
Volles Zelt und beste Stimmung beim Auftritt der Heavytones am Samstagabend. Dutzende mussten von draußen aus zuhören. Trotz des trüben Wetters war das Open Flair im Klenzepark einigermaßen gut besucht. Am freundlicheren Sonntag kamen deutlich mehr Gäste als an den Vortagen und genossen das „Viel-Fühl-Festival“ (unten). Kurz nach 18 Uhr begann es dann wieder heftig zu gießen. −Foto: Hammer

Ingolstadt (DK) Der brachiale Herbsteinbruch hat das Open-Flair-Festival im Klenzepark am Freitag und Samstag hart getroffen. Viele Händler und Wirte blickten ziemlich trüb drein. Wer trotzdem kam, konnte viel Spaß haben. Und gestern sah die Welt eh schon wieder heiter aus.

Wenn sich auf einem Sommerfestival unter grauem Himmel in großflächigen Pfützen die bewölkten Blicke Regenjacken und Stiefel tragender Besucher spiegeln, dann kann Reggae eine Lösung sein. Tina, voluminöse Kopfhörer auf den Dreadlocks, bedient zwei Plattenteller mit Jamaika-Flaggen-Motiv (Schwarz-Grün-Gelb), schwingt lächelnd im Takt der Musik, und vor ihr schwingen die Gäste mit; nicht nur Lockenträger. „Sun is shining, the weather is sweet, Make you want to move, your dancing feet“, singt Bob Marley selig. Die Sonne scheint zwar nicht, denn das Wetter ist eher saumäßig als sweet – aber das Team des Küchenwagens mit den jamaikanischen Schmankerln nimmt es gelassen. Tinas Tipp an alle, die trüben Blicks vorüberziehen: „Trotzdem tanzen! Denn so schlimm kann das Wetter gar nicht sein!“

Steffen Prasen („Ich rocke die Küche“), Kochbuchautor, Lieblingsgericht: jamaikanisch-vegetarischer Rastareis, kommt gern auf das Open Flair, „weil es einfach schön ist und wir immer nette Leute treffen“. Allerdings hat er diesmal erfahren müssen, dass Ingolstadt weiter von Jamaika entfernt ist, als viele glauben. „Diese Auflagen!“, klagt er. „Die Ingolstädter Behörden könnten wirklich ein bisschen entspannter sein.“ Ob auch hier Reggae eine Lösung ist, erscheint indes fraglich.

Der heftige Herbsteinbruch setzt dem Festival hart zu. Der Samstag beginnt, wie der Freitag endet: greislich. Schauer ab Mittag, dann ein Wolkenbruch, der in Schnürlregen übergeht. Gegen 16 Uhr klart es auf, das Wetter bleibt weitgehend trocken. Einige Händler und Imbisswirte stemmen an ihren nur mäßig bevölkerten Ständen von unten die Hände in die Markise, um das Wasser abzulassen, das sich dort gesammelt hat; ein trauriges Bild. Aber im Laufe des Samstags mehren sich die lichten Momente. Wer trotz der Kälte in den stimmungsvoll illuminierten Klenzepark findet, kann einen schönen Tag erleben. Und einen tollen Abend.

Alle Musiker sind hervorragend. Sie lassen die Trübnis vergessen. Allerdings zeigt sich deutlich, dass das Open Flair heuer mindestens eine Nummer kleiner ist als in den Vorjahren. Im Exerzierhaus, das früher dank furioser Bands gern mal brodelte, bleibt es heuer zum ersten Mal still. Es gibt auch keine World Stage unter freiem Himmel mehr, nur vier Musikzelte (zwei kleine und zwei mittelgroße), die für die Headliner zu eng sind. Als die Heavytones am Samstagabend einen glänzenden Auftritt hinlegen – virtuos und mitreißend, nur leider schlecht abgemischt – müssen Dutzende vor dem Zelt zuhören. Doch sie tun es gerne.

Eine andere konzeptionelle Neuerung scheint kaum einen zu stören, wen man auch fragt. Es treten keine Mittelaltergruppen mehr auf. „Ich bin froh, dass dieser Zirkus vorbei ist“, findet der Dieter (60) aus Ingolstadt. „Früher dauernd dieses Dudelsackgetröte, das braucht wirklich kein Mensch!“ Einige Paar Schnabelschuhe laufen schon noch herum; sie kreisen meistens um die auf altdeutsch-urig gestylten Imbissstände wie die Schaubräterey aus Sachsen.

Über die Jahre hat das Open-Flair-Festival, das seit 1995 im Klenzepark stattfindet, ganz eigene Klassiker kreiert: das Märchenzelt (mit behaglichem Lagerfeuer) und das Literaturzelt „Wort im Wald“ beim Turm Triva – für viele Fans des Festivals (egal ob klein oder groß) nahezu magische Orte, an denen sie auch dieses Mal in romantisch-lauschigen Runden inspirierende Stunden erleben.

Sechs Organisationen informieren mit Ehrenamtlichen in großer Zahl über ihre Arbeit und ihre Überzeugung; sie passen gut in das betont intellektuell-alternative Ambiente des Open Flair. Vier Gruppen teilen sich ein sehenswert dekoriertes Zelt samt Kronleuchter. „Die Albert-Schweitzer-Stiftung ist eine Tierrechtsorganisation, die sich vor allem für die Abschaffung der Massentierhaltung und die Verbreitung der veganen Lebensweise einsetzt“, erklärt Margit Brabender. „Aber wir wollen niemandem vorschreiben, wie er zu leben und was er zu essen hat. Wir wollen informieren, begeistern und laden dazu ein, Alternativen kennenzulernen. Denn jeder Schritt weg von der Massentierhaltung ist ein Schritt in die richtige Richtung!“ Natalja Grünemayer verrät Rezepte für gute vegane Kost. „Etwa ein toller Eiersalat auf der Basis weich gekochter Nudeln. Jeder glaubt, dass da echte Eier drin sind.“ Aber so etwas essen Veganer ja nicht. Den Besuchern im Zelt werden Kostproben angeboten. Und sie erfahren: „Es kommt immer auf die Würzung an.“


Das Interesse sei groß, bestätigt auch Manuela Hertel von Foodsharing. Deren gut 30 Mitglieder retten jede Woche in Ingolstadt aus Läden und Haushalten rund 150 Kilo ablaufende, dem Mülleimer geweihte Lebensmittel. „Im Unterschied zur Tafel verteilen wir das Essen öffentlich an alle, die ein Zeichen gegen die Verschwendung setzen wollen.“

Am Sonntag schaut die Welt auf dem Festival schon wieder viel besser aus: heiter. Die Besucher strömen bereits am Vormittag. Den eröffnet das Quartett Close 2 Jazz großartig im Exerzierhauszelt vor viel Fachpublikum, das weiß, dass man beim Jazz nach jedem Solo klatscht; am Ende der Stücke wird immer gejubelt, jedenfalls ist das bei Close 2 Jazz so. Draußen hellen sich die Mienen der Händler und Wirte sichtbar auf. Neben der Jamaika-Küche lässt Tina an den Plattenspielern wieder Bob Marley singen. „Sun is shining, the weather is sweet.“

Diesmal wirklich! Naja, fast.