Neuburg
Trillerpfeifen und Mini-Demo auf dem Wochenmarkt

Neben frischem Gemüse gibt es drei Wochen vor der Bundestagswahl plötzlich auch viel Politik auf dem Schrannenplatz

03.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:33 Uhr
Wahlkampfhilfe aus München: Die CSU-Bundestagsabgeordnete Julia Obermeier (oben links) verteilte auf dem Wochenmarkt Trillerpfeifen an Frauen und Brezen und Luftballons an die Kinder. −Foto: Andrea Hammerl

Neuburg (ahl) Am Stand der Frauen-Union gehen Trillerpfeifen und kleine Brezen weg wie die sprichwörtlichen Semmeln, am AfD-Stand werden rege Gespräche geführt. Fünf Personen, die nicht angemeldet Prospekte verteilt haben, verlassen unterdessen nach Belehrung durch eine Zivilstreife der Polizei den Wochenmarkt. Dort herrscht die übliche Betriebsamkeit. Hie und da wird geratscht, der Regen macht Pause.

 

„Ich muss da nicht hin, ich weiß schon, wen ich wähle“, sagt Friedrich Eppinger, „aber es ist schwierig - wir bräuchten andere Kandidaten“. Der Wahlkampf lässt die Wochenmarktbesucher ziemlich kalt, die Standbetreiber auch. Willi Oppenheimer verkauft Eier und winkt nur ab auf die Frage, was er vom Wahlkampf hält. Er hat zu tun. In der Warteschlange steht Ilona Schreiber. Ja, sagt sie, das Thema der Münchener Bundestagsabgeordneten Julia Obermeier, die Sicherheit, sei ein wichtiges Thema, sie werde daher noch zur Frauen-Union gehen. „Man hat jetzt mehr Angst vor Terror und sexueller Belästigung“, findet Schreiber. Vor allem um ihre Tochter mache sie sich Sorgen.

Auch Sofia Käfer, Kreisvorsitzende der Frauen-Union, die Obermeier nach Neuburg geholt hat, brennt das Thema „Freiheit braucht Sicherheit“ auf den Nägeln. „Ich bin grundsätzlich optimistisch“, sagt sie, „aber ich habe Töchter, um die ich mich sorge.“ Die wenigsten Frauen wollen sich dazu öffentlich äußern, muss der Reporter des Lokalfernsehens erfahren, nur hinter der Kamera und anonym werden Ängste zur Sprache gebracht. Gleiches erlebt Gabriele Kaps am Stand der Frauen-Union. Die Trillerpfeifen würden gerne angenommen, aber zu Ängsten wolle sich keiner bekennen. „Die Polizei rät von Pfefferspray ab und zu Trillerpfeifen“, erklärt Obermeier ihre Aktion. Sie hofft, dass die Frauen die elegante kleine Pfeife auch tatsächlich mit sich führen. Nur sehr wenige lehnten mit den Worten „Das brauche ich nicht“ ab. „Sie wird gern genommen“, freut sich Obermeier, „aber die Blumen auch.“

„Die Wahlkämpfer stören uns nicht“, sagt Gemüsehändler Anton Hoch, bei dem selbst angebaute Bohnen und Salat Hochsaison haben. „Solange sie nicht direkt neben meinem Stand stehen“, fügt er noch lachend hinzu. Das tun sie natürlich nicht. Die AfD (Alternative für Deutschland) hat sich direkt an der Markthalle am Zugang zum Wochenmarkt platziert. Hier führen Bundestagskandidatin Christina Wilhelm, Jutta Lauber und ihre Mitstreiter angeregte Gespräche und verteilen ihr Wahlprogramm, gelegentlich auch Mitgliedsanträge.

Direkt gegenüber stehen fünf Personen und verteilen Flyer mit der Aufschrift „Aufstehen gegen Rassismus“. Sie hätten sich hier „ganz spontan“ getroffen, versichert Maximilian Baumann. „Wir sind keine Demo.“ Sein Nebenmann fordert per Plakat auf „Entsorge deinen Müll – Bonbons für Bullshit“. Auf die neuerliche Brisanz des Wörtchens „entsorgen“ angesprochen, erklärt Baumann, das Plakat sei schon älter als Alexander Gaulands Äußerung über Staatsministerin Aydan Özoguz, außerdem „bin ich von der Partei „Die Partei“ – ich darf das sagen“. Sie hätten sich dazu entschlossen, „etwas für die Umwelt zu tun“ und fordern Passanten auf, sich ein AfD-Wahlprogramm geben zu lassen, um es in den – offensichtlich bislang leeren – schwarzen Müllbeutel, den Baumann neben der Bonbonschale hält, zu werfen. Rosa-Maria Haag von der Frauen-Union nimmt das Angebot des Bonbons gerne an, entsorgen aber will sie ihr AfD-Programm aber nicht. „Das will ich lesen“, sagt sie, offenbar leicht irritiert über das Ansinnen dieser Papierverschwendung im Namen der Umwelt.

Was am AfD-Programm so schlimm sei? „Das traditionelle Familienbild ist schlimm“, antwortet Baumann, „ich finde, jeder kann auch zwei oder drei Männer und Frauen haben.“ Und das islamische Familienbild? „Das ist Religion“, weicht er aus, „wer das so will, soll es haben.“ Außerdem gebe es Muslime, die das nicht so gut fänden, einer stehe neben ihm. Der nickt, will sich aber nicht näher äußern, schon gar nicht mit Namen. Nach gut einer halben Stunde klärt eine Zivilstreife der Polizei die fünf Nicht-Demonstranten auf, dass sie eine Genehmigung der Stadt bräuchten, um Flyer zu verteilen. Sie seien einsichtig gewesen und gegangen, erklärt Franz Drexler von der Polizei auf Nachfrage.