Ingolstadt
Wo die Wut sich staut

Viele klagen über Behinderungen auf der A9, tragen aber selbst dazu bei - 107000 Autos täglich bei Ingolstadt

26.07.2019 | Stand 23.09.2023, 7:58 Uhr
Bremsen bis zum Stillstand: Staus gehören auf der vielbefahrenen A9 zum Alltag. −Foto: Kneffel/dpa

Ingolstadt (DK) Dieses Gefühl kennt so ziemlich jeder Verkehrsteilnehmer: Stau auf der Autobahn, nichts geht mehr voran.

Da schnellt der Adrenalinspiegel schlagartig nach oben, die Bandbreite der Gefühle reicht von Ärger über Ungläubigkeit bis hin zur blanken Wut. Warum schon wieder, wo wollen sie denn alle hin? Fragen schwirren durch den Kopf, als säße man daheim und würde nicht selbst Teil des Ganzen sein. Gerade an der A9 zwischen Hilpoltstein (Kreis Roth) und Pfaffenhofen war es zuletzt vermehrt zu Stillständen gekommen, zumindest gefühlt. Wird es tatsächlich schlimmer oder ist das nur subjektives Empfinden? Wir haben nachgefragt.

Was die Fahrzeugdichte betrifft, ist sie zwischen Hilpoltstein und Lenting (Kreis Eichstätt) seit Jahren gleichbleibend hoch. "Die Werte haben sich seit 2015 stabilisiert" sagt Maria Schraml von der Autobahndirektion Nordbayern. Normalerweise könnten die sechs Spuren der A9 in beide Richtungen rund 96000 Fahrzeuge problemlos aufnehmen. Baustellen wie die bei Allersberg (Brückenarbeiten) und Greding (neuer Belag) würden aber sehr schnell zum "Stau aus dem Nichts" führen - einer bremst, und ganz schnell verlangsamt sich in kurzer Zeit der gesamte nachfolgende Verkehr. Wer häufig dort unterwegs ist, kann ein Lied davon singen. Auch Anwohner sind wegen des Ausweichverkehrs genervt.

Die Autobahndirektion Südbayern stellt derweil ab Lenting Richtung Pfaffenhofen eine stetig steigende Frequenz auf der A9 fest. Waren vor acht Jahren rund 90000 Autos am Tag an der Ausfahrt Ingolstadt-Nord vorbeigerauscht, sind es mittlerweile 107000 (Stand 2018).

Abgesehen von regelmäßigen Ereignissen wie Ferienbeginn oder Urlaubsende bestimmen zwei maßgebliche Faktoren die Situation auf den Autobahnen: Verkehrsunfälle und die Zahl der Baustellen. Erst Mittwochfrüh war bei Schweitenkirchen im Kreis Pfaffenhofen ein 24-Jähriger auf der A9 tödlich verunglückt. Die Aufarbeitung zog sich über Stunden hin, weil die Polizei solche Ereignisse besonders gründlich dokumentieren muss. "Da kommt erst einmal alles zum Erliegen, zumal es auch noch einen Auffahrunfall gegeben hat", sagt Jürgen Voraberger von der Ingolstädter Verkehrspolizei. Solche Kettenreaktionen gebe es öfter, weil manche Autofahrer unaufmerksam sind. Die erheblichen Behinderungen hätten sich den ganzen Tag über hingezogen.

Nach den Erfahrungen des Inspektionsleiters sind es vielfach die staugeplagten Verkehrsteilnehmer selbst, die zur Verschärfung der Lage beitragen. "Wir tun, was wir können, aber wenn sie keine Rettungsgasse bilden, hält das alle auf. Nur wenn Polizei, Feuerwehr Rettungsdienst und Abschleppfirma ungehindert zur Unfallstelle gelangen, können wir den Weg schnell freimachen. " Auf der Gegenspur würde oft gegafft oder fotografiert, auch das verlangsame den Verkehr. Maria Schraml klagt ebenfalls über mitunter "unvernünftiges Verhalten" und "nicht angepasste Geschwindigkeit" rund um Baustellen. Statt im Reißverschlusssystem einfädeln zu lassen, würden "unsinnige Fahrstreifenwechsel vollzogen, um jeden Meter zu gewinnen" - was andere wiederum zum Bremsen nötige und den Stau verstärke.

Dabei tun die Behörden ihr Möglichstes: "Asphaltierungen erledigen wir oft nachts, das geht am Tag nicht mehr", sagt Josef Seebacher von der Autobahndirektion Südbayern. Ganz dick kommt es nach seinen Worten aber bald auf der A9 nach München zwischen Langenbruck und Holledau, zwei Jahre sind dafür anberaumt. "Hier machen wir alles neu, Brücken werden abgerissen und Fahrbahn und Entwässerung erneuert", sagt er. Die Vorbereitungen würden bereits laufen, "im November reißen wir die erste Brücke ab". Für die Enge auf Autobahnen findet er noch eine allgemeine Erklärung: "Alle reden vom Flächensparen, aber viele kaufen immer größere Autos. Die Fahrspuren sind inzwischen fast überall zu schmal. "
 

Horst Richter