Ingolstadt
"Wir wollen zeigen, wie es ohne Hausärzte ist"

23.08.2010 | Stand 03.12.2020, 3:45 Uhr

Die Praxis bleibt Donnerstag und Freitag zu: Allgemeinmediziner Dr. Anton BÖhm beteiligt sich am Hausärztestreik. - Foto: Rössle

Ingolstadt (DK) Die meisten Ingolstädter Hausärzte werden am Donnerstag und Freitag ihre Praxen nicht öffnen. Sie wollen sich gegen die von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geplante Abschaffung des Hausärztemodells wehren. Die Krankenkassen drohen mit Sanktionen.

Wer Ende dieser Woche eine Krankschreibung oder ein Rezept von seinem Hausarzt braucht, wird meist vor verschlossenen Türen stehen. Die Allgemeinmediziner wollen damit erreichen, dass das seit 2009 gesetzlich verankerte Hausarztmodell weiterhin beibehalten wird.

Diese "Hausarztzentrierte Versorgung", wie das Modell im Fachjargon heißt, sieht den Hausarzt als erste Anlaufstelle für Patienten vor. Alle weiteren Behandlungsschritte sowie Überweisungen zu Fachärzten koordinieren dann die Allgemeinmediziner. "Wir haben diese Verträge mit den Krankenkassen abgeschlossen, und sie waren durchaus lukrativ für uns", sagt Hausärztesprecher Dr. Anton Böhm. "Das Hausarztmodell muss bestehen bleiben, denn es bietet auch Vorteile für die Patienten, die sparen sich zum Beispiel die Praxisgebühr." Ein weiterer Kritikpunkt der Ärzte ist die Zwangsmitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Dort sind Allgemeinmediziner, Fachärzte und Psychotherapeuten organisiert. Abrechnung und Einteilung der Notdienste läuft über die Vereinigung. "Wir wollen aber Vertragsfreiheit, denn innerhalb der KV verlieren wir als Hausärzte alle Abstimmungen."

Die AOK Ingolstadt sieht den geplanten Ausstand kritisch. "Wir haben die Hausärzte immer unterstützt. Im aktuellen Fall sind wir aber enttäuscht, dass so viele Mediziner mitmachen und unsere Versicherten darunter leiden müssen", sagt AOK-Pressesprecher Jürgen Ringelhann. Außerdem dürften Ärzte gar nicht streiken. "Das ist der falsche Weg, sie können theoretisch sogar ihre Kassenzulassung verlieren."

Versicherten, die wegen des Streiks nicht behandelt werden, verspricht Ringelhann Hilfe. "Die sollen sich bei uns melden, dann können wir eventuell gegen die streikenden Ärzte vorgehen." Die Audi-BKK möchte sich zum geplanten Ausstand nicht äußern: "Wir wollen das nicht kommentieren", ließ Pressesprecher Philipp Drinkut verlauten.

Von den möglichen Sanktionen wollen sich die Ingolstädter Hausärzte aber nicht beeinflussen lassen. "Nur einige kleine Praxen werden für Notfälle geöffnet haben, aber 80 Prozent sind mit Sicherheit geschlossen", sagt Böhm. Zudem sei auch bei den Ärzten Urlaubszeit, für Notfälle stünden aber die Kliniken jederzeit zur Verfügung.

Demonstrationen oder andere Protestaktionen der Mediziner wird es an den Streiktagen nicht geben. "Die Ärzte gehen einfach nicht in die Arbeit", berichtet Böhm. "Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, wie es ohne Hausärzte ist, denn ohne Nachwuchs wird es bald eh so sein." Auf dem Rücken der Patienten soll der Streik laut Böhm aber nicht ausgetragen werden: "Ich nenn’ es einfach mal einen Warnstreik, niemand will die Patienten schädigen. Deshalb werden wir für dringende Fragen auch einige Telefonstellen besetzen."