Raitenbuch
"Wir wollen jetzt noch die letzten Schritte gehen"

Dem Raitenbucher Patrick Kammerbauer kann mit Eintracht Braunschweig die Rückkehr in die Zweite Liga gelingen

30.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:38 Uhr
Den Aufstieg fest im Blick: Nachdem Patrick Kammerbauer sich während der Zwangspause zu Hause in Raitenbuch fitgehalten hat, kämpft er aktuell mit Eintracht Braunschweig um die Rückkehr in die Zweite Bundesliga. −Foto: Imago Images

Raitenbuch - Als das Corona-Virus die Fußballwelt Mitte März zum Erliegen brachte, belegte Eintracht Braunschweig in der Dritten Liga nur den neunten Tabellenplatz.

 

Inzwischen - neun Spiele, aber sechs Siege sowie zwei Unentschieden und nur eine Niederlage später - grüßt der BTSV mit guten Aufstiegschancen vom dritten Tabellenplatz. Zwei Spieltage vor dem Saisonende haben die Blau-Gelben mit dem Raitenbucher Patrick Kammerbauer in ihren Reihen die Rückkehr in die Zweite Fußball-Bundesliga fest im Visier.

Am vergangenen Samstag verpassten die Braunschweiger "Löwen" allerdings eine Vorentscheidung, als sie in einer turbulenten Schlussphase beim stark abstiegsgefährdeten FSV Zwickau noch mit 2:3 (1:0) unterlagen. Dabei war Eintracht Braunschweig selbst erst in der Schlussminute der 2:1-Führungstreffer gelungen. Doch mit Treffern in der ersten und vierten Minute der Nachspielzeit drehte Zwickau die Partie. Diesen schweren Rückschlag gilt es nun zu verdauen und möglichst schnell in die Erfolgsspur zurückzukehren.

In den Spielen daheim gegen den SV Waldhof Mannheim am Mittwochabend und auswärts beim SV Meppen (Samstag, 4. Juli) entscheidet sich aber nicht nur das Wohl oder Übel des einstigen Deutschen Meisters von 1967, sondern auch Kammerbauers weitere Zukunft. Dass er wegen der Saisonverschiebung in den letzten beiden Spielen und in möglichen zwei Relegationsspielen im Juli eingesetzt werden darf, wurde mit dem Stammverein längst abgeklärt. Doch wie geht es danach weiter? Denn offiziell wäre das Leihgeschäft des Erstligisten SC Freiburg mit dem Drittligisten zum 30. Juni abgelaufen. "Im Aufstiegsfall würde sich mein Vertrag in Braunschweig um ein weiteres Jahr verlängern", berichtet der 23-Jährige und ergänzt: "Das war von Anfang an mein Plan und mein Ziel, als ich im September vergangenen Jahres hierher gekommen bin. " Andernfalls wäre er wieder ein Spieler des Bundesligisten SC Freiburg (Vertrag bis 30. Juni 2022) - und neue Alternativen müssten ausgelotet werden.

Patrick Kammerbauer schätzt die Chancen für den Aufstieg und somit seinen Verbleib in der mit rund 250000 Einwohnern nach Hannover zweitgrößten Stadt Niedersachsens jedoch hoch ein. "Die Euphorie ist groß, wir sind gefestigt und haben uns trotz der jüngsten Niederlage eine gute Ausgangsposition erarbeitet. Wir sind nah dran und wollen jetzt auch noch die letzten Schritte gehen. Wir wollen in die Zweite Liga", sagt er. Mit 61 Punkten rangiert die Eintracht zwei Spieltage vor dem Saisonende hinter den Würzburger Kickers (63) auf Platz drei. Da Tabellenführer Bayern München II (64) als Zweitvertretung einer Profimannschaft nicht aufsteigen darf, würde das immer noch zur Rückkehr in die 2. Bundesliga reichen. Weitere Patzer darf man sich allerdings nicht mehr erlauben. Denn der MSV Duisburg (58) und der FC Ingolstadt 04 (60) liegen in Lauerstellung. Sechs Punkte sind noch zu vergeben. Neben den zwei Direktaufsteigern darf eine Mannschaft ihr Glück über die Relegation gegen Nürnberg versuchen. Der aus Raitenbuch stammende Fußball-Profi, der auch schon für den 1. FC Nürnberg und Holstein Kiel in der Zweiten Liga am Ball war, erwartet "zwei brutal schwere Duelle, die erst einmal gespielt werden müssen". Denn, so der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler, jede Begegnung habe ihren eigenen Charakter. "Ich kann aber versprechen, dass wir alles raushauen werden. Wir wollen am Saisonende einen Grund zum Feiern haben. " Es wäre vor allen Dingen den treuen Fans zu gönnen - auch wenn es dann mit den sonst üblichen Feierlichkeiten auf dem Schlossbalkon nichts werden dürfte. Bis vor dem Wiederbeginn fanden durchschnittlich 18583 Zuschauer den Weg zu den Heimspielen des Traditionsvereins ins Stadion. Der Bestwert wurde mit 23100 gegen den FC Magdeburg erzielt, die wenigsten Besucher zog der KFC Uerdingen (16135) an. Dass sich nun nur maximal rund 200 Personen im weiten Stadionrund verteilen, macht dem 1,74 Meter großen Fußballer nichts aus, er kommt mit der Geisterkulisse gut zu Recht, auch wenn natürlich etwas Entscheidendes fehlt: Die Emotionen von den Rängen. "Natürlich ist das eine Umstellung und mit den Fans und deren Anfeuerungsrufen im Rücken wäre es viel schöner. Aber jeder Spieler muss mit der Situation klarkommen und sich halt selber ein Stück weit mehr motivieren. Aber ich denke, dass wir das bis jetzt ganz gut hinbekommen haben", sagt er - und spricht für seine Person: "Ich kann mich trotz all dieser Begleitumstände voll auf meine Aufgaben konzentrieren und den Fokus auf das Spiel legen. "

In den neun Spielen seit Wiederaufnahme der Saison kam Kammerbauer als sogenannter "Sechser" achtmal zum Einsatz. In fünf Partien stand er die vollen 90 Minuten auf dem Platz, in den anderen drei kam er meist rund 20 Minuten vor dem Abpfiff. Trainer Marco Antwerpen setzt bei all den aufeinanderfolgenden Englischen Wochen auf Rotation mit durchschnittlich über sieben Wechseln im Vergleich zum Spiel davor. "Der Trainer hat mir von Anfang an vermittelt, welche Rolle ich spiele und einnehmen soll. Wichtig ist, dass die Mannschaft funktioniert. Und das spiegelt sich in unseren guten Ergebnissen wider. Deshalb ist keiner böse, wenn er mal eine Pause bekommt. Auch für mich ist das kein Problem", erzählt Kammerbauer in seiner bescheidenen Art. Von daher akzeptiert er die Entscheidung des Trainers vollauf, wegen des großen Pensums und der enormen Belastung nicht immer zur Anfangself zu gehören, auch wenn dieser ihn erst kürzlich öffentlich lobte und sagte: "Ein Patrick Kammerbauer kann über 90 Minuten marschieren. "

Damit die Trainingssteuerung optimal auf die Spieler ausgerichtet werden kann, müssen sie fast täglich einen Fragebogen zum Fitnesszustand und eventuellen Blessuren ausfüllen. Das ist laut Kammerbauer aber nichts Besonderes, sondern war in Freiburg oder Nürnberg ebenfalls schon so, auch wenn es in der heißen Saisonphase mit den vielen Spielen innerhalb kürzester Zeit eine noch höhere Bedeutung hat. Die Grundfitness für seinen körperlichen Zustand holte sich der 23-Jährige während des Corona-Lockdowns in heimischen Gefilden mit Dauerläufen in der Raitenbucher Flur. "Da habe ich echt viel für mich gemacht, damit ich auf ein Top-Level komme. Und so fühle ich mich jetzt auch - auch in den Spielen", erklärt der Mann mit der Rückennummer 39.

Aber auch schon nach der Winterpause, bevor die Dritte Liga für fast drei Monate pausieren musste, hatte der Rechtsfuß eine sehr gute Phase. Da war er nämlich nur bei der 1:4-Niederlage gegen den TSV 1860 München zum Zuschauen verdammt, in den darauffolgenden sechs Partien gehörte er immer über die volle Distanz zum Stammpersonal. "Irgendwann kommt ein gewisses Selbstverständnis rein, man spürt das Vertrauen des Trainers. Und so etwas überträgt sich dann auch auf das eigene Spiel", sagt der zentrale Mittelfeldspieler, der seine Arbeit im defensiven Mittelfeld am liebsten über Zweikämpfe und Ballgewinne verrichtet. Mit einem beherzten Einsatz leitete er beispielsweise gegen die SG Sonnenhof-Großaspach den Führungstreffer ein. "So etwas pusht einen natürlich selber auch noch einmal gewaltig", sagt Kammerbauer. Und ein bevorstehender Aufstieg in die Zweite Liga sowieso.

EK

Norbert Dengler