Berlin
"Wir wollen eine rasche Lösung"

Verdi-Chef Bsirske über den Tarifstreit im öffentlichen Dienst der Länder

04.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Berlin (DK) Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder kommen nicht voran. Ab morgen gibt es Warnstreiks. Wir sprachen mit Frank Bsirske, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi, über den Tarifkonflikt.

Herr Bsirske, die Gewerkschaften haben ab morgen zu Warnstreiks in Schulen, Unikliniken und Straßenmeistereien aufgerufen. Wie ist es zu dieser Zuspitzung bei den Tarifgesprächen für den öffentlichen Dienst der Länder gekommen?

Frank Bsirske: Die Arbeitgeber haben sich auch in der zweiten Verhandlungsrunde geweigert, ein Lohnangebot vorzulegen. Stattdessen beharren sie darauf, in die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge einzugreifen, also die Betriebsrenten kürzen und verschlechtern zu wollen. Das ist mit den Beschäftigten nicht zu machen, deshalb sind jetzt die Kolleginnen und Kollegen aufgerufen, vor der dritten Verhandlungsrunde am 16. und 17. März ein deutliches Zeichen für ihre berechtigten Interessen zu setzen. Wir wollen eine rasche Lösung am Verhandlungstisch, und ich gehe davon aus, dass die Arbeitgeber daran ebenfalls ein Interesse haben.

Müssen Sie nicht Verständnis dafür aufbringen, dass die Länder angesichts der Schuldenbremse Schwierigkeiten haben, starke Lohnsteigerungen zu schultern?

Bsirske: Es kann nicht angehen, wenn sich die Länder mit der Schuldenbremse selbst Fesseln anlegen und die Beschäftigten das dann ausbaden sollen – zumal die Steuereinnahmen sprudeln. Da ist es nur gerechtfertigt, dass ein Teil davon auch den Beschäftigten und ihren Einkommen zugute kommt. Berufsfeuerwehr, Polizei, Schulen, Unikliniken, Finanzverwaltung und Hochschulen sind für eine funktionierende Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Und wer von qualifizierten Beschäftigten gute Arbeit erwartet, muss diese auch angemessen bezahlen. Gute Leute, gute Arbeit, gutes Geld – das gehört zusammen.

Die Unternehmer fordern eine Anpassung der betrieblichen Rente, da die Zinsen derzeit niedrig sind und die Rentenkassen unter dem Älterwerden der Gesellschaft leiden. Ist das nicht berechtigt?

Bsirske: Arbeitgeber und Gewerkschaften tragen gemeinsam Verantwortung für die betriebliche Altersversorgung, und diese Verantwortung nehmen wir ernst. Aber angesichts eines deutlich sinkenden Niveaus der gesetzlichen Rente ist die betriebliche Altersversorgung im öffentlichen Dienst von großer Bedeutung. Die Arbeitgeber wollen die Zahlungen der betrieblichen Altersvorsorge – aktuell durchschnittlich 361 Euro im Monat – um bis zu 20 Prozent kürzen. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir müssen zunächst die Berechnungen der Länder prüfen, dazu wollen uns die Arbeitgeber jetzt die nötigen Unterlagen zur Verfügung stellen. Und wenn wir den echten Handlungsbedarf kennen, können wir auch über Lösungen reden. Das geht aber nicht mit Kürzungen der Leistungen im Alter.

Warum ist es so schwierig, sich auf eine bundesweite Eingruppierung für die Lehrer zu einigen?

Bsirske: Die Länder haben sich lange darin eingerichtet, die Eingruppierung – also die Bewertung und Bezahlung – der Lehrer einseitig festlegen zu können. Die Gehaltsunterschiede bei den angestellten Lehrern in unterschiedlichen Ländern betragen bis zu 18 Prozent. Jetzt bieten die Länder zwar pro forma eine tarifliche Eingruppierung an, die aber im Kern die bisherige Willkür fortsetzt, weil Verschlechterungen im Beamtenrecht sofort auf diese Tarifregelung durchschlagen würden. Zudem sollen mit dieser Eingruppierung die schon jetzt teilweise deutlich schlechteren Gehälter der angestellten Lehrer festgeschrieben werden. Das ist weit von den Forderungen der GEW entfernt.

Sie fordern einen Extra-Zuschlag, der vor allem den unteren Besoldungsgruppen zugute kommt. Wären jetzt nicht zunächst einmal die oberen Gehaltsgruppen dran, die weniger verdienen als ihre Kollegen im privaten Dienstleistungssektor?

Bsirske: Die Forderung nach 5,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens 175 Euro monatlich, ist gut begründet. Gerade die Tätigkeiten im Küstenschutz, in Straßenmeistereien, bei Berufsfeuerwehr, Justiz oder in Unikliniken sind hoch belastend, auch wegen knapper Besetzung und Personalmangels. Es hat gerade für untere Einkommensgruppen nach dem Wechsel vom alten Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) auf den neuen Tarifvertrag der Länder (TvL) Verschlechterungen gegeben, die wir mit dem Mindestbetrag ausgleichen wollen.

Das Gespräch führte

Antje Schroeder.