Ingolstadt
"Wir wissen noch nicht, wie gut wir sind"

Ein Jahr beim FC Ingolstadt 04: Erfolgstrainer Ralph Hasenhüttl mahnt trotz aller Rekorde zur Vorsicht

10.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:08 Uhr

Mitunter ist das Glück kaum zu fassen: Ralph Hasenhüttl ist mit dem FC Ingolstadt in dieser Saison noch ungeschlagen. Verdienter Lohn ist die Tabellenführung in der 2. Bundesliga. - Foto: Imago

Ingolstadt (DK) Eigentlich hätte Ralph Hasenhüttl an seinem Jahrestag allen Grund gehabt zu feiern. Er ist mit dem FC Ingolstadt Tabellenführer in der 2. Bundesliga und erlebt gerade den größten Höhenflug seiner jungen Trainerlaufbahn. Aber der 47-Jährige zog es vor, eine Mountainbike-Tour in die Berge zu machen.

Sich auspowern und abschalten war die Devise, bevor der Grazer nach der Länderspielpause die beeindruckende Erfolgsserie mit seinem Team fortsetzen will. Gegen den FSV Frankfurt (Sonntag, 19. Oktober) können die Schanzer gleich mehrere Rekorde brechen oder ausbauen: Als einzige Zweitliga-Mannschaft noch ungeschlagen, saisonübergreifend seit 13 Spielen ohne Niederlage (der Vereinsrekord liegt bei 14 Begegnungen), und dazu können die Ingolstädter auch noch die Liga-Bestmarke von 17 Auswärtsspielen ohne Niederlage verbessern.

Keine Frage – Hasenhüttl hat seit seinem Amtsantritt am 7. Oktober 2013, als er den FC 04 auf Platz 18 übernahm, viel bewegt. Aber wenn sein Braunschweiger Trainerkollege Torsten Lieberknecht – wie jüngst nach dem 1:0-Sieg des FC 04 – orakelt, dass er im Audi-Sportpark bald eine Aufstiegsfeier erwartet, passt das dem Österreicher absolut nicht. „Wir wissen noch gar nicht so genau, wie gut wir wirklich sind. Es gibt Mannschaften in der Liga, gegen die es sauschwer wird, etwas zu holen. Ich bin gespannt darauf, ob wir es schon im Kreuz haben, gegen diese Teams zu bestehen“, mahnt Hasenhüttl zur Vorsicht und warnt vor zu hohen Erwartungen. „Wir hätten als Verein ein Riesenproblem, wenn wir nur dann von einer guten Saison sprechen würden, wenn wir auf die ersten drei Plätze kämen. Wir dürfen nicht vergessen, wo wir vor einem Jahr waren.“

Trotzdem darf Hasenhüttl ein bisschen stolz sein, denn bereits jetzt ist er der punktbeste Zweitliga-Trainer, den der FC 04 je hatte (siehe Statistik). „Ralph ist ein Glücksfall für uns. Er ist ein sehr offener Trainer, der es versteht, die Mannschaft mitzunehmen. Und er gibt auch die Richtung für das Team drumherum vor“, lobt Geschäftsführer Harald Gärtner dessen Arbeit.

Gelernt hat Hasenhüttl diese Fähigkeit offenbar schon als Spieler. „Du wirst einmal ein besserer Trainer als Spieler“, prophezeite ihm schon früh seine fußballbegeisterte Frau Sandra. Hasenhüttl widerspricht ihr nicht, wenngleich er die Aussage eigentlich als Abwertung seiner Profi-Karriere betrachtet. „Für das Talent, das ich hatte, habe ich nicht so wenig daraus gemacht. Ich war nicht der große Läufer und auch technisch nicht der Beste. Aber ich habe schnell gelernt und hatte einen Torriecher“, meint Hasenhüttl, der viermal österreichischer Meister wurde und acht Länderspiele bestritt (drei Tore).

Andererseits gibt er zu: „Ich hatte keine gute Einstellung und war nicht so fokussiert wie die Jungs heute.“ So spielte der sportbegeisterte Jungprofi, der nebenher Sportwissenschaften studierte, in der Mittagspause häufiger Eishockey oder nach dem Training auch noch Tennis und wunderte sich am Tag danach über Rückenschmerzen. Trotzdem hat Hasenhüttl nach weiteren Stationen in Belgien und Deutschland (Köln, Greuther Fürth) erst mit 36 Jahren bei den Amateuren des FC Bayern München seine aktive Laufbahn beendet. „Es war schon heftig unter Hermann Gerland. Wenn ich nicht so gerne Fußball gespielt hätte, hätte ich mir das nicht mehr angetan“, meint Hasenhüttl hinsichtlich der Laufarbeit, zog aber aus der Zeit, in der er mit Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger zusammenspielte viele Lehren. „Ich habe gesehen, was Spieler in jungen Jahren schon können müssen, wenn sie nach oben wollen.“

Als Trainer ist der 1,91 Meter große Ex-Stürmer, der gerne mit seinen vermeintlichen Schwächen kokettiert („Einen Spieler wie ich einer war, würde ich nicht in meine Mannschaft holen“), dafür umso akribischer. Er bereitet seinen Spielern beim gemeinsamen Frühstück das Müsli zu, investiert mithilfe von Videomaterial viel Zeit in die Gegner-Analyse und tüftelt an der Verfeinerung seines Tempofußballs. „Du musst dich als Trainer ständig hinterfragen und aus deinen Fehlern lernen. Darum ist es mir viel wichtiger, lange Trainer sein zu dürfen, als auf Teufel komm raus in die Bundesliga zu drängen, wenn man vielleicht noch gar nicht reif ist für diese Aufgabe“, offenbart Hasenhüttl seine Gedanken. Macht Hasenhüttl jedoch so zielstrebig weiter wie bisher, kann es sein, dass seine Reifeprüfung schneller bevorsteht als er denkt.