Neuburg
"Wir sehen in der Sache eine Chance"

Landrat plädiert bei Nationalpark für "ergebnisoffenen Prozess" Sabine Schneider: "An kommende Generationen denken"

14.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Idyllischer Auwald: Die Donau-Auen, hier bei Neuburg, sind als dritter Nationalpark in Bayern im Gespräch. Eine Entscheidung ist offiziell noch nicht gefallen. Landrat Roland Weigert will eine sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken. - Foto: Schanz

Neuburg (DK) Nationalpark Donau-Auen: ja oder nein? Landrat Roland Weigert (FW) will sich noch nicht festlegen, plädiert für einen ergebnisoffenen Prozess und vertraut Horst Seehofer.

Dem Landkreischef wird gelegentlich unterstellt, dass er im Grunde seines Herzens einen Nationalpark befürwortet. Doch ist Weigert viel zu sehr Profi, um sich auf dünnes Eis locken zu lassen. "Wenn ich so interpretiert werde, dass ich ein Unterstützer dieses Vorhabens bin, dann insofern, als ich neben den Risiken auch die Chancen des Projektes suche und abwäge", formuliert er etwas gestelzt. Ein Nationalpark könne für die Region ein wichtiger Standortfaktor und Impulsgeber sein. "Das lässt sich aber erst beurteilen, wenn das zu erstellende Konzept vorliegt." Und für die Teilnahme an dieser Konzeptphase des federführenden Umweltministeriums will Weigert das Mandat durch den Kreistag. "Wir haben auf jeden Fall Interesse an der Konzepterstellung", sagt Stellvertreterin Sabine Schneider (SPD). Sie lehnt sich weiter aus dem Fenster und sagt: "Ich genieße den wunderbaren Auwald. Wir müssen an kommende Generationen denken und diese Gebiete erhalten. Durch einen Nationalpark wird das leichter."

"Man will die Leute mitnehmen. Da ist kein Zwang drin. Die Grundeigentümer bekommen ein Angebot des Ministeriums, dass sie rausgetauscht werden", versucht Landratsstellvertreter Alois Rauscher (CSU) die Wogen in der Öffentlichkeit zu glätten.

Die primäre Aufgabe eines Nationalparks besteht im Erhalt der Biodiversität. Muss man das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten? Weigert weicht auf das Grundgesetz und den Artikel 20 a aus. "Das Grundgesetz ist kein Warenkatalog, in dem man nach Belieben auswählt. Was dort steht, ist für uns bindend, auch die Verantwortung für unsere Umwelt beziehungsweise die Umwelt, die wir unseren nachfolgenden Generationen hinterlassen."

Nur 0,6 Prozent der deutschen Landfläche sind Nationalparks. Zählt man die maritimen dazu, gibt es insgesamt 16 Stück, zwei davon in Bayern, das zu den großen Bundesländern gehört. Ist der Freistaat in der Bringschuld? Diese Frage müsse, so Weigert, die Staatsregierung beantworten. "Offensichtlich sieht sie sich gefordert." Rauscher sieht "eine rasante Entwicklung gegen unsere Umwelt. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem man ein Zeichen setzen muss", sagt der Landratsstellvertreter. "Das will die Regierung." Ob die Donau-Auen der rechte Fleck sind, dieses Zeichen zu setzen, da möchte sich Rauscher erst nach sorgfältiger Prüfung festlegen, doch sieht er das Paradies, als das Bayern vor allem im Rund voller Maßkrüge gerne bezeichnet wird, in Gefahr. "Der Himmel auf Erden ist bald zubetoniert und zugeteert", weist er auf den Flächenfraß hin. 25 Fußballfelder sind es, die laut Bund Naturschutz täglich im Freistaat unter Beton oder Asphalt verschwinden.

Also doch Nationalpark? Roland Weigert sieht auf seinen Wirkungskreis bezogen "Entwicklungsmöglichkeiten im unmittelbaren Bereich der Donau, wie etwa beim Hochwasserschutz oder bei den Vorflutern und deren Verlandung". Dass die Staatsregierung auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzt, wertet er als neuen Politikstil, der auf Dialog setze, auch wenn dieser etwas holprig begonnen habe.

Die Auwälder entlang des Stroms genießen jetzt schon überwiegend Schutz als FFH-, SPA und Ramsar-Gebiet. Ist da ein Nationalpark überhaupt notwendig? Weigert: "Die aktuellen Schutzkategorien bedeuten für uns im Verwaltungshandeln meist nur Auflagen. Das ist mit zum Teil enormen Kosten für die Wirtschaft verbunden, und das war es dann auch. Mit einem FFH- oder SPA-Gebiet kann man aber nicht werben. Ein Nationalpark hingegen ist eine Premiummarke, die sich in den bereits bestehenden Parks touristisch und marketingtechnisch hervorragend verwerten lässt. Ein Nationalpark könnte also auch für unsere Region ein Hebel sein, ökonomische Effekte zu erzielen, zum Beispiel Kaufkraftzuwächse für den Handel oder Profilierung im Standortwettbewerb."

Die Donau-Auen sind nur ein Kandidat für einen dritten bayerischen Nationalpark. Mit im Rennen sind Spessart, Rhön und Frankenwald, die von Umweltministerin Ulrike Scharf im Rahmen des Dialogverfahrens bereist werden, auch wenn der Politikerin bisweilen ein rauer Wind ins Gesicht bläst. Die Entscheidung des Kreistages Neuburg-Schrobenhausen hat im Auswahlverfahren nur Mosaiksteincharakter. Die endgültige Entscheidung fällt in München, und dort scheint der Auwald von politischer Seite aus durchaus mit Interesse betrachtet zu werden. Wann also werden sich die Kreispolitiker erklären, wie sie sich beim Thema Nationalpark positionieren? "Ehe der Kreistag Stellung nehmen kann, müssen erst die konkreten Rahmendaten formuliert sein. Hierzu gibt es einen umfangreichen Fragenkatalog, den die Landkreise Donau-Ries und Neuburg-Schrobenhausen sowie Ingolstadt an das Ministerium geschickt haben. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann eine weitere Richtungsbestimmung erfolgen", erklärt der Landrat.

Er setzt auf Informationen. So reiste eine Delegation, der neben Landrat und Stellvertretern auch die Fraktionschefs im Kreistag angehörten unlängst in den Nationalpark Bayerischer Wald. Die Gruppe war grenzübergreifend organisiert, mithin waren auch Politiker aus dem Donau-Ries-Kreis und aus Ingolstadt im ältesten Nationalpark des Freistaats mit dabei. Berchtesgaden steht Ende Juli auf dem Programm und dann im Herbst der Auen-Nationalpark bei Wien. Wie das Meinungsbild am Ende dieser Touren aussehen wird, ist offen. CSU-Kreisvorsitzender und Fraktionschef im Kreistag, Alfred Lengler, zeigte sich angesichts der Proteste von Nationalparkgegnern vor dem Landratsamt und beim Besuch von Umweltministerin Ulrike Scharf in Weichering entsetzt von der rustikalen Tonart den Politikern gegenüber. Es darf spekuliert werden.

Lengler gilt als treuer Gefolgsmann Seehofers und es wird kolportiert, dem Ministerpräsidenten wären die Donau-Auen als Nationalpark durchaus recht, was wiederum den Rückschluss zulässt, dass jetzt noch widerborstige Unionspolitiker die Geduld des Parteichefs nicht überstrapazieren werden.

Dass auch mit ihm etwas herb umgesprungen wurde, sieht Landrat Roland Weigert gelassen. Ziel sei es, in gemeinsamer Abstimmung mit den Betroffenen die bestmögliche Lösung zu finden. "Das setzt gerade voraus, dass jeder, der Bedenken und Befürchtungen hegt, sich zu Wort meldet. Aus diesem Grund haben wir unseren umfangreichen Katalog mit den gesammelten Fragen ans Ministerium geschickt. Wenn jemand seine Rechte in Gefahr sieht, dann sind natürlich Emotionen im Spiel. Hier würde ich mir wünschen, dass man die Betroffenen nicht unnötig scheu macht, sondern sachlich und lösungsorientiert miteinander spricht."

Und wenn es um den Nationalpark geht, wird der Freie Wähler Weigert nicht müde, ein gutes Wort für den Ministerpräsidenten einzulegen, der zugleich christsozialer Stimmkreisabgeordneter in Neuburg-Schrobenhausen ist. "Wir haben allen Grund, Seehofer in dieser Frage zu vertrauen."