Eichstätt
"Wir geraten immer mehr ins Hintertreffen"

Die Corona-Pandemie trifft auch die Fußball-Schiedsrichter-Organisationen - die Gruppe Jura-Süd meldet sich zu Wort

26.02.2021 | Stand 23.09.2023, 5:12 Uhr
Hat noch gut Lachen, sorgt sich aber dennoch um die Zukunft der Schiedsrichter: Uli Spitzenpfeil, der 19-jährige Lehrwart der Gruppe Jura Süd. −Foto: BFV

Eichstätt - Eine unbestritten sehr schwierige Phase erlebt spätestens seit der zweiten politischen Anordnung, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten drastisch einzuschränken, der gesamte Breitensport.

Spürbar negativ betroffen ist auch die Sportart Nummer eins im Lande, der Amateurfußball. Während die höherklassig spielenden Vereine sich zumindest mit gezielten Aktionen oder Pressemitteilungen im Gedächtnis der interessierten Öffentlichkeit präsent halten, so haben die "kleinen" Klubs, also die breite Masse an der Basis, diese Möglichkeiten meist nicht. Noch schwieriger ist die aktuelle Situation bei den Schiedsrichtern, ohne die bekanntlich der Fußball gar nicht funktionieren würde.

Zu dieser Erkenntnis sind auch die Verantwortlichen der Schiedsrichtergruppe Jura-Süd gekommen. Kurzum haben sich Obmann Uwe Wichmann und Lehrwart Uli Spitzenpfeil Gedanken gemacht, wie sie auf ihre aktuelle Situation aufmerksam machen und sich positiv präsentieren können. "In Zeiten von Corona geraten wir Schiedsrichter noch mehr ins Hintertreffen," so der 19-jährige Lehrwart (SV Westheim), der auch keinen Hehl daraus macht, dass er diesen Zustand am liebsten sofort ändern möchte. "Wir sind viel zu wenig präsent, auch fehlt uns der Nachwuchs und wir sind speziell im Raum Eichstätt schwach vertreten und werden so auch nur wenig wahrgenommen," erklärt der selbstkritische Funktionär. Uli Spitzenpfeil realisiert die aktuelle Situation sehr genau: "Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zum einen ist das Einzugs- und Wirkungsgebiet der Gruppe Jura-Süd geografisch sehr groß. Wir betreuen rund 75 Vereine, was aufgrund der großen räumlichen Entfernungen nicht einfach ist. Zum anderen kämpfen auch wir mit Problemen, die im Amateurfußball allerorts herrschen. Ich denke hier in erster Linie an Nachwuchs- und Ehrenamtlichenmangel. "

Durch den aktuell fehlenden Spielbetrieb orientieren sich viele Aktive weg vom Fußball und entdecken andere Interessengebiete, die eventuell auch mehr Spaß machen und weniger Verpflichtungen mit sich bringen. Die Eigenmotivation sinkt in den aktuellen Zeiten, wo gerade der Team- und Mannschaftssport praktisch nicht vorhanden ist. Die tatsächlichen Folgen werden jedoch erst nach der Pandemie deutlich und spürbar werden.

Momentan macht sich die augenblickliche Bewertung der Lage noch nicht so negativ bemerkbar, wie vielleicht angenommen. Die Schiedsrichtergruppe Jura-Süd verfügte zum 31. Dezember über 255 Schiedsrichter und vier Schiedsrichterinnen. Als "aktiv" werden 144 Regelhüter geführt, 55 Kollegen sind ständig aus den unterschiedlichsten Gründen nicht verfügbar und 60 Schiedsrichter sind (meist aus Alters- oder Gesundheitsgründen) "passiv". Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt 261 Schiris. Eigentlich eine stabile, normale Entwicklung - bis jetzt.

Was dem jungen Lehrwart mehr zu denken gibt, ist jedoch die Tatsache, dass die Gruppe Jura-Süd in den höheren Spielklassen nicht (mehr) vertreten ist. Spitzenpfeil dazu: "Wir haben mit Jonas Lux vom FC Nagelberg (25 Jahre jung) und Julian Müller von der TSG Ellingen (22) nur zwei Bezirksliga-Schiedsrichter. Auf Verbandsebene, also ab der Landesliga aufwärts, sind wir nicht vertreten. Das ist ein gravierender Nachteil, denn wir können uns auch nicht entsprechend präsentieren. Zudem fehlt uns die Möglichkeit, dass wir zum Beispiel als Linienrichter höherklassige Erfahrungen sammeln können. Folglich können wir auch nicht unsere Förderschiedsrichter zusätzlich motivieren. "

Der Westheimer, der gerade die Fachoberschule in Donauwörth besucht, leitet selbst aktuell Spiele in der Kreisliga; eine Spielklasse, die angesichts seines persönlichen Einsatzes, seines Ehrgeizes und enormen Aufwandes nicht ganz zufriedenstellend ist. "Ich bin jetzt fünf Jahre Schiedsrichter, davon seit Februar 2019 offiziell Lehrwart, wobei ich zuvor schon interimsmäßig in dieser Funktion tätig war. Ich würde schon gerne die eine oder andere Klasse höher pfeifen, aber es fehlen uns aktuell auch die Einflussgrößen. Und somit ist es für uns schwieriger aufzusteigen - aber nicht unmöglich. "

Ihm selbst macht der Job des Regelhüters "brutal viel Spaß": "Es ist ein Hobby fürs Leben. Man forciert die Persönlichkeitsbildung, man tritt selbstbewusster auf, lernt Entscheidungen zu treffen und sich zu behaupten. Ich habe bisher unheimlich viel davon profitiert. " Seine Entwicklung ist sehr positiv und auch eine gewisse Akzeptanz hat er sich nicht nur innerhalb der Schiedsrichter-Gruppe erarbeitet. Sein Verhältnis zu Obmann Uwe Wichmann und den übrigen Führungsmitgliedern bezeichnet er als "sehr gut". Wichmann und er wollen sich auch im kommenden Jahr der Wiederwahl stellen; wobei der eine oder andere Kollege aus dem aktuellen Gruppenausschuss ausscheiden wird. "Die Gründe der Ausscheider sind für mich absolut nachvollziehbar und akzeptabel. Wir müssen den Blick nach vorne richten. Zusammen mit Uwe sind wir in Gesprächen mit potenziellen Nachfolgern, wobei allerdings noch nichts spruchreif ist. Aber es entwickelt sich in die richtige Richtung, auch wenn die Kandidaten nicht Schlange stehen. "
Doch in der aktuellen Pandemie gilt es nun weiter am intakten Gruppenleben zu arbeiten - und auf sich positiv aufmerksam machen. Es werden monatliche Online-Versammlungen für alle Schiedsrichter angeboten, Weiterbildungen für die Förderschiedsrichter finden statt, das gesamte Lehrteam versucht durch den Einsatz von digitalen Regeltesten und Videoschulungen das theoretische Basiswissen zu verbessern und selbst mit einer motivierenden Lauf-Challenge will man an der körperlichen Fitness arbeiten. Weitere gute, neue Ideen hat die Gruppenführung aufgegriffen. "Wir versuchen vieles, haben ein gutes Angebot und wollen die Gruppe weiterbringen. Doch es müssen auch die Kollegen mitziehen. Es würde uns Verantwortliche noch mehr motivieren und auch unseren eingeschlagenen Weg bestätigen, wenn anstatt der aktuellen 60 Teilnehmer bald 80 oder 90 Kollegen regelmäßig an den Monatsversammlungen teilnehmen würden. "

EK


Manni Riedl