Ebermannstadt
Ideen braucht die Fränkische

Julius Stintzing will mit seinem Start-up "Boxenstopp" Bauern vor der Haustür helfen

26.02.2021 | Stand 23.09.2023, 5:12 Uhr
  −Foto: Boxenstopp, Pelke, Schneider

Ebermannstadt - Auf dem Land versucht ein Gründer neue Absatzchancen für Bauern, Gastronomen und regionale Lebensmittelproduzenten wie Bäcker, Brauer und Metzger auf die Beine zu stellen.

Unter dem Namen "Boxenstopp" soll ein Netzwerk von gekühlten Automaten aufgestellt werden.

Nicht weit von Ebermannstadt entfernt arbeitet Julius Stintzing an seinem neuen Online-Marktplatz für regionale Lebensmittel in der Fränkischen Schweiz. Mit seiner Geschäftsidee will der 31-Jährige aus Mengersdorf bei Obernsees den regionalen Bauern neue Absatzchancen direkt vor der Haustür eröffnen. Wie das gehen soll? Mit einem Netzwerk aus Automaten, die Stintzing in der gesamten Fränkischen Schweiz aufstellen und mit allem was das Herz begehrt befüllen will.

"Immer mehr Bauern geben auf bei uns in der Fränkischen Schweiz", sagt Christiane Meyer, und berichtet von Wiesen, die schon lange nicht mehr gemäht werden. Aus ihrer Sorge um die Folgen des Bauernsterbens macht die Bürgermeisterin von den Freien Wählern aus Ebermannstadt keinen Hehl. Ein Blick aus dem Fenster genügt, um die Veränderungen mit eigenen Augen zu sehen.

"Immer mehr Kinder der lokalen Landwirte gehen eher zum Studieren nach Bamberg, Erlangen oder München. Auf Landschaftspflege hat die nächste Generation kaum Lust", bringt Meyer, die sich als Vorsitzende im Verein "Fränkische Schweiz Aktiv" ausdrücklich für den Erhalt der ländlichen Strukturen gemeinsam mit elf weiteren Kommunen engagiert, das befürchtete Dilemma auf den Punkt. "Corona wird die Kettenreaktion noch beschleunigen. " Schnelle Lösungen und moderne Ideen müssten her, damit die verbliebenen Landwirte nicht bald ebenfalls den Laden zusperren.

"Wir leben hier in Ebermannstadt und der gesamten Fränkischen Schweiz von der traditionellen Kulturlandschaft mit einer funktionierenden Landwirtschaft", sagt Meyer. Die erschreckende Botschaft lautet: Ohne Landwirtschaft ist die Fränkische Schweiz tot. Doch was tun? "Wir können keinen Preiskampf gegen den Weltmarkt führen. Wir können nur helfen, die Produkte vor Ort zu vernünftigen Preisen zu verkaufen", findet Meyer und gibt gleichzeitig zu, dass die Gemeinden kaum einen Ausweg aus dem Dilemma bieten können. "Wir bräuchten neue Ideen und moderne Ansätze", glaubt Meyer und setzt auf den Unternehmergeist aus der Region.

Eben solche wie die von Julius Stintzing. "Wir wollen die Produkte bei den Erzeugern direkt abholen, um die Landwirte zu entlasten", erklärt er. Anschließend soll der Lieferwagen die Leckereien in den Kühlschränken verteilen, die im Prinzip wie die bekannten Paket-Stationen von der Post rund um die Uhr funktionieren sollen. "Alle könnten mitmachen - vom Hobbyimker bis zum Profi-Landwirt", sagt Stintzing.

Er will mit seinem Start-up-Unternehmen nicht nur den Bauern f vor der Haustür unter die Arme greifen. Auch die vielen Bäcker, Brennereien, Brauereien, und Metzgereien sollen ihre Spezialitäten über das Automaten-Netzwerk ohne großen Mehraufwand für die Betriebe vermarkten dürfen. Sogar die vielen Gaststätten will Stintzing für "Boxenstopp" begeistern. Je mehr mitmachen, desto besser, lautet das Motto. Die Pflege der fränkischen Kulturlandschaft beginnt schließlich auf dem Teller. "Es braucht eine ganzheitliche und zugleich einfache Lösung, die sowohl dem Kunden als auch dem Produzenten einen Mehrwert bietet", ist der junge Firmengründer sicher. Derzeit würden bereits intensive Gespräche mit Verbänden, Kommunen, Produzenten und Geldgebern laufen. In einem Jahr soll schon die Pilotphase starten, damit die Menschen in der Fränkischen Schweiz ihre einheimischen Lieblingsprodukte rund um die Uhr aus der Region vor der Haustür einkaufen können.

Ein Online-Marktplatz für regionale Lebensmittel würde Christiane Meyer in und um Ebermannstadt sofort begrüßen. "Wir brauchen mehr Mut für neue Ideen", findet Meyer und fordert eine neue Gründermentalität auf dem Land, um den drohenden Strukturwandel noch aufhalten und in gute Bahnen lenken zu können.

"Grundsätzlich ist die Idee super", sagt Helmut Ott, Biobauer aus Störnhof. Leider habe er manchmal das Gefühl, dass es in Deutschland mehr Vorschriften als kluge Ideen gebe. Von der Kühlkette über Hygienevorschriften bis zur Zahlungsabwicklung stünde auch enthusiastischen Firmengründern wie Julius Stintzing der Kampf mit der Bürokratie wahrscheinlich leider noch bevor. "Die Aufgabe ist sicherlich nicht zu unterschätzen", sagt Ott im Hinblick auf die vielen Gesetze und Vorschriften, die nicht nur viel Zeit und Nerven, sondern auch Geld kosten würden. "Aber ich drücke dem jungen Unternehmen die Daumen, dass es klappt. "

HK

Nikolas Pelke