Breitenbrunn
"Wir brauchen jemanden, der vorangeht"

30.12.2009 | Stand 03.12.2020, 4:22 Uhr

Ein bisschen gequält wirkt das Lächeln von Bürgermeister Josef Kellermeier, wenn es um den Tourismus in Breitenbrunn geht. Der Fremdenverkehr bewegt sich auf "niedrigem Niveau", wie er sagt – außerdem sind längst nicht alle im Gemeinderat der Meinung, dass Investitionen in diesem Bereich sinnvoll sind. - Foto: Sturm

Breitenbrunn (swp) Er sieht den Tourismus in Breitenbrunn auf einem niedrigen Niveau, hat eine Zerrissenheit in der Gemeinde festgestellt und ruft 2010 als Jahr des Ortskerns aus. Im großen Interview mit dem DONAUKURIER spricht Breitenbrunns Bürgermeister Josef Kellermeier (CSU) Klartext.

Redaktionsleiter Tobias Zell und Mitarbeiter Werner Sturm sprachen mit dem Rathauschef über sein kommunalpolitisches Jahr, seine Ziele und Hoffnungen.

Herr Kellermeier, wie ist denn das Jahr für Breitenbrunn aus touristischer Sicht gelaufen?

Josef Kellermeier: Die Saison ist vergleichbar mit den Vorsaisonen, wir hatten etwa 30 000 Übernachtungen. Heute sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir den allergrößten Teil der Übernachtungen am internationalen Zeltplatz in Buch und auf dem Campingplatz in Breitenbrunn haben. Gerade beim Zeltplatz hatten wir ein hervorragendes Jahr bei den Übernachtungszahlen. Auf dem Campingplatz, der stark auf Dauercamper ausgelegt ist, stieg überraschend die Zahl der Durchreisenden, die für zwei oder drei Nächte oder auch mal eine Woche lang bleiben.

Wie sieht es mit der Entwicklung bei den gewerblichen Übernachtungen aus?

Kellermeier: Wir haben wenige Gaststätten mit Übernachtungsmöglichkeiten. Etwa zehn Ferienhäuser bieten Privatwohnungen an, das läuft eigentlich ganz gut. Aktions-Tourismus mit Fun können wir in der Gemeinde nicht anbieten. Unser Tourismus geht in eine andere Richtung, getragen von einer wunderbaren Landschaft. Eine neue Konstellation hat sich mit Ferienhäusern ergeben, die über Wochen vermietet werden, zum Beispiel an Studenten, die dort in Ruhe ihre Diplomarbeit schreiben wollen.

Was wollen Sie als Bürgermeister tun, um den Tourismus voranzubringen?

Kellermeier: Das ist ein sehr schwieriges Gebiet. Wir sind momentan eher dabei, den vorhandenen Tourismus auf dem relativ niedrigen Niveau zu verwalten. Die Problematik liegt in der Gastronomie. Eine Mehrtages-Gastronomie gibt es kaum noch. Hier kann die Gemeinde zwar Anreize schaffen, ist aber ansonsten stark auf die Initiative von Gastronomen angewiesen. Wir haben zwar durchaus positive Erfahrungen mit einem Bistro in der Ortsmitte, aber ansonsten fehlen da ein, zwei Gastronomen, die sich in einem vernünftigen Wettbewerb gegenseitig hochziehen. Insgesamt muss man sagen, dass der Tourismus bei uns in der Talsohle angekommen ist und ich hoffe es geht jetzt wieder aufwärts. Dazu gibt es ein paar Ansätze, aber man sollte nicht zu euphorisch sein.

Wie steht der Marktrat zu dem Thema Tourismus und was gibt die Gemeinde für den Tourismus aus aus?

Kellermeier: Im Marktrat gibt es zum Teil die Meinung, jeder Euro für den Tourismus sei hinausgeschmissenes Geld. Diese Meinung ist aber nicht mehrheitsfähig. Wir geben durchaus Geld für den Tourismus aus: Personalkosten für das Tourismusbüro, Ausgaben für die Werbung oder für die Ausstattung der Wanderwege. So haben wir zum Beispiel den Rosenweg als Themenweg angelegt und wir haben Wanderschlaufen vom Jurasteig und vom Altmühlpanoramaweg. All diese Kosten versuchen wir sowieso so niedrig wie möglich zu halten, sie liegen bei etwa 20 000 Euro im Jahr. Im übrigen sind wir im Naturpark Altmühltal und auch da entstehen gelegentlich Kosten.

Warum gehen die Meinungen im Gemeinderat über den Stellenwert des Tourismus so auseinander?

Kellermeier: Wir haben einen sehr jungen Marktrat, mit vielen neuen und diskussionsfreudigen Leuten. Die Meinungen gehen quer durch die Parteien. Ein Teil tendiert talauswärts, ein Teil tendiert in eine andere Richtung. Diese Zerrissenheit in der Gemeinde können wir nicht leugnen. Der Tourismus ist nicht überall so verankert. Im Hauptort selbst stimmt man für den Tourismus. Deshalb wollen wir versuchen zusammen mit Berching und Dietfurt eine Initiative zu starten. Wir haben in der Zusammenarbeit mit Jura-2000 das Problem, dass Beilngries touristisch auf einem ganz anderen Stand ist als die anderen Gemeinden. Wir versuchen wieder ein Stück aufzuholen, vielleicht ist die Initiative erfolgreich. Sie läuft unter dem Dach des Landkreises. Da ist einiges im Gang.

Was ist im nächsten Jahr konkret geplant?

Kellermeier: Wir bekommen aus Richtung Neumarkt, Deining, Berching eine Busanbindung an den überregionalen Wasser- und Mühlenweg. Damit wird im Sommer, einige Tage in der Woche und hauptsächlich am Wochenende, für Erholungssuchende die Möglichkeit geschaffen, entlang des Weges zu wandern, um dann mit dem Bus zurückfahren zu können. Ein konkretes Projekt ist der "Tag der Rose" am 12. Juni mit einem Kochkurs rund um die Rose. Mit dieser Aktion wollen wir unseren Rosenweg bewusst wieder mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit rücken. Im nächsten Jahr werden wir auch unser neues Naturbad eröffnen.

Was erhoffen Sie sich von dem neuen Naturbad?

Kellermeier: Es ist ein Angebot an unsere Bürger, dieses Bad nicht zu schließen, sondern noch einmal Geld zu investieren mit Hilfe von Fördermitteln. Das Bad ist für den Campingplatz, für den Zeltplatz und auch den anderen Tourismus ein wichtiger Faktor. Wir versuchen uns als Seitental an die Haupttourismusachse, die entlang des Kanals verläuft, anzubinden. Ich bin mir auch sicher, dass das überregionale Wanderkonzept wieder mehr Wanderer nach Breitenbrunn ziehen wird. Allerdings muss man sich auch hier die Frage stellen, ob das Angebot an Wirtschaften ausreicht.

Welchen Stellenwert hat der Tourismus bei Ihnen und bei Ihren Bürgerinnen und Bürgern?

Kellermeier: Grundsätzlich steht Tourismus in Breitenbrunn nicht an allererster Stelle. Wanderwege oder ausreichend Gastronomie dienen in erster Linie auch unseren Bürgerinnen und Bürgern. Der Tourismus ist erst der nächste Schritt und nicht mehr der Wirtschaftsfaktor, der er einmal war. Wenn wir zum Beispiel eine Radwege-Verbindung von Dietfurt nach Parsberg, also eine Querverbindung vom Kanal zur Schwarzen Laber schaffen, dann bin ich mir sicher, dass diesen Radweg hauptsächlich unsere eigenen Bürger nutzen. Der Tourismus stellt für uns keine große Steuerkraft mehr dar.

Bei der Jahresabschluss-Sitzung des Marktrates haben Sie bedauert, dass es wieder nicht gelungen ist, im Ortszentrum etwas Positives zu tun. Das klingt ein bisschen nach Resignation?

Kellermeier: Im Jahr 2009 war man, was die Projekte betrifft, eher auf den Dörfern draußen tätig. Das Jahr 2010, so wie es jetzt geplant ist, wird dagegen das Jahr des Ortskerns. Ich denke dabei beispielsweise an die Neugestaltung der Ortseinfahrt, der Von-Tilly-Straße und der Schulzufahrt. Eine neue Bushaltestelle wird entstehen, das neue Naturbad fertiggestellt und der Startschuss für die Sanierung des alten Gasthauses "Zum Breitenegg" am Unteren Markt wird erfolgen. Ich hoffe, dass man mit dieser Gebäudesanierung den wirklich schönen Platz, unseren "Saumoak", wieder beleben kann. Am Marktplatz wohnen relativ wenig Menschen, die Geschäfte werden auch weniger. Rein äußerlich ist der Marktplatz ja gut hergerichtet. Er gibt eine hervorragende Kulisse für Veranstaltungen aller Art ab.

Sie trennen in Ihren Ausführungen sehr auffallend zwischen dem Ortskern und den Dörfern. . .

Kellermeier: Breitenbrunn ist eine sehr dezentrale Gemeinde, wie es wahrscheinlich wenig andere gibt. Im Hauptort im Tal leben vielleicht 400 bis 500 Leute – von insgesamt 3500. Darum vielleicht diese Skepsis im Marktrat, besonders von denen die weiter draußen wohnen, ob man da überhaupt Geld in das Ortszentrum investieren soll oder nicht lieber diesen oder jenen Flurweg bereinigen sollte oder ein Feuerwehrhaus bauen.

Glauben Sie, dass es im Hinblick auf den Ortskern an einem psychologischen Zündfunken fehlt, an einem Projekt, an dem man sich aufrichten könnte?

Kellermeier: Wir brauchen keinen psychologischen Funken, sondern wir brauchen Jemanden der vorangeht in Bezug auf eine Investition. Wir bräuchten einen Eigentümer, einen Investor, der anpackt unter dem Motto: "Ich will etwas daraus machen." Wir sind wieder bei der Gastronomie angekommen im Ortskern. Man könnte zum Beispiel rund um das Tillyfest oder die Kirchweih ein Paket schnüren. Wenn das ein Gastronom richtig in die Hand nehmen würde, da wäre etwas machbar. In Berching und Beilngries gibt es Schauspielführungen. Das ist in Breitenbrunn auch vorbereitet. Aber es ist zu wenig Nachfrage, dass es in Gang kommen könnte. Wir würden von unserer Seite her immer wieder die Grundlagen schaffen, aber wenn es nicht angenommen wird, scheitert es.

Welche Möglichkeiten, welche Hebel haben Sie denn zur Belebung des Ortskerns beizutragen? Oder sind Ihnen da im Moment die Hände gebunden?

Kellermeier: Mir sind dahin gehend die Hände gebunden, dass abgesehen von dem Haus am Unteren Markt keines in gemeindlichem Besitz ist. Damit kann man allenfalls ein Zeichen setzen. Ich kann in ein Gebäude nur dann sinnvoll investieren, wenn ich weiß, wie die künftige Nutzung aussieht. Das Investieren in gewerbliche Objekte ist nicht Aufgabe der Gemeinde und den Skeptikern wahrscheinlich ohnehin nicht vermittelbar.

Schauen wir auf die größeren Projekt und Themen, die im nächsten Jahr anstehen. Fangen wir bei der Schule an. Wie schätzen Sie den momentanen Stand der Verhandlungen ein, wie zuversichtlich gehen Sie ins nächste Jahr?

Kellermeier: Schule ist vielleicht nicht das große Thema, nachdem wir uns in diesen Mittelschulverbund mit Dietfurt und Berching begeben haben. Da ist die entsprechende Willensbekundung da, der Vertrag ist noch nicht abgesegnet. Doch ich bin ganz zuversichtlich in den nächsten fünf Jahren, dass wir trotz geringer Schülerzahlen ein Stück der Hauptschule in Breitenbrunn halten können. Wir werden mittelfristig nicht jeden Jahrgang hier in Breitenbrunn haben. Wir sind jetzt schon die kleinste Hauptschule im Landkreis. Ein schwerer Wermutstropfen ist die geringe Zahl der Geburten heuer und eine große Überzahl an Sterbefällen. Wir haben nur etwas mehr als halb soviel Geburten wie im Jahr 2008. Der Einbruch ist momentan noch gar nicht spürbar, aber in drei Jahren werden wir ihn im Kindergarten spüren, in fünf Jahren in der Schule. Die Grundschule ist kein großes Thema. Da geht es um Ein- oder Zweizügigkeit. Wir haben Jahrgänge, die sind zweizügig, aber es wird immer wieder einzügige Jahrgänge geben. Wir werden im Bereich der Schule als Schulaufwandsträger die energetische Sanierung der Schulturnhalle angehen. Der Kostenpunkt einschließlich der neuen Heizung für mehrere Gebäude beträgt 600 000 Euro.

Was würden Sie sagen ist nächstes Jahr das Topthema für Sie als Gemeindechef?

Kellermeier: Das beherrschende Projekt wird der Straßenbau am Ortseingang. Es geht um eine Bushaltestelle, Gehsteige, die Hauptdurchfahrtsstraße, diese Anbindung. Das wird das Thema sein, das uns am meisten beschäftigt, mehr als Turnhalle und Bad. Für Breitenbrunn wäre es natürlich gut, wenn wir Schritte vorwärts kämen für die Belebung des Ortskerns. Das ist das Thema, das uns lange Jahre begleiten wird. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, die eine Gaststätte wieder aus dem Insolvenzverfahren zu bekommen. Wir haben leer stehende Geschäfte. Wie entwickelt sich der Gasthof "Zur Post". Der Ortskern ist der Teil unserer Gemeinde, der momentan am meisten Anschub braucht.

Welche weiteren Themen haben Sie auf der Agenda?

Kellermeier: Ein Thema, das sich auch durchs nächste Jahr ziehen wird, ist alles, was mit erneuerbarer Energie zu tun hat. Wir sind eine Flächengemeinde mit relativ vielen Sonnenstunden auf der Hochebene und im östlichen Teil der Gemeinde mit relativ guten Windwerten. Wir sind grundsätzlich offen für regenerative Energien, müssen aber einen Mittelweg finden, damit die Eingriffe ins Landschaftsbild erträglich bleiben. Ob Fotovoltaik, Windkraft oder Biogasanlagen – in einem gewissen Rahmen bin ich dabei. Wir sind als Gemeinde strommäßig bereits autark. Wir produzieren schon jetzt mehr Strom als die Bewohner und Firmen von Breitenbrunn verbrauchen.

Zum Schluss bitten wir Sie um Ihr persönliches Fazit: Wie ist Ihr Jahr gelaufen als Kommunalpolitiker und vor allem als Gemeindechef?

Kellermeier: Es war ein gutes, auch ein harmonisches Jahr mit wenigen Problemen, die man einer Lösung zuführen musste. Ich blicke durchaus dankbar und ruhig darauf zurück. Es war ein Jahr der Vorbereitungen. Wir haben auch Einiges umgesetzt. Auf einem ansteigenden Ast ist die ehrenamtliche Tätigkeit. Wenn ich vorher diese dezentrale Struktur der Gemeinde Breitenbrunn eher als Nachteil genannt habe, ist diese diesbezüglich ein Vorteil. Je kleiner die Einheit, desto besser ist das ehrenamtliche Engagement und die Zusammengehörigkeit. Mit der Jugendversammlung gehen wir jetzt bewusst auf unsere jungen Bürgerinnen und Bürger zu. Wir werden deren Wünsche nicht alle, aber vielleicht doch einige verwirklichen können. Wir versuchen den Dialog zu führen, um die jungen Leute ins Boot zu holen. Da leisten unsere Vereine hervorragende Arbeit. Es wird versucht, die jungen Leute in das Ehrenamt zu führen. Das ist für eine ländlich strukturierte Gemeinde mit relativ kleiner Wirtschaftskraft das einzige, womit sie punkten kann. Ich bin stolz auf die Gemeinde. Die Politologen sagen, die Zukunft liegt in der Bürgerkommune. Wir sind da einen Schritt voraus.