Hilpoltstein
"Wir brauchen ein komplett neues System"

Der Urologe Hartwig Kohl aus Hersbruck will als Experte der Freien Wähler für Gesundsheitspolitik in den Bundestag

09.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:42 Uhr

 

Hilpoltstein (HK) Die Kandidatur von Hartwig Kohl (56) ist ein Novum: Mit ihm versuchen die Freien Wähler, erstmals in den Bundestag einzuziehen. Der Urologe aus Hersbruck hält das für richtig – denn er glaubt, dass er von Berlin aus viel für seine Region tun kann. Vor allem, was die Gesundheitspolitik angeht.

Eigentlich wollte Hartwig Kohl nie Politiker werden. „Ich habe mich da nicht berufen gefühlt“, erklärt er, „Politik war immer das Geschäft der Anderen.“ Er habe stets darauf gewartet, dass endlich jemand kommt, der „die richtige Gesundheitspolitik macht“. Aber das sei nie passiert. „Und irgendwann konnte ich nicht mehr anders.“ Also begann Kohl, sich einzumischen.

Der Urologe arbeitet schon seit 23 Jahren in diesem Beruf und führt mit Freude seine Praxis in Hersbruck. Etwa 1000 Patienten betreut er pro Jahr und schätzt den Kontakt zu den Menschen sehr. Allerdings hat sich seiner Ansicht nach die Situation der Ärzte in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert. Deswegen beschloss Kohl 2009, das System von innen heraus zu verändern: Als sich der bayerische Fachärzteverband gründete, wurde Kohl Mitglied und stieg rasch zum Vorsitzenden auf. Bald aber merkte er, dass er auf der berufspolitischen Ebene nicht weiterkommen würde. „Als Teil des Systems kann man das System selbst nicht ändern“, erklärt er, „das geht nur von außen, nur von Berlin aus.“

Allerdings fand der gebürtige Erfurter lange keine Partei, die ihm zusagte – so dass er fast zum Nichtwähler geworden wäre. Dann aber entdeckte er 2012 das gesundheitspolitische Konzept der Freien Wähler und war positiv überrascht. „Ich habe mich dann eingeklinkt und die Leute kennengelernt“, erzählt Kohl. Er wurde Mitglied und half dabei, den Schluss des Gesundheitsprogramms mitzuentwickeln. „Wir wollen ein komplett neues System, denn das alte ist nicht mehr reformierbar.“ So soll die Finanzierung laut Kohl auf eine „breitere Basis“ gestellt werden. Auch wollen die Freien Wähler – anders als SPD und Grüne – die private Krankenversicherung und die gesetzliche nebeneinander erhalten.

Aber Kohls Herz schlägt nicht allein für die Gesundheitspolitik: Auch Soziales, Bildung und Familie beschäftigen ihn. „Diese Themen halte ich für besonders wichtig. Insgesamt muss man als Bundestagsabgeordneter ja alle Themenbereiche abdecken – von Zypern und Syrien bis hin zur Straßenmaut. Aber trotzdem interessiert mich das am meisten, was unsere Gesellschaft, was uns zu Hause betrifft.“

Um von Berlin aus etwas für seine Region zu bewirken, hat sich der 56-Jährige in den Wahlkampf gestürzt. „Das war schon manchmal anstrengend, denn hauptberuflich bin ich ja immer noch Arzt und kann den Wahlkampf so nur nebenher machen.“ Deshalb ist Kohl froh, dass seine Familie hinter ihm steht. „Meine drei Kinder finden es gut, dass ich kandidiere“, sagt Kohl. Und auch seine Frau Monika unterstützt den politischen Neuling. „Ich habe vor meiner Kandidatur ausführlich mit meiner Frau gesprochen und sie ist ganz auf meiner Linie.“ Statt gemeinsam zu kochen oder zu wandern – wie es das Paar früher tat – gehen sie nun auf Wahlkampfveranstaltungen. „Freizeit habe ich im Moment keine mehr. Aber wenn man meint, dass etwas schlecht ist, muss man damit anfangen, es besser zu machen“, stellt Kohl klar.

Er weiß, dass sich die Freien Wähler bei der Bundestagswahl in der Außenseiterrolle befinden. „Wir müssen schauen, ob wir bei dieser Wahl überhaupt Fraktionsstatus erreichen und die Fünf-Prozent-Hürde schaffen – das ist ja alles noch unsicher.“ Dennoch hat Kohl schon Pläne, wie es mit seiner Praxis weitergehen soll, für den Fall, dass er es nach Berlin schafft. Aufgeben will er sie nicht. „Was ist, wenn ich nach meinen vier Jahren als Mandatsträger nicht wiedergewählt werde? Dann bin ich 60 und habe noch sechs Jahre bis zur Rente – was soll ich dann ohne meine Praxis machen“ Daher soll Kohls Frau alles in der Praxis gemeinsam mit den Helfern weiter organisieren, „und wenn ich in Berlin bin und meinen politischen Tätigkeiten nachgehe, übernimmt ein Vertreter.“

Sollte er es jedoch nicht in den Bundestag schaffen, weiß Kohl noch nicht, wie es mit seiner politischen Karriere weitergeht. „So richtig Gedanken habe ich mir deswegen eigentlich gar nicht gemacht. Aber wenn mich die Freien Wähler weiterhin brauchen würden, würde ich wohl dabei bleiben“, erklärt er.

Ohne Mandat hätte Kohl auf jeden Fall wieder mehr Freizeit. Die nutzt er gerne, um neue Gerichte auszuprobieren – das zeigt auch die Zahl der Kochbücher im Hause Kohl. „Meine Tochter hat sie mal gezählt. Es sind an die 200 Stück.“ Und wenn der 56-Jährige nicht gerade hinter dem Herd steht, schwingt er sich aufs Mountainbike. „Früher habe ich gerne Tennis gespielt, aber mittlerweile habe ich mir etwas gesucht, das nicht so auf die Gelenke geht.“ Am Radfahren begeistert ihn unter anderem, wie weit man damit kommen kann: „Der Radius ist viel größer als etwa beim Wandern.“ Dennoch schätzt er auch diese Art der Bewegung, nicht zuletzt, weil er dabei von seiner Frau begleitet wird. „Radfahren hasst sie wie die Pest, aber beim Wandern ist sie dabei.“ Auf immer neuen Strecken erkundet das Paar zusammen die Hersbrucker Schweiz.

Bevor es aber wieder zum Wandern geht, konzentriert sich Kohl erst einmal auf den Endspurt im Wahlkampf. Er versteht die Unlust vieler Nichtwähler, hofft aber dennoch, sie an die Urne zu locken. „Heute geht es vielen Politikern vor allem um Macht, Ansehen und Geld. Kaum einer verspricht, was er hält. Ich will das ändern – denn sonst geht irgendwann niemand mehr wählen. Und das wäre das Ende unserer Demokratie.“