Ingolstadt
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Ohne das Engagement vieler Ingolstädter wäre die Flüchtlingssituation in der Stadt nicht zu meistern

08.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:50 Uhr

Sie tun was: Evelyn Wagner (links), Barbara Wittmann (von rechts) und Robin Estenfelder kümmern sich ehrenamtlich um Flüchtlinge. Unter anderem haben sie die syrische Familie Abdlwahed in der Notunterkunft in der Reiserklinik willkommen geheißen - Fotos: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Flüchtlinge, die derzeit in Ingolstadt untergebracht werden müssen, stellen die Stadt vor große Herausforderungen. Die sind nur zu bewältigen, da viele Ingolstädter freiwillig mitanpacken.

Vor ein paar Wochen hatte Barbara Wittmann genug. Die 19-Jährige hörte im Radio mal wieder einen jener „Wutbürger“, die sich abfällig über Flüchtlinge äußern. „Da habe ich beschlossen, aktiv zu werden“, erklärt sie. „Es reicht nicht, nichts gegen Flüchtlinge zu haben. Man muss etwas tun.“ Seit diesem Tag gehört die Studentin zu den rund 250 ehrenamtlichen Ingolstädtern, die angesichts der Flüchtlingssituation in der Stadt helfen, wo sie können. Zu tun gibt es eine Menge, sagt Barbara Blumenwitz von der Stadt, die die Einsätze koordiniert: Kinderbetreuung, Fußballtraining, Sprach- und Schwimmkurse, Hilfe bei Amtsgängen, Müttertreffen oder Unterstützung bei Kleider- und Essensvergaben. Gestern, nachdem der DONAUKURIER von der Ankunft von weiteren 200 Flüchtlingen berichtet hatte, stand bei Blumenwitz das Telefon nicht mehr still. „Es haben sich noch einmal 50 Freiwillige gemeldet“, berichtet sie. „Andere sind schon seit Jahren aktiv“, sagt Blumenwitz.

Rainer Gascho engagiert sich vor allem mit Schraubenschlüssel, Kettenöl und Luftpumpe. Der Rentner repariert in seiner Garage in Niederfeld auf eigene Kosten Fahrräder für Flüchtlinge. Der Bedarf ist groß. „Das Beste wäre, ich könnte im Containerdorf auf dem P3 eine eigene Werkstatt einrichten“, sagt er halb im Scherz. Das würde die Wege doch sehr verkürzen. Eine logistische Herausforderung sind auch Kleiderspenden. Jede Jacke, jedes Paar Schuhe und jede Schlafanzughose will in die richtige Kiste sortiert sein. Die Ingolstädter spenden so viel, dass allein die Schwestern Christine Matthes und Angelika Gützlaff – neben ihrem Beruf und der Familie – jede Woche mehrere Stunden damit beschäftigt sind. Mittlerweile haben sie in der Ochsenschlacht zwei Lagerräume eingerichtet. Von hier aus werden die Spenden in die Unterkünfte gebracht, wo einmal in der Woche eine Kleiderausgabe organisiert ist. „Es ist einfach toll, dass man dabei so viele verschiedene Leute kennenlernt“, findet Gützlaff, und auch Matthes berichtet von ausschließlich positiven Erlebnissen. Allerdings: „Manchmal bedrückt einen die schiere Menge der Hilfsbedürftigen“, sagt sie.

Gestern sind weitere angekommen. Sie wurden im Zuge des Notfallplans in der Reiserklinik einquartiert. Dort wurden sie unter anderem von Evelyn Wagner aus Ingolstadt und dem Gerolfinger Robin Estenfelder in Empfang genommen. Sie helfen den Neuankömmlingen in den ersten Stunden in der ungewohnten Umgebung und sind auch danach stets zur Stelle. „Wer einmal den Blick eines geflohenen Kindes gesehen hat, wenn es einen Teddybären bekommt, der vergisst es nicht“, versichert Wagner. Auch der 21-jährige Estenfelder ist überzeugt, dass der persönliche Kontakt hilft, Empathie zu entwickeln, gar Vorurteile abzubauen. Den Kontakt zu den Flüchtlingen empfindet er als persönlichen Gewinn. „Viele von ihnen sind so alt wie ich und haben bereits Unvorstellbares erlebt.“ Er erinnert sich an eine Gruppe traumatisierter, afghanischer Kinder, die bei einem abendlichen Spaziergang Todesängste in der Dunkelheit ausgestanden haben.

Bald werden in Ingolstadt vermehrt Menschen aus den Balkanländern untergebracht werden, die wenig Aussicht auf Asyl haben. Gaschos Engagement schmälert das nicht: „So lange sie da sind, sollen sie sich wohlfühlen. Und wenn sie zurück müssen, sollen sie gute Erinnerungen an Ingolstadt haben.“