Berlin
Wieder Ärger in der Koalition

Gabriel erneuert lautstark seine Forderung nach einem Sozialpaket

02.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:08 Uhr

Berlin (DK) Die große Koalition in Berlin steht vor den nächsten Streitigkeiten. SPD-Chef Sigmar Gabriel setzt zum Angriff an, um die Positionen seiner Sozialdemokraten wieder ins Gedächtnis zu rufen: höhere Sozialleistungen und zunehmend weniger Leiharbeit.

Aus dem US-Wahlkampf hat Sigmar Gabriel bereits seine Schlüsse gezogen: Donald Trump gelinge es dort, "einen Teil der Bevölkerung gegen das politische Establishment aufzubringen". Eine solche "zunehmend aggressive, immer wütender werdende Mitte" gebe es angesichts der Flüchtlingskrise auch in Deutschland. "Viele Menschen haben den Eindruck, dass der Staat nicht mehr handlungsfähig ist", analysiert der SPD-Chef. Deshalb müsse ein "Investitions- und Modernisierungsprogramm" her - für mehr soziale und mehr innere Sicherheit. Gabriel ist im Wahlkampfmodus, will den drohenden "Schwarzen Sonntag" für seine Genossen bei den drei Landtagswahlen am 13. März abwenden. Mit der Forderung, es dürfe sich nicht der Eindruck verfestigen, dass für die Flüchtlinge alles getan werde, aber für die anderen nichts, zieht er durch die Lande und hat erkannt, dass der Applaus an der Basis bei diesem Thema am größten ausfällt.

Alles Wahlkampfgetöse? Oder meint er es mit seiner Veto-Drohung in den Haushaltsberatungen ernst? Die ablehnenden Reaktionen aus der Union auf seinen Vorstoß scheinen ihn erst auf Betriebstemperatur gebracht zu haben. Gabriel kontert, teilt kräftig aus. Etwa in Richtung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die SPD-Sozialforderungen als "erbarmungswürdig" abgetan hatte. Dieser wäre "wohl ganz gerne Schatzkanzler", spottet Gabriel. Es könne nicht sein, dass das Ziel der Schwarzen Null im Haushalt, die Politik des Finanzministers, als absolut gesetzt werde. Auch Angela Merkels Vorwurf, die SPD mache sich klein mit ihrer Forderung nach einem neuen Sozialprogramm, weist Gabriel zurück: "Ich glaube, dass sie unterschätzt, von welcher Bedeutung es ist, gerade jetzt zu zeigen, dass jeder in diesem Land in der Politik der Bundesregierung wahrgenommen wird."

Kurz vor dem Wahlkampf-Endspurt in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt setzt Gabriel auf eine andere Tonlage in der großen Koalition und versucht, so das Profil der Sozialdemokraten zu schärfen. Kein Haushalt 2017 mit SPD-Zustimmung ohne neue Milliardenzusagen für Soziales, für Rentner und Familien - mit seiner Ansage erhöht der Gabriel den Druck.

Gabriel versichert, dass es seiner Partei um die Sache gehe. Mehrausgaben in Milliardenhöhe und Rütteln am Kurs der Haushaltskonsolidierung sind ein Vorhaben, das die SPD-Linke wieder mit ihrem Parteichef versöhnen könnte. Man wolle nicht "auf Teufel komm raus" die Schwarze Null angreifen, schon gar nicht die Schuldenbremse in Zweifel ziehen. Es gehe jetzt aber um den letzten Bundesetat, den die Koalition vor den Bundestagswahlen verabschieden werde. "Alles, was wir in diesem Haushalt nicht unterbringen, wird bis zur Bundestagswahl nicht mehr stattfinden", mahnt Gabriel und fordert ein Programm für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Vom Aufschlag auf die Renten von Geringverdienern über eine bessere Betreuung und Förderung Behinderter bis hin zum Kita-Ausbau reicht der SPD-Forderungskatalog. Nicht zu vergessen das vom Kanzleramt auf Eis gelegte Gesetz von Bundesarbeitsminister Andrea Nahles (SPD) mit schärferen Bestimmungen für Leiharbeit und Werkverträge. Die meisten Punkte dürften zu erheblichen Mehrausgaben führen - und zu neuem Streit.