Wie der Abfall zwei Städte verbinden kann

11.08.2008 | Stand 03.12.2020, 5:41 Uhr

Der Beginn einer "wunderbaren Freundschaft". 2001 wurde der Kooperationsvertrag zwischen den beiden Hochschulen von Professor János Égert (Uni Györ, links), Professor Andreas Jattke (FH Ingolstadt, rechts) und Reinhard Büchl unterzeichnet.

Ingolstadt (DK) Wenn im Herbst der Vertrag unterzeichnet wird, der die neue Städtepartnerschaft zwischen Ingolstadt und dem ungarischen Györ besiegelt, dann geht für den Ingolstädter Unternehmer Reinhard Büchl ein lange gehegter Wunsch in Erfüllung.

Seitdem ihn Audi Hungaria im Jahre 1998 als Entsorgungsprofi zu Hilfe gerufen hat, liegt ihm das Schicksal der ungarischen Stadt ebenso am Herzen wie deren freundschaftliche Beziehung zu Ingolstadt. Auch wenn es viele Jahre nicht so aussah, als würde diese Partnerschaft zustande kommen, hat es nicht zuletzt durch einen politischen Wechsel in Györ jetzt endlich geklappt. Und der 60-jährige Reinhard Büchl darf für sich zumindest die Rolle des Taufpaten in Anspruch nehmen, wenn die neue Freundschaft zwischen den beiden Städten besiegelt wird.

Damals – im Jahr 1998 – wollte Büchl eigentlich nur ein Konzept für die Entsorgung des Audiwerkes in Györ erarbeiten, ein innovatives Konzept, wie sich der quirlige Geschäftsmann erinnert. Deswegen nahm er von Anfang an die FH Ingolstadt und die FH Weihenstephan mit ins Boot. Ziel war es, das komplette Werk möglichst effektiv und umweltgerecht "ab Arbeitsplatz" von allen metallischen, flüssigen Abfällen sowie den Verpackungen und dem Restmüll zu entsorgen.

Das Konzept von Reinhard Büchl schlug ein. Und Audi schrieb dessen Realisierung sofort europaweit aus. "Bis dahin hatte ich aber auch schon Blut geleckt", erzählt Büchl heute. Und so nahm er selbst – obwohl das nicht geplant war – an dieser Ausschreibung teil . . . und machte das Rennen.

Am 1. Januar 2000 lief der Betrieb zur flächendeckenden Entsorgung des Audi-Werkes in Györ an. Heute arbeiten in Büchls Betrieb 120 Mitarbeiter. Rund elf Millionen Euro hat er bislang in den Standort Györ investiert, der es auf eine Recycling-Quote von 97 Prozent bringt, was nicht nur für Ungarn ein extrem hoher Wert ist. "Für Ungarn ist so etwas noch immer die absolute Ausnahme", weiß Büchl. Für ihn ist Györ nicht nur wegen der vergleichbaren Größe (130 000 Einwohner) so etwas wie die Schwesterstadt von Ingolstadt. "Beide sind starke Industriestandorte", so Büchl, der hier wie dort neben der Verantwortung für seine Kunden, seine Mitarbeiter und die Umwelt vor allem auch eine gesellschaftliche Verpflichtung spürt. Und so wie Reinhard Büchl in Ingolstadt Vorsitzender der Fördergesellschaft der FH ist und Mitglied im Hochschulrat, so wollte er sich von Anfang an auch in Györ engagieren.

Deshalb stellte er bereits ein Jahr nach dem Beginn seines Engagements in Ungarn 50 000 Mark zur Verfügung, um die Zusammenarbeit zwischen der FH Ingolstadt und der Széchenyi-Universität Györ zu fördern. Neben gemeinsamen Forschungsprojekten entstand daraus auch ein reger Austausch von Professoren und Studenten. "Im Schnitt sind immer zwei Studenten aus Györ in Ingolstadt und umgekehrt", so Büchl zu der beispielhaft funktionierenden Kooperation.

Geht es nach Reinhard Büchl, dann soll Györ die Musterstadt Ungarns werden. Diesem Ziel könnte die jetzt beschlossen Partnerschaft mit Ingolstadt durchaus förderlich sein. "Gerade in diesem Punkt ging viele Jahre überhaupt nichts", erinnert sich der frisch gebackene Opa Reinhard Büchl. Erst als sich vor zwei Jahren durch Neuwahlen die politischen Verhältnisse in Györ geändert hatten, waren die Chancen für eine intensivere Beziehung zu Ingolstadt plötzlich wieder vorhanden. Reinhard Büchl sprach mit dem neuen Oberbürgermeister Zsolt Borkai, dem es ein Anliegen ist, seine Stadt samt Verwaltung zu modernisieren. Büchl hat ihn natürlich postwendend nach Ingolstadt eingeladen, damit er eine "moderne Stadt und deren Organisation" kennenlerne.

Und so kam Borkai schließlich im April 2007 mit einer kleinen Delegation nach Ingolstadt, besuchte den OB und das Rathaus, Audi, die Stadtwerke, die MVA und natürlich das Unternehmen von Reinhard Büchl, der sozusagen der Gastgeber war. "Aus meiner Sicht muss Györ einfach eine Partnerstadt von Ingolstadt sein", konstatiert er, "es gibt so viele Parallelen, dass sich das schlichtweg aufdrängt." Inzwischen ging Büchls Wunsch auch in Erfüllung. OB Lehmann hat seinen Amtskollegen nach Ingolstadt eingeladen, der Stadtrat die neue Partnerschaft abgenickt und im Herbst steht dann der Gegenbesuch in Ungarn an.