Thalmässing
Wider das Nichtwählen

Thalmässinger Mittelschüler stimmen schon vor dem eigentlichen Urnengang ab – Wahl-O-Mat hat großen Einfluss

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Juniorwahl in der Schule Thalmässing −Foto: Luff, Volker, Weissenburg

Thalmässing (HK) Die Würfel sind gefallen: Marlene Mortler von der CSU holt erneut das Direktmandat, ihre Partei ist mit Abstand stärkste Kraft. Was sich in der Erwachsenenwelt am morgigen Sonntag erst noch herausstellen muss, ist bei den Mittelschülern in Thalmässing bereits Realität.

Allerdings gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen der Juniorwahl, an der sich die Thalmässinger Mittelschule beteiligt – es handelt sich hierbei um ein bundesweites Projekt zur politischen Bildung von Minderjährigen – und der echten Bundestagswahl: „Das Ergebnis ist nicht so wichtig“, sagt der Rektor Ottmar Misoph. Ihm sei vor allem daran gelegen, dass die Schüler „mit dem Verfahren in Berührung kommen“. Und zwar umfassend: Extrastunden in Sozialkunde im Vorfeld gehörten ebenso dazu wie der eigentliche Wahlakt, der bei der Juniorwahl spätestens am Freitag abgeschlossen sein musste; die Ergebnisse aus ganz Deutschland werden nach Berlin gemeldet und am Sonntag im Internet unter www.juniorwahl.de veröffentlicht.

Beim Gang an die Urne in der Schulaula – das Wahllokal am morgigen Sonntag wird nur wenige Meter entfernt sein – sticht vor allem eine Sache ins Auge: die Ernsthaftigkeit, mit der sämtliche Schüler zu Werke gehen. Diejenigen, die abstimmen, ebenso wie diejenigen, die den Wahlvorstand bilden und darauf achten, dass im Wahllokal alles rechtens abläuft. Kein Spruch, kein Flachs, kein Kichern: Es ist ein wahrhaft hoheitlicher Akt des Souveräns. Einzig Misoph lacht, angesprochen auf die Wahlbeteiligung: „Wir haben Wahlzwang.“ Es sei allerdings so, dass wirklich alle Schüler tatsächlich abstimmen wollten.

Von der Ernsthaftigkeit der Jugend lässt sich auch Bürgermeister Georg Küttinger beeindrucken, dem es ein Anliegen ist, mit seiner Anwesenheit die Wichtigkeit einer Wahl herauszustellen. Er sei überzeugt, so Küttinger, dass die Schüler nach all den Vorbereitungen nun am Sonntag interessierte Wahlbeobachter sein werden. Misoph hofft sogar, der erwarteten stärksten Fraktion bei der Wahl ein wenig Einhalt gebieten zu können: den Nichtwählern. „Vielleicht reden die Schüler zu Hause über die Wahl – und der Vater geht diesmal hin.“

Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist die Chance wohl ziemlich groß, dass wenigstens die Jugendlichen abstimmen, wenn sie denn erst einmal 18 Jahre alt sind. Denn sie kennen jetzt das Prozedere, Unsicherheit oder Schwellenangst gibt es nicht mehr. Die Siebt-, Acht- und Neuntklässer wissen genau, wozu ihre Erststimme gut ist und welche Auswirkung die Vergabe der Zeitstimme hat. Aus Berlin haben sie vor kurzem Wahlbenachrichtigungen erhalten, mit Name, Bezeichnung des Wahllokals und allem, was dazugehört. Ganz wie im richtigen Leben. Nur eben für die Juniorwahl. „Das ist alles sehr liebevoll gemacht“, lobt Misoph. Die Helfer im Wahllokal bekämen sogar noch eine Urkunde aus der Hauptstadt.

Zuvor aber steht die Arbeit an. Sechs Schüler agieren als Wahlhelfer, sie geben die Wahlzettel aus, achten darauf, dass jeder Schüler seine Benachrichtigung abgibt, einzeln in der Wahlkabine Platz nimmt und seine Zettel in die Wahlurne wirft. „Im Wahllokal würden jetzt schon Berechnungen angestellt, wie die Beteiligung ist“, weiß der Bürgermeister aus Erfahrung. „Könnt ihr das auch schon sagen?“ Aber heute ist der Tag der Wahl – nicht des Prozentrechnens. Nach der Pause wird das Gremium komplett ausgetauscht. „Weil es sonst zu anstrengend ist“, scherzt der Lehrer Daniel Setzke, der die Juniorwahl hauptsächlich betreut.

Bei der Stimmabgabe herrscht der Grundsatz der geheimen Wahl. Was nicht heißt, dass die Schüler ihr Votum nicht verraten dürfen. Georg Betz aus der achten Klasse etwa hat sich bei beiden Stimmen für die CSU entschieden. Er habe sich im Unterricht angehört, was die Lehrerin zu erzählen wusste. Und sich dann im Vorfeld der Stimmabgabe entschieden. Sein Klassenkamerad Louis Dittmer hat eher auf den Wahl-O-Mat vertraut, wie er erzählt. „Aber es kam raus, was ich mir schon gedacht habe.“ Und so bekam die CSU seine Zweitstimme. Bei der Erststimme setzte er aber lieber auf den SPD-Kandidaten Alexander Horlamus. Denn der will nicht nur nach Berlin, wie seine Wahlplakate mit dem Tramper-Schild zeigen, sondern sich dort auch für günstigen Wohnraum für sozial Schwache einsetzen. Das hat Louis überzeugt.

Paula Popandree nimmt das Wahlgeheimnis dagegen wörtlich. Wie sie abgestimmt hat, verrät sie nicht. Wohl aber, dass auch ihr Votum entscheidend von der Wahl-O-Mat beeinflusst worden ist. Für Paula könnte der Wahlgang in der Schule der vorerst letzte für längere Zeit gewesen sein: Sie lebt erst seit zwei Jahren in Deutschland, hat bislang ausschließlich die rumänische Staatsangehörigkeit.

Am Ende des Wahlgangs haben 76 Mittelschüler dreier Jahrgangsstufen abgestimmt. Marlene Mortler gewinnt mit 34 Erststimmen vor der Grünen-Politikerin Gabriele Drechsler (18) und Alexander Horlamus von der SPD (11). Auch bei den Zweitstimmen liegt die CSU mit 38,2 Prozent vorn, zweitstärkste Kraft werden die Grünen mit 18,4 Prozent. Platz drei erobert allerdings die AfD, die mit 14,5 Prozent deutlich vor der SPD (11,8) rangiert.

Insgesamt sei die Juniorwahl eine sehr gute Sache, findet Rektor Ottmar Misoph, „es ist alles gut durchdacht“. Mit einer Ausnahme: Er plädiert dafür, dass es beim nächsten Mal einen „Juniorwahl-O-Mat“ geben solle. Mit nur 15 Fragen, die für Schüler verständlicher formuliert sein sollten.

Er hofft darauf, dass das Interesse der Schüler, was im Land so alles vor sich geht, nach der Wahl nicht gleich wieder nachlässt. So sollten sie in der kommenden Woche die Wahlergebnisse in der Schule, der Gemeinde, im Land und im Bund vergleichen – und so am Ball bleiben. Und wenn alles gut läuft, kommt die Juniorwahl auch der Jugendzukunftswerkstatt in Thalmässing am Freitag, 6. Oktober zugute. Denn hier sind Interesse und Engagement gefragt.