Eichstätt
Wer’s findet, darf’s verwalten

Im Fundbüro kümmert sich Jürgen Biber um verlorene Fahrräder, Brillen und Spielzeug-Helikopter

27.12.2013 | Stand 02.12.2020, 23:16 Uhr

Hüter der Habseligkeiten: Jürgen Biber kümmert sich im Eichstätter Fundbüro um verlorene Gegenstände. Nebenbei ist er auch die Stimme der städtischen Telefonzentrale und zuständig für die Post. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich Kartons voller Sonnenbrillen, Schals, Schlüsselbunde - Foto: Schweppe

Eichstätt (EK) Sie stapeln sich auf seinem Schreibtisch und in den Regalen dahinter: Schlüsselbunde, Sonnenbrillen, ein gelber Spielzeug-Helikopter und Fahrräder. In diesen Tagen zieht Jürgen Biber Bilanz – und ruft die Eichstätter dazu auf, ihren verlorenen Gegenständen energischer hinterherzuschnüffeln.

Biber sitzt im Eichstätter Rathaus und kümmert sich um die verlorenen Gegenstände, die ehrliche Finder bei ihm abgegeben haben. Allein im Dezember bekam Jürgen Biber einiges geliefert: einen grünen Nylonrucksack mit Sportkleidung, eine Mensakarte der Universität, Strickmützen und schwarze Lederhandschuhe. Zuletzt ist auch eine Tasche mit einem „höheren Geldbetrag“ gefunden worden – zur genauen Summe will sich Biber aber nicht äußern. „Vor Kurzem gab jemand auch ein paar Schlittschuhe von der Eisbahn am Dom ab“, erzählt er.

In seinem Büro steht außerdem ein Fahrrad, das abgegeben wurde. Ein klassischer Fall: Seit Januar wurden insgesamt 37 Fahrräder abgegeben. Sie landen zuerst bei Jürgen Biber und dann im Keller des Rathauses. Im Moment stehen dort 25 Stück, sagt er. Am häufigsten wurden 2013 außerdem Brillen und Smartphones sämtlicher Hersteller gefunden – teilweise in fast neuem Zustand.

Generell sei 2013 ein „durchschnittliches Fundjahr“ gewesen. „Trotzdem ist schon verwunderlich, dass die Leute ihre verlorenen Sachen oft überhaupt nicht suchen gehen“, sagt Biber. Insgesamt sind auf den Listen des Fundbüros 211 kleinere und größere Fundsachen eingetragen, wobei Handschuhe und Schlüssel häufig nicht einzeln, sondern als ein Fundstück auftauchen. Auffallend ist, dass allein im Monat Juli sieben Fahrräder ins Fundbüro kamen. Im Mai waren es zudem sieben Smartphones.

An Fasching und während des Eichstätter Volksfestes häuften sich Funde wie Jacken und Schals – eine Tendenz, die zu erwarten ist. Einige Fundstücke sieht aber auch Jürgen Biber durchaus selten: Im August stand plötzlich ein sechs Kilogramm schwerer Feuerlöscher auf seinem Schreibtisch. Auch eine Kuchenglocke fand den Weg zu ihm, ebenso ein Blutzuckermessgerät. All diese Dinge verwahrt Jürgen Biber maximal sechs Monate. Danach kann der Finder entscheiden, ob er den Gegenstand übernehmen möchte – oder nicht. Falls nicht, geht er in den Besitz der Stadt über. Wer einen Gegenstand auslösen möchte, muss eine Bearbeitungsgebühr zahlen. Für Schlüssel liegt sie bei zwei Euro, kann je nach Wert des Fundstücks aber auch 15 Euro betragen. Wie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 971 regelt, können Finder grundsätzlich einen Finderlohn verlangen. Dieser liegt meist bei fünf Prozent des Wertes der Fundsache, wird aber oft individuell vereinbart.

In den meisten Fällen kommt es aber erst gar nicht so weit. Jürgen Biber schätzt, dass nur etwa 20 Prozent der Fundsachen den Weg zurück zu ihrem Besitzer finden. Auch an diesem Morgen kramt er in den Kisten auf seinem Schreibtisch, wühlt zwischen nicht-abgeholten Puppen, einer stattlichen Sammlung Lederhandschuhe und einem halben Optiker-Inventar.

Plötzlich tritt eine Frau ins Büro und fragt nach ihrer verlorenen Brille. Sie sei braun und zerkratzt. Biber stöbert in seinen Kästen, kramt ein Stoff-Nagelkissen, Schlüssel mit Entchen-Anhängern und Sonnenbrillen beiseite – und findet doch nicht die richtige Brille. „Gut, dann muss ich wohl zuhause weitersuchen.“ Im Gehen sagt die Frau, sie habe die Brille bereits vor Monaten verloren. Jürgen Biber schüttelt den Kopf; kann nicht verstehen, warum sich manche Menschen erst so spät um ihre Sachen kümmern. In solchen Fällen erzähle er stets die Geschichte, wie er als kleiner Junge seine Turnschuhe verlor und der Vater ihn vor die Wahl stellte: suchen oder barfuß turnen. Biber suchte und fand. Immerhin fünf Mark kosteten die Turnschuhe damals.

„Die Leute sollten am besten mehrmals bei mir nachfragen, ruhig einmal pro Woche. Im Moment bleibe ich einfach auf viel zu vielen Fundsachen sitzen“, sagt Biber. Damals in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts jedoch war es anders. Da war kurz vor Weihnachten ein Umschlag bei ihm abgegeben worden. Der Inhalt: 35 000 Mark, akkurat abgepackt in Scheinen. Die holte der Besitzer aber prompt wieder ab.