Rom
Wenn der Petersplatz bebt

50 000 Ministrantinnen und Ministranten aus Deutschland feiern begeistert ihre Begegnung mit Papst Franziskus

06.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:23 Uhr

 

Rom (DK) „Papst Franziskus! Papst Franziskus!“ Das Meer der Ministranten reicht über den gesamten Petersplatz. Es ist immer noch heiß um kurz nach 18 Uhr, aber das hält die Jugendlichen nicht ab: Sie jubeln und singen, tanzen und klatschen. 50 000 katholische Messdiener vor allem aus Deutschland sind nach Rom gepilgert – um mit ihrem Papst den Glauben zu feiern.

Sechs Stunden vorher ist der Petersplatz noch leer. Im abgesperrten Bereich stehen tausende graue Plastikstühle, Reihe für Reihe zieht sich bis zu der Erhöhung vor dem Petersdom. Wer aber die Straßen der Altstadt entlang läuft, trifft überall die Gruppen der Romwallfahrt aus Deutschland. Viele haben sich für einen Altstadtrundgang entschieden, sie drängen sich in das Pantheon, nehmen auf der Spanischen Treppe Platz oder besichtigen die barocke Piazza Navona.

Ihr Erkennungszeichen ist das Pilgertuch, je nach Bistum in anderen Farben. Die Jugendlichen tragen es am Arm, auf dem Kopf oder um den Hals, sie tauschen es und sind auf der Jagd nach besonders seltenen Farbvarianten. „Wir haben das Tuch heute bestimmt schon 60-mal mit anderen Jugendlichen getauscht. So sind wir mit ganz vielen Leuten ins Gespräch gekommen. Das war lustig“, erzählt Christoph Schaller aus dem Bistum Augsburg.

Warum sie überhaupt nach Rom mitgefahren ist, erklärt die Meitingerin Paulina Irsigler mit nur einem Wort: Gemeinschaft. „In der Gruppe gemeinsam unterwegs sein, das macht die Mini-Wallfahrt aus.“ Zu Hause ist sie bei den Ministranten, weil sie sich dadurch in der Kirche einbringen kann, und in die Kirche gehe man ja eh, sagt sie. Martin Ketterle geht es ganz ähnlich. „Der Zusammenhalt bei den Ministranten ist toll“, sagt er. Für ihn spielt der Glaube im Leben eine wichtige Rolle: „Ich weiß, dass da jemand da ist. Jemand, der uns hält, steuert und nicht alleine lässt.“

Das Vorprogramm zur Papstaudienz beginnt etwa zwei Stunden vor dem Eintreffen von Papst Franziskus. Gegen 15 Uhr ziehen die ersten Ministranten auf den Platz. „Bistum Essen“, „Bistum Freiburg“, „Bistum Eichstätt“ – sie rufen, woher sie kommen, stimmen die ersten Lieder an. Es ist laut auf dem Petersplatz, immer wieder beginnen einige, das Mottolied der Romwallfahrt zu singen: „Ich bin frei, frei, dir Gott zu singen!“ Das Thermometer zeigt 38 Grad im Schatten an. Die Plätze unterhalb der Kolonnaden, den Säulengängen rund um den Platz, sind begehrt. Sie bieten Schutz vor der italienischen Sonne. Das wichtigste Utensil für die Ministranten ist die gelbe Trinkflasche: Um die Trinkbrunnen in Rom bilden sich Trauben von Jugendlichen, die ihre Flaschen mit kühlem Wasser füllen.

Eine Stunde vor der Audienz ist der Petersplatz voll. Ein Farbenmeer erstreckt sich über die gesamte Breite. Fahnen wehen über den Platz, in den Farben der Bistümer, der Bundesländer und Deutschlands. Auch ein paar Österreicher und Letten sind dabei. Riesige bunte Luftballons wandern durch die Hände der Ministranten über den ganzen Platz. Eine Laola-Welle bewegt sich von hinten nach vorne, „eine Welle Richtung Petersdom, Richtung Jesus“, ruft die Moderatorin. Die Stimmung wird immer beschwingter, lauter, aufgeregter. Simon Eckstein aus Mannholz im Bistum Eichstätt ist schon gespannt: „Ich hoffe, dass ich nah herankomme und ein schönes Foto machen kann vom Papst – die Stimmung ist jedenfalls schon richtig gut!“

Um 18 Uhr wird es plötzlich ganz leise. Die Spannung ist greifbar, immer wieder brandet in einigen Ecken Applaus auf. Dann ist es so weit: Links vom Petersdom taucht das Papamobil auf, der Pileolus, die weiße Kappe des Papstes, erscheint, dann ist er selbst zu sehen: Papst Franziskus grüßt, langsam rollt das Papamobil vor der ersten Reihe entlang, Jubel, der Petersplatz scheint zu beben. Franziskus strahlt, er winkt den jungen Pilgern zu. Bevor es mit dem Gottesdienst losgeht, will er alle begrüßen: Er fährt durch die Reihen bis ganz nach hinten. Selbst die, die weiter hinten stehen, können ihn so gut sehen.

Als er schließlich auf seinem Stuhl Platz genommen hat, heißt ihn der deutsche Jugendbischof Karl-Heinz Wiesemann willkommen: „Die junge Kirche aus Deutschland, Wien, Linz und Lettland ist versammelt und begrüßt Sie ganz herzlich – auf diese junge Generation können sie sich verlassen.“

Franziskus kann mit den Pilgern Deutsch sprechen, weil er einige Zeit in Frankfurt studiert hat: „Gott will Kinder, die frei sind.“ Um das zu verwirklichen, brauche Gott nur einen Mensch – Maria. Sie habe in ihrer Freiheit ja gesagt zu Gott und ihm so gedient: „Halten wir sie uns vor Augen, wenn wir wissen wollen, was Gott sich von seinen Kindern erwartet.“

Mit Liedern, Gebeten und Fürbitten geht der Gottesdienst weiter. Dann stellt sich Papst Franziskus den Fragen einiger Ministranten. Sie fassen in ihren eigenen Worten zusammen, was sie bewegt: Wie können junge Menschen in der Kirche mehr zur Geltung kommen? Wie gehen sie damit um, wenn es mal schwerfällt, Ministrant zu sein – weil so viele andere Termine anstehen oder die Freunde ihr Engagement nicht verstehen?

Papst Franziskus antwortet ganz konkret. „Die Welt braucht Menschen, die bezeugen, dass Gott uns liebt und unser Vater ist. Ihr Jugendlichen habt dabei eine besondere Rolle: Mit eurem Mut, eurer Spontanität und eurer Kontaktfreudigkeit fällt es euch leichter, Menschen zu erreichen, die sich von Gott entfernt haben.“ Dass verschiedene Aktivitäten manchmal schwer mit dem Ministrantendienst vereinbar seien, verstehe er: Diese Aktivitäten seien wichtig für das Erwachsenwerden und die kulturelle Bildung. „Da muss man sich ein bisschen organisieren, die Dinge in ausgewogener Weise planen. Aber ihr seid Deutsche – und das klappt bei euch!“

Am Ende der Audienz darf ein Vertreter jeder Diözese persönlich seine Grüße überbringen. Sarah Hairbucher vom Ministrantenreferat der Diözese Eichstätt nutzt die Chance, Papst Franziskus lacht: „Grüßt meine Freunde aus Eichstätt“, sagt er. Auch einige Jugendliche mit Behinderungen sind gekommen, Papst Franziskus geht zu ihnen herunter auf den Platz. Dann steigt er auf das Papamobil, lächelt und winkt den Jugendlichen das letzte Mal zu. Als er durch ein Tor am Petersdom verschwunden ist, singen die Pilger noch einmal zusammen das Mottolied der Wallfahrt: „Ich bin frei, frei, meinen Nächsten zu sehen, loszugehen, Gutes zu tun!“ Langsam leert sich der Petersplatz, überall Gelächter und strahlende Gesichter.

Die 13-jährige Theresa aus München war ganz vorne mit dabei: „Es war toll, den Papst so nahe zu sehen, er ist wirklich direkt an uns vorbeigefahren.“ Miriam aus Schwabmünchen ist 21 Jahre alt und schon seit zwölf Jahren Ministrantin. Sie ist begeistert: „Ich kann es eigentlich gar nicht in Worte fassen, zwischendurch hatte ich sogar Tränen in den Augen, weil es einfach so bewegend war!“