Ingolstadt
Wenn der Holzpilz am Maibaum frisst

Sporen dringen über die Luft ein und gefährden die Stabilität Kontrollen vorgeschrieben

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Ingolstadt (DK) Maibäume sind der Stolz ganzer Ortschaften. Wo der Stamm mit den Zunftzeichen nicht jährlich getauscht wird, wie das dieses Wochenende vielerorts in Bayern geschieht, ist aber Vorsicht angebracht. Steht ein Baum zu lange, können plötzlich Holzpilze sprießen.

In Neubiberg bei München musste dieser Tage der Maibaum weichen, weil Fäulnis aufgetreten war. Der Technische Überwachungsverein (TÜV) Süd hatte Alarm geschlagen: Er hatte den drei Jahre alten Stamm abgeklopft, Löcher ins Holz gebohrt und war auf Schimmel und morsche Stellen gestoßen. Die Feuerwehr musste den Baum aus Sicherheitsgründen umlegen, jetzt steht die Ortschaft ohne ihr Prachtstück da. Denn zum Schlagen und Schmücken eines neuen Baums war es bereits zu spät.

Das Maibaumaufstellen: Was früher locker und ohne Bürokratie abging, gilt heutzutage laut Bayerischer Bauordnung als "Verfahrensfreies Bauvorhaben" - Gemeinden und Städte sind aber mit Auflagen meist gnädig, schließlich geht es um eine alte Tradition. In Ingolstadt und der Region stellen die meisten Vereine jedes Jahr einen neuen Maibaum auf, sodass Pilze sich erst gar nicht lange ausbreiten können. Nehmen wir die Schanz: "Wir haben hier 23 Maibäume, die regelmäßig erneuert werden. Da gibt es bisher keine Probleme mit Fäulnis", sagt Stadtsprecher Gerd Treffer. Das Fest beim Aufstellen sei Brauchtumspflege und müsse beim Ordnungsamt angemeldet werden, die Verantwortung dafür trage die Stadt. "Wenn der Baum aber mal steht, sind die Aufsteller für die Sicherheit zuständig."

Mit anderen Worten: Regelmäßige Kontrollen auf Standfestigkeit sind durchaus angebracht - aber auch durch Gerichtsurteile oder Vorgaben der Versicherungen eine Pflicht, wie Thomas Oberst vom TÜV Süd erklärt. "Nach einem Jahr Standzeit muss die Prüfung durch einen Holzfachkundigen erfolgen", sagt er und verweist auf eine Entscheidung am Landgericht Traunstein. "Da reicht es aber, wenn zum Beispiel der Zimmerer im Dorf diese Aufgabe übernimmt."

Nach zwei Jahren müsse dagegen ein Holzsachverständiger der Industrie- und Handelskammer den Stamm auf Fäulnis und Pilzbefall untersuchen. Bleibe ein Maibaum noch länger, sei es ratsam, ihn weiter im Auge zu behalten. "Die maximale Standzeit beträgt fünf Jahre, dann spielen die Versicherungen nicht mehr mit."

Nach Erfahrungen beim TÜV kommt der Pilz meist nicht aus dem Inneren des Stamms. "So einen Fall hatten unsere Prüfer erst einmal", sagt Oberst. Die verschiedenen Baumschwämme würden vielmehr über Sporen in der Luft übertragen. "Je feuchter der Stamm ist und je nasser die Witterung, desto eher tritt der Schaden auf." Farbe auf dem Holz, etwa das gerne verwendete weißblaue Rautenmuster, sei nicht unbedingt empfehlenswert: "Sie hält zwar die Pilze von außen ab, behindert aber das Trocknen des Holzes von innen."

Dorfgemeinschaften und Vereine in der Region hatten bisher ohnehin eher mit Maibaumdieben als mit Holzschwämmen zu kämpfen. Die Tradition, den Stamm aus dem Nachbarort zu stehlen und gegen eine Brotzeit feierlich auszulösen, hält sich noch immer, obwohl die Auflagen für solche "genehmigungspflichtige Schwertransporte" zunehmend schärfer geworden waren. Darauf hatte kürzlich die bayerische Staatsregierung reagiert. "Zugunsten des bayerischen Lebensgefühls" dürften Maibäume künftig wieder ohne behördlichen Segen transportiert werden, sofern Feuerwehr, Polizei oder THW die Aktion absichern, erklärte Staatskanzleichef Marcel Huber.