Ingolstadt
Wendung im Geiselnahme-Prozess?

Strafkammer am Landgericht Ingolstadt regt wesentliche Beschränkungen der Vorwürfe gegen 47-Jährigen an

24.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

−Foto: Horst Richter

Ingolstadt (DK) Was bleibt von der Anklage übrig? Im Prozess gegen einen 47-jährigen Landschaftsgärtner wegen Geiselnahme, Körperverletzung und mehrfacher Vergewaltigung regte die 1. Strafkammer am Landgericht Ingolstadt am Montag eine Beschränkung des Verfahrens auf den Vorwurf der Freiheitsberaubung an. Es werde ansonsten schwierig, dem Angeklagten bei den übrigen Delikten einen Vorsatz nachzuweisen, erklärte Vorsitzender Richter Jochen Bösl.

Knackpunkt in dem Verfahren ist wohl das Verhalten des mutmaßlichen Opfers, das trotz mehrerer sich bietender Gelegenheiten die Möglichkeit zur Flucht nicht genutzt hatte. Auch habe die Frau die sexuellen Übergriffe nicht mit erkennbarer Entschiedenheit abgewiesen, so dass dem Angeklagten eventuell gar nicht bewusst war, gegen ihren Willen zu handeln, stellte das Gericht fest. Die 55-Jährige hatte ihr Verhalten damit begründet, aus Angst so gehandelt zu haben. Der 47-Jährige hatte nach ihren Angaben damit gedroht, ihrer Familie etwas antun, die Töchter zu entführen und in die Ukraine zu verkaufen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, die 55-jährige Allgäuerin im Raum Pförring (Kreis Eichstätt) geschlagen, gewürgt, entführt und nach Tschechien beziehungsweise in die Slowakei verschleppt zu haben. Dort soll er sie mehrfach vergewaltigt haben. Der 47-Jährige hatte die verheiratete Frau als persönliche Betreuerin eingestellt, um sich um seine Belange zu kümmern. Von Geiselnahme und Vergewaltigung will er nichts wissen, sie habe vielmehr eine Liebesbeziehung zu ihm unterhalten. Sie sei freiwillig mit ihm gekommen und habe auch einvernehmlich mit ihm geschlafen.

Der bisherige Verhandlungsverlauf ergebe ein relativ stimmiges Bild, erklärte Vorsitzender Richter Jochen Bösl – mit den genannten Unschärfen, was die Vorwürfe der Geiselnahme und Vergewaltigung betrifft. Daran, dass die 55-Jährige vom Angeklagten gefesselt worden sei, habe die Kammer aber keine Zweifel. Das Gericht stützt sich dabei auf die Angaben der mitangeklagten früheren Lebensgefährtin des Mannes. Die 64-Jährige hatte angegeben, das mutmaßliche Opfer sei in unnatürlicher Haltung im Auto gelegen, als sie den 47-Jährigen am 3. Mai 2016, dem Auftakt der rätselhaften Odyssee, kurz an einer Tankstelle in Abenberg im Kreis Roth gesehen habe. Ihr Mund sei "mit irgendetwas" verschlossen gewesen. Sie hätte damals die Polizei einschalten müssen, habe es aber nicht getan. "Das war falsch", erklärte sie vor Gericht. Ihr Verteidiger Stefan Roeder regte an, das Verfahren gegen sie wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung wegen Geringfügigkeit einzustellen.

Der Vorschlag des Gerichts, dem 47-Jährigen nur noch die Freiheitsberaubung zur Last zu legen, blieb bei den übrigen Prozessbeteiligten ohne Widerspruch. Ein entsprechender Beschluss der Strafkammer steht jedoch noch aus, weil das mutmaßliche Opfer noch einmal gehört werden muss. Sollte es dazu kommen, würde sich das zu erwartende Strafmaß für den Hauptangeklagten drastisch verringern, möglicherweise gibt es noch diese Woche eine Entscheidung. Nach ursprünglicher Planung war die Urteilsverkündung erst für den 17. August vorgesehen.