Kühbach
Weltmeisterin "bitzelt" es wieder

Sport während der Coronavirus-Zwangspause (10): Regina Gilg

31.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:26 Uhr
Fleißig beim Jubeln: (v. l.) Regina Gilg vom TSV Kühbach - gemeinsam mit Franziska Lindner, Rebecca Jüngel, Verena Gotzler, Ulrike Lachenmayer und Bundestrainer Rupert Geigl. −Foto: A. Kamhuber

Kühbach/Ohlstadt - Zugegeben, sie ist keine echte Kühbacherin.

 

Stolze 133 Kilometer von dort ist sie beheimatet - in Ohlstadt, im schönen Werdenfelser Land, in unmittelbarer Nähe des berühmten Garmisch-Partenkirchen. Und doch ist Regina Gilg "schon längst eine von uns", wie Anton Stadlmair glücklich erklärt. Weil sie eben bereits seit drei Jahren für seinen TSV als (Eis-) Stockschützin fungiert - und in all dieser Zeit neben vielen Sympathien auch jede Menge Wettbewerbe gewonnen hat.

So schaffte die 22-Jährige erst von knapp drei Wochen das Kunststück, Weltmeisterin mit dem deutschen Damenteam zu werden - nur wenige Stunden, bevor in Bayern das große Versammlungsverbot aufgrund der Corona-Krise in Kraft trat. Ja, der Wettbewerb um die WM-Krone war in Regen im Bayerischen Wald nicht nur ein Kampf gegen die internationale Konkurrenz gewesen, sondern auch gegen die Uhr. Für Gilg und ihre Teamkolleginnen bedeutete das: Bereits um 5.30 Uhr ging's am Schlusstag mit dem Einschießen los, um 12 Uhr musste definitiv Schluss sein. Alles keine Schwierigkeit für das deutsche Quintett: Es machte genau das, was es tun musste, erreichte durch einen knappen Sieg gegen Italien das Finale - und in diesem wurde schnell einmal der Erzrivale aus Österreich mit 37:13 vom Eis. Nur schade für Gilg und ihre vier Mitstreiterinnen - Ulrike Lachenmayr, Franziska Lindner (beide TSV Peiting), Verena Gotzler (EC Gerabach) und Rebecca Jüngel (RSV Büblingshausen) - dass sie diesen Riesentriumph nicht gemeinsam mit einem Riesenpublikum feiern durften, denn Zuschauer waren bei dieser WM bereits nicht mehr zugelassen.

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Eine Woche zuvor, bei den U23-Weltmeisterschaften 2020 ebenfalls in Regen, war das noch anders gewesen: Da durfte eine stattliche Anzahl an Fans noch live vor Ort die Künste von Gilg beobachten - und leibhaftig dabei sein, wie die Ohlstädterin in Diensten des TSV Kühbach die Titel im Einzel und mit der Mannschaft holte. Anders ausgedrückt: Die 22-Jährige kürte sich innerhalb von acht Tagen gleich dreimal zu einer Weltmeisterin - was für eine Leistung, was für ein Erfolg!

"Ja, natürlich freut mich das tierisch. Das waren Mega-Wettbewerbe für mich", erzählt Gilg. Und mittlerweile habe sie das Ganze auch so richtig realisiert, was ihr da in Regen gelungen ist: "Wenn ich da jetzt in einer ruhigen Minute auf meine drei Goldmedaillen blicke, dann macht mich das schon stolz. "

Die 22-Jährige ist neben all ihren sportlichen Fähigkeiten eine freundliche junge Dame. Einfach nur sympathisch, nicht im Geringsten abgehoben. Aber wieso schießt sie momentan offiziell für den TSV Kühbach? "Ich bin zwar noch 2016 mit dem TSV Peiting Deutsche Mannschaftsmeisterin geworden - aber richtig getaugt hat's mir in dieser Zeit schon nicht mehr bei diesem Verein. Das schienen die Kühbacher mitbekomme haben, denn sie fragten mich spontan, ob ich mir einen Wechsel zu ihnen vorstellen könne - und nachdem ich mir das ein bisschen durch den Kopf gehen gelassen hatte, sagte ich tatsächlich bei ihnen zu. "

Dass es in Kühbach keine Berge gibt, ganz im Gegensatz zu ihrem Heimatort Ohlstadt - Gilg nimmt es lachend hin: "Dafür gibt es hier in unmittelbarer Nähe den guten Schrobenhausener Spargel, und den kann ich dann im Frühjahr immer wieder meinen Bekannten und Freunden mitbringen. "

Wobei das heuer eben nicht geht, die Ausgangsbeschränkungen bezüglich der Corona-Krise gelten schließlich auch für Stockschütz(inn)en. "Für diesen Sommer ist in der Tat schon alles abgesagt", bedauert die 22-Jährige. Natürlich hatte sie unmittelbar nach ihren WM-Auftritten nichts gegen eine kleine sportliche Pause einzuwenden - aber nun gleich so intensiv? "Ich geb's zu, nach einer Woche Nichtstun hat's mich bereits wieder ,gebitzelt'", verrät Gilg lächelnd. Also griff sie vor Kurzem doch wieder zum Stock - und trainierte einfach allein mit ihrem Freund.

Thomas Rapp-König heißt übrigens jener, war früher ebenfalls regelmäßig in der deutschen Eisstockschützen-Nationalmannschaft aktiv und hatte in dieser Zeit gar vier WM-Titel gesammelt. Also sogar einen mehr als seine Freundin? "Nein", entgegnet diese sofort: "Ich war ja 2016 bereits Weltmeisterin mit dem deutschen U23-Team im Zielschießen geworden, folglich stehe ich auch bereits bei vier. " 2022, bei der nächsten Eisstock-WM, möchte Gilg ihren Thomas in Sachen Goldmedaillen endgültig überholen - zumal die Wettbewerbe dann an einem für sie besonderen Ort stattfinden werden, nämlich in Ritten in Südtirol. "Dort hatte ich 2008 meine WM-Premiere als Zuschauern erlebt und außerdem 2016 meine WM-Premiere als Aktive - mit dem bereits erwähnten ersten Titelgewinn für mich", erzählt die Ohlstädterin.

Zum Stockschießen selbst sei sie übrigens schon im zarten Alter von erst neun Jahren gekommen - dank ihres Vaters. "Ich entwickelte daraufhin sehr schnell sehr viel Ehrgeiz, hatte zudem immer viel Spaß - und das setzte sich bis jetzt so fort", berichtet Gilg: "Anders anders geht es auch nicht. Der Spaß muss immer im Vordergrund stehen, denn mit Stockschießen verdient man nichts. Sogar ganz im Gegenteil, man muss immer wieder viel Zeit und Geld für diesen Sport investieren. " Folglich ist die dreifache Weltmeisterin 2020 kein gut bezahlter Profi, sondern muss stattdessen ihre Euros als Bürokauffrau in Penzberg verdienen.

Dass Eisstockschießen eventuell 2026 olympisch werden könnte - die 22-Jährige bezeichnet's "als schönen Traum": "Aber grundsätzlich bin ich in diese Richtung skeptisch. Ich glaube es erst, wenn es wirklich so weit ist. " Zunächst ist jedenfalls Corona-Krise - und damit besteht vorerst weiterhin keine Möglichkeit, Gilg für ihre Großtaten in Regen zu ehren. "Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben", verspricht Anton Stadlmair, der Stockschützenchef des TSV Kühbach: "Wenn es wieder erlaubt ist, werden wir eine richtig schöne Fete zu Ehren von Regina und auch unseres gesamten Damenteams machen, welches ja im November 2019 den Europacup in Meran gewann. " Spätestens dann dürfte Gilg wieder die 133 Kilometer von Ohlstadt nach Kühbach kommen - und zudem wohl wieder einige Kilogramm an Schrobenhausener Spargel mit ins Werdenfelser Land nehmen.

SZ

Roland Kaufmann