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Weiteren Raubbau an der Festung unbedingt verhindern

04.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:05 Uhr

Zu "Festung geschleift" und "Kein Burgfrieden in Sicht" (DK vom 15. und 22. Oktober), worin es um die Zerstörung der Lagerschanze an der Autobahnausfahrt Süd geht:

Seit Jahren wächst das Interesse an der Festungsgeschichte der Stadt Ingolstadt - das zeigt der gute Besuch bei Führungen in den Festungsbauten, an der Stadtmauer und bei Vorträgen. Auch die Stadt trägt diesem Interesse seit einiger Zeit verstärkt Rechnung: aufwändige Restaurierungs- und Renovierungsmaßnahmen, intelligente, zukunftsorientierte Nutzungskonzepte und die Unterstützung bei der Einrichtung des überaus gelungenen Festungsrundwegs.

Offenbar hat man zwischenzeitlich den Wert dieses herausragenden Dokuments der Stadtgeschichte erkannt und nutzt die Festung auch im Rahmen der touristischen Vermarktung Ingolstadts.

Um so ärgerlicher sind dann Vorfälle wie die Beseitigung von Festungswerken in Nacht-und-Nebel-Aktionen, wie kürzlich geschehen. Hier hat man zum Nachteil der Stadt gehandelt. Privatwirtschaftliche Interessen haben leider erneut über historisch-kulturelle Werte triumphiert. Ein Denken, das wir schon längst überwunden zu haben glaubten! Auch wenn die Einebnung der Lagerschanze im Ingolstädter Süden als nicht so tragisch erscheinen mag (war das zugewachsene Werk doch kaum mehr zu erkennen), ist doch auch hier wieder ein Relikt unserer Vergangenheit unwiederbringlich beseitigt worden. Das schon mehrfach kritisierte kurzsichtige Denken mit der Abrissbirne und dem Bagger darf in Ingolstadt einfach nicht zum Standard werden, wenn man abwägen muss zwischen ökonomischen Interessen und dem Allgemeinwohl.

So wie Ingolstadt chronologisch in, mit und um die Festung gewachsen ist - mit allen Vor- und Nachteilen -, so stellt innerhalb dieser Entwicklung die Landesfestung des 19. Jahrhunderts einen ganz besonders markanten Identitätsanker dar.

An diesem System von Forts, Zwischenwerken und Schanzen ist in den vergangenen 70 Jahren schon so viel zerstört worden, dass es um so notwendiger ist, die erhalten gebliebenen Teile sorgsam zu behandeln und zu schützen. Ein weiterer Raubbau daran aus (kurzfristigen) Privatinteressen muss unbedingt verhindert werden.

Der Historische Verein Ingolstadt sieht daher seine Aufgabe auch darin, dieses Erbe zu schützen und zu bewahren: der Erhalt der unterirdisch zum größeren Teil noch erhaltenen Lagerschanze muss unbedingt sichergestellt und das Gelände nach Möglichkeit als Bodendenkmal öffentlich gekennzeichnet werden, damit niemand sagen kann, er habe davon nichts gewusst!

Zur Geschichte der Stadt gehören nicht nur die städtebaulichen Rosinen wie das Kreuztor, die Stadtmauer oder die Kavaliere sondern das ganze Ensemble der jahrhundertelang gewachsenen Festungswerke. Dieses einzigartige Zusammenspiel der Jahrhunderte darf nicht beliebig zur Disposition gestellt werden, um Müllräume, Tiefgaragen und Parkplätze zu schaffen.

Matthias Schickel,

Vorsitzender Historischer Verein

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Der Eigentümer kannte die Bedeutung der Lagerschanze, nachdem er vor etwa eineinhalb Jahren einen Teil davon eingeebnet hatte. Es gab damals mit ihm intensive Gespräche und ein klares Verbot der Stadt, weitere Abbrucharbeiten an diesem Denkmal vorzunehmen. Insofern ist das jetzige Vorgehen des vollständigen Abbruchs eindeutig unter Vorsatz geschehen. Die Stadt hat klar gestellt, dass es zu diesem Baudenkmal seit eineinhalb Jahren mehrfach Kontakt mit dem Grundstückseigentümer gab. Wenn sogar ein Gespräch mit der Leiterin des Stadtplanungsamtes ignoriert wird, fragt man sich schon, was eine Stadt noch an Hinweisen und Klarstellungen hätte geben sollen. Somit war der Eigentümer eindeutig über das Verbot weiterer Eingriffe in dieses Denkmal informiert und hat sich wissentlich darüber hinweggesetzt.

Die Bedeutung der Lagerschanzen muss ich an dieser Stelle nicht betonen, vor allem nicht, da kaum noch eine vollständig erhalten ist. Das Landesamt für Denkmalpflege hat mir auch versichert, dass es dem Abbruch eines obertägig erhaltenen Baudenkmals keinesfalls zugestimmt hätte. Aus diesem Grund muss aus meiner Sicht ein Bußgeld erhoben werden, dessen Höhe dem Vorgang ebenso gerecht wird wie dem Wert des verlorenen Baudenkmals. Die Forderung des Landesamtes für Denkmalpflege, ein Mehrfaches der Grabungskosten als Bußgeld zu veranschlagen (unabhängig von einer zusätzlichen Strafe), kann ich nur voll und ganz unterstützen. Gerade in Ingolstadt mit seinen hohen Grundstückspreisen bestünde sonst die Gefahr, einen Präzedenzfall zu schaffen. Sollte sich herumsprechen, dass es "billiger" ist, ein Baudenkmal ohne Genehmigung abzubrechen und eine verhältnismäßig niedrige Strafe zu zahlen, könnten Eigentümer (und natürlich auch zukünftige Eigentümer) verleitet werden, sich dadurch Kosten "zu sparen". Damit verlöre man dann jedoch nicht nur Baudenkmäler, sondern auch Erkenntnisse über die Geschichte der Stadt und ihrer Region. Zudem würde die Stadt viel an Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn sie gültige Gesetze zum Denkmalschutz nicht mit der nötigen Härte durchsetzt.

Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass man sich nicht der dumpfen Argumentation anschließen sollte, es habe sich bei der Lagerschanze ja sowieso "nur um einen Erdhaufen" gehandelt, der kaum mehr erkennbar gewesen sei. Diese Behauptung zeugt ebenso von Ignoranz wie von Desinteresse an der Geschichte und Kultur unserer Stadt und Region. Man muss sich vor Augen halten, dass sich die Bedeutung eines Baudenkmals nicht aus seiner Materialität ergibt (wie müsste man dann den Limes beurteilen). Die Lagerschanzen waren in Ingolstadt ein wesentlicher Bestandteil der Festung, und mit dieser Festung wirbt die Stadt in letzter Zeit ja kräftig - und das nicht nur touristisch.

Tobias Schönauer

Heimatpfleger

der Stadt Ingolstadt