Eichstätt
Wege der Annäherung

Ökumenismusdekret als katholisches Bekenntnis zum engen Dialog mit anderen Konfessionen

11.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:52 Uhr

 

Eichstätt (DK) Den Beginn einer Annäherung zu anderen Konfessionen und Religionen versprach vor einem halben Jahrhundert „Unitatis redintegratio“, das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils. Doch wohin führte und führt der neue Weg der Offenheit? Rückblick, Bestandsaufnahme und Ausblick in Sachen Ökumene waren Thema eines Studiennachmittags in Collegium Orientale und Priesterseminar in Eichstätt.

Eingeladen hatten die Ökumenekommission des Bistums Eichstätt, der Diözesanrat und das Diözesanbildungswerk.

Quintessenz der Veranstaltung: Ökumene ist ein Unterwegs-Sein der Konfessionen – mal im Sprinttempo, mal im Gehen; Umwege gibt es auch und Pausen. Die Grundhaltung katholischer und evangelischer Christinnen und Christen auf dem gemeinsamen Weg in Geschwisterlichkeit – so der status quo – ist so unterschiedlich wie die der Gesellschaft allgemein, in der progressive Kräfte mit reaktionären ringen, liberale Geister die Konservativen zu überzeugen suchen. Den einen geht Einheit nicht schnell genug, die anderen lehnen eine Einheit auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner kategorisch ab. Und mag manchem auch die theologische Endlosdebatte zuwider sein – die fachliche Auseinandersetzung über Glaubensinhalte, unterschiedliche Traditionen und Formulierungen ist gleichwohl notwendig.

Viele Gläubige vermissen Lösungen bei Dauerreizthemen wie dem gemeinsamen Abendmahl, dem besseren Umgang mit konfessionsverbindenden Ehen und der Frauenordination. Dennoch – die katholische Kirche hat mit dem Ökumenismusdekret 1964 den Weg des Dialogs gewählt, sich aus ihrer starren Haltung gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften gelöst.

Sowohl Manfred Gerwing, Dogmatik-Professor an der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt, wie auch Markus Buntfuß, Professor für Systematische Theologie an der Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der Augustana in Neuendettelsau, würdigen das Konzilsdekret in ihren Vorträgen als Meilenstein zugunsten einer weitreichenden Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten.

Für Gerwing ist das Ökumenismusdekret aus katholischer Sicht eine Sensation. Er verweist auf die vorkonziliare Zeit, als die offizielle Haltung der katholischen Kirche der ökumenischen Bewegung gegenüber „recht reserviert“ war. Von Annäherung konnte gar keine Rede sein. Nicht-Katholiken galten als „dissidentes christiani“, gläubige Katholiken hatten sich bei Ökumenegesprächen zurückzuhalten. „Diese restriktive Haltung der katholischen Kirche gegenüber der ökumenischen Bewegung änderte sich erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil“, sagt Gerwing. Das Ökumenismusdekret lege davon Zeugnis ab und sei im Sinne der Veränderung einer Grundhaltung ein Novum. Bereits das Vorwort, in dem das Grundanliegen genannt wird, lasse aufhorchen: „Es besteht darin, die Einheit aller Christen wiederherzustellen.“ Unter Verweis auf das Gebet Christi, dass alle eins sein sollen (Joh 17, 21).

Laut Gerwing verpflichtet das Dekret die Katholiken dazu, die Zeichen der Zeit zu sehen, die Einheit der Christen zu fördern und bei der Trennungssuche nicht nur den Splitter im Auge des Anderen, sondern den Balken im eignen Auge zu sehen.

Auch Gerwings evangelischer Kollege Markus Buntfuß verweist auf „Unitatis redintegratio“, „das die Sprache der Würdigung und Anerkennung christlich-kirchlicher Vergemeinschaftung auch außerhalb der römisch-katholischen Kirche spricht“. Als vorläufigen Höhepunkt der Annäherung nennt Buntfuß die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999.

Aber Buntfuß geht auch auf Enttäuschungen und Rückschläge ein. So kühlte das Verhältnis nach der Veröffentlichung der Erklärung „Dominus Jesu“ im Jahr 2000 merklich ab. Dieser Erklärung der vatikanischen Kongregation der Glaubenslehre folgte im Jahr 2001 die Verlautbarung „Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis“, was „von katholischer Seite als kantig und schroff empfunden wurde“. Buntfuß weiter: „Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts brachte keine positiven Ergebnisse im Annäherungsprozess zwischen beiden Konfessionen mehr.“ Er nennt aber auch andere Möglichkeiten der Ökumene, wie etwa Lehrökumene, Ökumene des Denkens und der Wissenschaft, Ökumene des Herzens und der Hand. Und Buntfuß hofft auf Visionen: „Wir müssen andere, zugkräftigere ökumenische Leitbilder entwickeln. Für eine neue Form der Kirchengemeinschaft müssen beide Seiten aufbrechen, sich bewegen, alte Gewissheiten in Frage stellen und neue Formen der Vergewisserung entwickeln.“

Dass neue Wege ganz pragmatisch gegangen werden können, zeigt die Vielzahl von gemeinsamen Jugendgruppen, Gebets- und Arbeitskreisen an der Basis. In engagierten Gemeinden, in denen die Gläubigen aufeinander zugegangen sind, wie ein evangelisch-katholisches Zeitzeugengespräch auf dem Eichstätter Studientag verdeutlicht. Wobei es bei verschiedenen gemeinsamen Unternehmen Grenzen gibt. Doch meist funktionieren Miteinander und Kontakt. Voraussetzung sind gegenseitige Anerkennung, Verständnis füreinander und Engagement. Dann aber funktioniert Ökumene – an der Basis.

Denn, so hat es der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke im Wortgottesdienst zur Feier des Ökumenismusdekrets formuliert: „Die Einheit der Christen kann nicht nach Art von Koalitionsverhandlungen oder Schiedssprüchen erreicht werden. Neben dem gemeinsamen Beten und Handeln ist für den weiteren ökumenischen Weg Bereitschaft zur Umkehr und Hinwendung zu Jesus Christus entscheidend.“