München
Was man über die Welt wissen muss

Gelehrter, Büchersammler und Arzt: Die Bayerische Staatsbibliothek zeigt eine Ausstellung zu Hartmann Schedel

24.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:57 Uhr

Die zwölf Winde aus den verschiedenen Himmelsrichtungen – auch diese Miniatur aus einer astronomischen Sammelhandschrift ist in der Ausstelljung zu sehen. - Foto: Bayerische Staatsbibliothek

München (DK) Schwarze Schnabelschuhe trägt der schlanke Herr, sein Gesicht ist jung und umrahmt von blonden Locken, die unter einem Hut hervorquellen. Diese Kopfbedeckung leuchtet ebenso rot wie das bodenlange Gewand.

Denn Ärzte trugen im 15. Jahrhundert nicht Weiß, sondern Rot  die Farbe des Blutes. Dieses möglicherweise selbst gefertigte Bildnis von Hartmann Schedel wurde einem Codex eingefügt, der die Herstellung von pflanzlichen Arzneimitteln beschreibt. Das Medizinbuch gründet auf dem Wissen des Persers Avicenna, der um das Jahr 1000 praktizierte also auf Kenntnissen, die damals schon fünfhundert Jahre alt waren. Und dieser einzelne Band ist Teil einer riesigen Privatbibliothek, die Hartmann Schedel selbst zusammengetragen hatte – als Büchernarr und Gelehrter zugleich. Zu seinem 500. Todestag hat die Bayerische Staatsbibliothek nun eine Ausstellung eingerichtet unter dem Titel Welten des Wissens.

Ärzte hatten in jener Zeit die Möglichkeit, eine gute Ausbildung in Padua zu erlangen, wo man mit Genehmigung der Kirche Leichen sezieren durfte, um den menschlichen Körper besser kennenzulernen und die Heilkunst zu verbessern. Ein wichtiges Mittel der Diagnose war die Urin-Schau – und so zeigt ein anderes mutmaßliches Portrait den gealterten Hartmann Schedel mit einem Glasgefäß, das eine trübe Flüssigkeit enthält. Der 1440 geborene Wissenschaftler muss ein neugieriger Mensch gewesen sein: In der Bayerischen Staatsbibliothek haben sich über 370 Handschriften und 460 Drucke aus seinem Besitz erhalten – 40 Bände werden jetzt in der Schatzkammer aufgeschlagen.

Ein Sprachführer mit italienischen Redewendungen für Kaufleute, eine Aphorismen-Sammlung des Hippokrates, ein eigenhändiges Rezeptbuch, eine Analyse des Planeten-Einflusses auf das Leben der Menschen, das erste deutsche Lehrbuch der Chirurgie – die Palette der Werke eröffnet einen Einblick in die medizinische Welt jener Zeit, als der Buchdruck die Welt veränderte.

Interessant ist, dass Hartmann Schedel 1470 als junger vereidigter Stadtarzt in Nördlingen 40 Gulden im Jahr verdiente, dass aber sein Vermögen am Ende seines Lebens als Stadtarzt in Nürnberg auf 15 000 Gulden geschätzt wurde – vor allem dank zahlreicher Immobilien. Seine riesige Bibliothek schlug mit 300 Gulden zu Buche, wurde jedoch von seinem Enkel nicht geschätzt. Der verkaufte die Bände an Hans Jakob Fugger, welcher sie schließlich an den bayerischen Herzog Albrecht V. weitergab.

Bekannt wurde Schedel vor allem durch seine von ihm verfasste Weltchronik in lateinischer und deutscher Sprache, von der sich 1600 Ausgaben erhalten haben. Die Staatsbibliothek zeigt das persönliche Exemplar des Arztes und führt mit großen Wandtafeln in die Bilderwelt des Spätmittelalters ein. Von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht versammelt sie zwischen zwei Buchdeckeln quasi alles, was man über die Welt wissen musste – vor allem die kolorierten Stadtansichten erlangten Berühmtheit. Damit ist die „Schedelsche Weltchronik“ eine Art Google vor 500 Jahren, ein Nachschlagewerk für den Gebildeten – mit dem Nachteil, dass das Wissen schon nach wenigen Jahrzehnten veraltet war und die Chronik sich nicht mehr verkaufen ließ.

 

Bis 1. März, Mo bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa/So 13 bis 17 Uhr, vom 24.12. 2014 bis 6. 1. 2015 geschlossen.