Ehekirchen
Was kostet die Bürger der Straßenausbau?

Gesetzeslage wird neu interpretiert Verunsicherte Gemeinden informieren sich über Möglichkeiten und Zwänge

04.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Legte eine Fährte durchs Dickicht des neuen Beitragsrechts: der Königsbrunner Verwaltungsexperte Jürgen Raab bei seinem Vortrag in Schönesberg. - Foto: Heumann

Ehekirchen (lm) "Strabs" steht für Straßenausbaubeitragssatzung. Eine solche droht praktisch allerorts, wo sie bislang noch nicht eingeführt ist - zum Beispiel in Ehekirchen und Rennertshofen. Grob gesagt: Wo mehr als bloß eine neue Deckschicht drüber gemacht wird, ist der Bürger beim Zahlen dabei.

Sich nur mal anzuhören, was da alles auf die Gemeinden zukommt, hatte sich Ehekirchen jetzt zu einem Zwitter aus Info-Veranstaltung und außerordentlicher Gemeinderatsitzung entschlossen; die Anwesenheit von Verwaltungsleuten und Mandatsträgern aus anderen Gemeinden unterstreicht die Brisanz des Themas, ausgelöst durch das sogenannte Hohenbrunner Urteil. Die relativ reiche Münchener Vorortgemeinde hatte in der Vergangenheit solch eine Beitragssatzung, wollte sie aber abschaffen. Das Landratsamt München als zuständige Kommunalaufsicht sagte Nein, die Sache ging vor Gericht, und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gab Anfang November dem Landratsamt Recht, die Gemeinde darf auf die Beitragsgebühren nicht verzichten.

Andererseits hatte der Bayerische Landtag eine Neuordnung des Satzungsrechts beschlossen, wonach die Gemeinden jetzt mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben, die Kosten für eine Ausbaumaßnahme nicht nur allein auf die direkten Anlieger umgelegt werden müssen. Der Königsbrunner Verwaltungsexperte und Stadtrat Jürgen Raab gab als Referent des Bildungswerks für Kommunalpolitik, einer der Freien Wähler nahestehenden Einrichtung, einen ersten Überblick über eine Vielzahl von Gestaltungsvarianten, die alle eins gemeinsam haben: Der Bürger muss zahlen.

Nur, ob es im Moment dann 200 oder 20 000 Euro sind - die gesamte Bandbreite ist nach der neuen Rechtslage theoretisch möglich. Ohne Beitragssätze werden absehbar nur wenige Gemeinden auskommen können. Der Verzicht ist nur möglich, "wenn die stetige Erfüllung aller Aufgaben auch ohne Erhebung von Ausbaubeiträgen auf Dauer sichergestellt ist." Die Betonung, so Raab, liegt auf "alle Aufgaben" und "auf Dauer." Kurz gesagt: Wenn Kredite da sind - dann ist kein Verzicht möglich. Und: Wer keine Beiträge erhebt, wird auch keine Fördergelder mehr bekommen. Für den Straßenunterhalt, wenn lediglich eine Verschleißschicht aufgebracht wird, kann eine Gemeinde nichts verlangen. Schon eine neue Straßenbeleuchtung etwa, Lärmschutzmaßnahmen, erst recht, wenn's in den Unterbau geht, sagt die Rechtsprechung, muss in der Regel eine Gemeinde die Kosten sogar umlegen. Bislang wurde da in Bayern ausschließlich das Prinzip einmaliger Beiträge angewandt. Im Grunde wie bei der Erschließung wurden nur die direkten Anlieger rangezogen. Da waren deutlich fünfstellige Beträge und viele Härtefälle, die schon einer Enteignung gleichkamen, keine Seltenheit.

Genau die zu vermeiden, zog Bayern jetzt mit anderen Bundesländern gleich und führte für die Gemeinden wahlweise die sogenannte "wiederkehrenden Ausbaubeiträge" ein. Hier werden ganze Gebiete als Einheit betrachtet und für einen fixierten Zeitraum zwischen ein und fünf Jahren alle dort auflaufenden Maßnahmen nach Abzug eines Gemeindeanteils auf alle Grundstückseigentümer umgelegt. Der Gesetzgeber erlaubt dazu eine Vielzahl von Varianten. Die Gemeinden können fortan selbst zwischen altem und neuem System entscheiden, können beide sogar mengen, sagen, für Gebiet eins gilt der anliegerbezogene Einmalbeitrag, dort wird nach dem neuen Prinzip umgelegt. Die Gemeinden sind in der Einteilung der Gebiete ziemlich frei, ebenso in der Wahl der Berechnungszyklen, in einem gewissen Umfang auch in der Ermittlung ihres Eigenanteils, der sich an der Bedeutung der jeweiligen Straße orientiert, ohne dass es dafür fix definierte Sätze gibt. Theoretisch könnten sogar die zurückliegenden 20 Jahre mit herangezogen werden. Das Ganze soll für mehr Gerechtigkeit sorgen und Extrembelastungen vermeiden. Ein Beispiel: Warum soll der Haselbacher für eine Straße in Hollenbach zahlen, auf der er wahrscheinlich nie fahren wird? Da könne, so wird argumentiert, dann der alte Einmalbeitrag wieder besser sein.

Während der Referent ein feuriger Verfechter der neuen Möglichkeiten ist, wurden in der bald vierstündigen Veranstaltung doch erhebliche Zweifel laut, ob ein Modell mit den jährlich wiederkehrenden Beiträgen auf ein so kleingliedriges Gemeindegebiet wie - im Landkreis nicht nur - Ehekirchen sinnvoll überhaupt anzuwenden ist. Hauptmanko, so kristallisierte sich am Dienstag heraus, dürfte sein, dass räumlich und durch eine Gemeindeverbindungsstraße getrennte Ortsteile nicht zu einer Einheit zusammengefasst werden dürfen. Sonst wäre die Sache prima: Die für den Straßenausbau im Jahr aufgelaufenen Ausgaben werden gleichmäßig auf alle verteilt, was sich de facto sogar über die Grundsteuer organisieren ließe. So aber drohen Kleinstaaterei, wie beim Abwasser gerade erst überwunden, und ein immenser Verwaltungsaufwand. Und wie es mit der Rechtssicherheit aussieht, steht noch einmal auf einem anderen Blatt.