Erklärungsversuche
Warum stecken sich manche Menschen einfach nicht mit Covid-19 an?

So ordnet der Regensburger Infektiologe Bernd Salzberger Erklärungsversuche ein

06.04.2022 | Stand 23.09.2023, 0:37 Uhr
Ein Treffen von Freunden, einer ist unbemerkt Corona-positiv und infiziert trotzdem niemanden. Warum manche Menschen gegen Sars-CoV-2 immun zu sein scheinen, ist noch nicht klar, aber es gibt Erklärungsversuche. −Foto: Pexels

Die einen erwischt es trotz aller Vorsicht sogar zweimal nacheinander, andere sind schon fast so etwas wie die Letzten ihrer Art und haben es bislang Corona-frei durch die Pandemie geschafft.

Bei Höchstwerten von zuletzt mehr als 300.000 Neuinfektionen am Tag ist es fast unglaublich, dass es immer wieder Geschichten gibt, wie die von einem Arbeitskollegen, der mit seiner Covid-kranken Partnerin im selben Raum geschlafen hat - und sich trotzdem nicht angesteckt hat, oder von Müttern, die ihre positive getesteten Kinder im Arm hatten - und doch um eine Infektion herumgekommen sind. Aber wie kann das sein, dass manche Menschen die gesamte Palette an Corona-Varianten mitnehmen, und andere sich einfach nicht mit dem Virus infizieren?

Die schlichte Antwort: Wir wissen es (noch) nicht. "Wenn man diese Frage beantworten könnte, könnte man mit einem Schlag berühmt werden", sagt der Regensburger Infektiologe Bernd Salzberger. Tatsächlich liege die Übertragungsrate des Coronavirus auf Mitglieder des eigenen Haushalts bei den ursprünglichen Virusstämmen bei etwa 15 Prozent, nun eher bei 25 Prozent - das heißt, im Schnitt bleiben recht viele uninfiziert, trotz enger Kontakte. Die Ursachen sind noch unklar, aber es gibt Erklärungsversuche. Ein Überblick:

Kreuzimmunität und T-Zellen

Eine der Theorien, die im Zusammenhang mit der Frage, warum sich das Coronavirus bei manchen Menschen nicht vermehren kann, immer wieder auftritt, ist die der so genannten Kreuzimmunität. Das heißt, es wäre denkbar, dass eine bereits vorhandene Immunität gegen andere schon länger kursierende Coronaviren Menschen vor einer Infektion schützt.

Dabei spielen so genannte T-Zellen eine Rolle. T-Zellen sind spezielle weiße Blutkörperchen, die bei der Immunabwehr helfen. "T-Zellen erkennen Bruchstücke eines Virus", erklärt Salzberger. Diese Bruchstücke der "alten" Immunität könnten genau den Bruchstücken von Sars-CoV-2 entsprechen. "So wären dann diese Menschen schon einmal diesem Bruchstück begegnet (in einem anderen Virus) und hätten Kreuzimmunität", sagt Salzberger.

Auch wenn diese Kreuzimmunitäten bei Blutproben einer Studie bereits sichtbar geworden sind, ist laut Salzberger bisher nicht bekannt, ob sie wirklich helfen, Infektionen zu verhindern oder den Verlauf ändern.

Möglicherweise sind auch genetische Faktoren hier wichtig. Eine Kreuzimmunität, die über die T-Zellen vermittelt wird, kann abhängig sein von den Gewebeeigenschaften (der so genannte HLA-Typ) eines Menschen.

Ein bestimmter Gewebetypus könnte vom Coronavirus befallene Zellen also besonders gut bekämpfen oder aber besonders anfällig für sie sein. Noch sind diese Ansätze im Bereich der Spekulation und es sind auch nicht die einzigen Erklärungsversuche.

Das alternde Immunsystem

Mit zunehmendem Lebensalter nimmt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ab - darüber ist sich die medizinische Fachwelt einig. Ältere Menschen sind deshalb krankheitsanfälliger - sowohl bei bakteriellen als auch bei viralen Infektionskrankheiten. Das nennt man Immunoseneszenz. Mit fortschreitendem Alter erhöht sich also auch das Risiko einer Corona-Infektion beziehungsweise eines schweren Verlaufs.

Infektionsrisiko bei Kindern

Auch bei Kindern - genauso wie in jeder Altersgruppe - ist eine Übertragung von Sars-CoV-2 möglich. Die Infektiosität im Kindesalter wurde aber bisher selten untersucht und kann nach Angaben des RKI nicht abschließend bewertet werden. Insgesamt scheinen Kinder zwar weniger infektiös zu sein als Erwachsene, allerdings gab es Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass die Infektiosität von Kindern mit der Alpha-Variante im Vergleich zu den vorher zirkulierenden Varianten angestiegen ist.

Männer stärker betroffen als Frauen

Grundsätzlich sind Frauen und Männer vermutlich ähnlich anfällig für eine Infektion mit Sars-CoV-2. Allerdings erkranken Männer häufiger schwer und sterben nach Informationen des RKI doppelt so häufig wie Frauen.

Es ist allgemein bekannt, dass Männer immer schwerer krank sind, sagt Salzberger. "Das ist nicht nur eine manchmal spöttische Meinung der Partnerinnen, sondern tatsächlich belegt. " Männer sterben häufiger an einer Blutvergiftung oder einer Lungenentzündung, was auf ein schwächeres Immunsystem hinweist.

Laut Salzberger sterben tatsächlich in jeder Altersdekade doppelt so viele Männer wie Frauen - außer bei den über 80-Jährigen. "Da gibt es nicht mehr so viele Männer. Und die, die noch leben, sind die weniger empfindlichen, das nennt man Survivor-Effekt. "

Auch die Tageszeit spielt eine Rolle

Die Wahrscheinlichkeit einer Virusinfektion soll am Morgen geringer sein als im weiteren Tagesverlauf. Auch Salzberger bestätigt: "Es gibt durchaus Einflüsse der Tageszeit auf das Immunsystem. " So sind am Morgen die Spiegel von Cortisonhormonen besonders hoch, erklärt der Infektiologe. Das dämpfe Symptome von Infektionen.

Die Höhe der Viruslast

Ob man sich mit dem Coronavirus infiziert, hängt davon ab, wie gut das eigene Immunsystem funktioniert - und davon, wie hoch die Dosis des Erregers ist. Je höher die Viruslast eines Infizierten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich bei einer Begegnung ansteckt und der Körper nicht mehr gegen das Virus ankommt.

Der Zeitraum dieser Ansteckungsfähigkeit ist nicht klar definiert. Laut RKI ist diese wohl in der Zeit am größten, in der sich Krankheitssymptome zeigen. Nach derzeitigem Kenntnisstand geht die Ansteckungsfähigkeit innerhalb von zehn Tagen nach Symptombeginn deutlich zurück.

Inzwischen wissen wir, dass ein erheblicher Teil an Ansteckungen bereits vor dem Auftreten von Symptomen erfolgt und die Viruslast auch dann sehr hoch sein kann, wenn Infizierte kein Krankheitsgefühl verspüren.

Die Frage, warum manche Menschen immun sind, ist viel komplizierter und bleibt noch offen. Ob die Ansätze stimmen, wird weiter erforscht und - darauf hofft auch Salzberger - neue Studien werden hoffentlich bald einige dieser Fragen beantworten können.

DK

Laura Csapó