Ingolstadt
War Eifersucht wegen eines Mädchens das Motiv?

Nach Messerangriff von Freund auf Nebenbuhler in Asylbewerberunterkunft sagt 15-jährige Deutsche vor dem Landgericht aus

09.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:12 Uhr
Der Angeklagte mit seinen beiden Verteidigern zu Beginn der Verhandlung am gestrigen Dienstag. Offenbar verfügt er über ausreichende Deutschkenntnisse, sodass auf Simultanübersetzung verzichtet werden konnte. −Foto: Müller

Ingolstadt - Ihm werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen: Mit einem Messer und Pfefferspray soll der heute fast 23-jährige Afghane Baran T. (Name geändert) in einer Asylbewerberunterkunft in Lenting im September vergangenen Jahres auf seinen Mitbewohner und langjährigen Freund Karim O. (Name geändert) losgegangen sein und ihm Schnitt- und Platzwunden zugefügt sowie seine Augen zum Tränen gebracht haben.

 

Um Schlimmeres zu verhindern, sollen das mutmaßliche Opfer und ein weiterer Bewohner aus dem Fenster im ersten Stock der Containeranlage gesprungen sein. Schon in der Zeit zuvor sei es, so die Anklage, zu Todesdrohungen und Messerattacken gekommen. Der Angeklagte bestreitet in dem Prozess vor dem Landgericht in Ingolstadt die Vorwürfe (wir berichteten).

Am Dienstag nun wurde von der 1. Strafkammer die 15-Jährige vernommen, um deren Gunst die beiden Kontrahenten offenbar buhlten. Darin, dass Karim O. dabei wohl erfolgreicher war als er, vermutet die Staatsanwaltschaft das Tatmotiv des Angeklagten.

Und tatsächlich: Zwar konnte die Schülerin, die bei der gestrigen Verhandlung vor der Strafkammer von ihrer Mutter begleitet wurde, zur letzten Auseinandersetzung im September nichts sagen, weil sie nicht dabei war; sehr wohl jedoch zu solchen im Juli vergangenen Jahres. Nachdem sie Baran T. im Juni auf einem Volksfest kennengelernt hatte, habe sie die Nacht auf ihren 15. Geburtstag bei ihm in der Unterkunft verbracht - allerdings nicht in seinem Zimmer, sondern in dem von Karim O. Gegen 3 Uhr morgens sei es dann zu Handgreiflichkeiten zwischen den jungen Männern gekommen. Wohl aus Eifersucht: Baran T. habe behauptet, dass sie und Karim O. "rumgemacht" hätten, was aber nicht stimme.

An ihrem Geburtstag habe sie sich dann tagsüber mit Karim O. verabredet, mit ihm den Nachmittag und Abend verbracht und dabei "viel Alkohol" getrunken. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte sie, sie wisse nicht mehr genau was; jedenfalls "kein Bier und kein Wein". Ganz unerfahren mit Alkohol sei sie damals nicht gewesen. Abends sei dann plötzlich der Angeklagte mit einem Messer in Karims Zimmer gestanden. Sie habe sich aus Angst versteckt und "voll viel geweint". An Details könne sie sich aber mehr nicht erinnern.

Mit leiser, aber klarer Stimme berichtete die mit Pulli, Jeans und Turnschuhen bekleidete, eher unscheinbare Teenagerin dem Gericht von einem weiteren Vorfall an einem Weiher Ende Juli. Sie und Karim O. seien auf einer Parkbank gesessen, als Baran T. ein weiteres Mal auf seinen Freund und mutmaßlichen Nebenbuhler mit einem Messer losgegangen sei. Sie habe die Drohungen "ernst genommen". Jedesmal sei die Polizei gerufen worden.

Während sie die Liaison mit Karim O. unumwunden zugab, zögerte die 15-Jährige, als der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl fragte, ob sie auch mit dem Angeklagten zusammen gewesen sei. "Ja, aber nur ganz kurz", betonte sie dann. Auf Anraten der Polizei habe sie diesem auch geschrieben, dass "Schluss sei".

Ob es bei den Vorfällen um sie gegangen sei, wollte Richter Kliegl noch wissen. "Ich denke schon", fasste die Schülerin ihre Aussage zusammen.

Als der Angeklagte dann im Rahmen seines Rechts, die Zeugin zu befragen, dazu ansetzte, das Scheitern seiner Beziehung zu ihr aufzuarbeiten, wurde Kliegl deutlich: Die Zeugin sei "frei zu entscheiden, mit wem sie sich einlässt". Und weiter: "Das haben Männer zu akzeptieren! ".

Das Urteil wird Ende nächster Woche erwartet.

DK