Ingolstadt
Wahlkampf für die Unentschlossenen

Viele Menschen aus der Region wissen noch nicht, wo sie am 14. Oktober ihr Kreuz setzen

07.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:35 Uhr
An den Infoständen in der Fußgängerzone kamen die Passanten am Samstag kaum vorbei, ohne von den Parteivertretern Werbegeschenke oder Broschüren in die Hand gedrückt zu bekommen. Die bunten Luftballons kamen natürlich bei den Kindern besonders gut an - egal, mit welchem Logo. Marco Böhm, Jugendreferent im Dekanat Ingolstadt (im weißen Pulli), holte sich unter anderem beim Grünen-Bezirkstagskandidaten Joachim Siebler Infomaterial für die Demokratiebildung. −Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Rund eine Woche vor der Landtags- und Bezirkstagswahl haben die Parteien das gute Wetter am Samstag ausgenutzt, um in der Ingolstädter Innenstadt noch einmal kräftig Werbung für ihre Sache zu machen. Damit erreichten sie offenbar viele Passanten, die sich noch nicht entschieden haben.

Bunte Luftballons prägen das Bild in der Fußgängerzone - insbesondere an der Ludwig- und an der Mauthstraße, wo die Parteien zum Wahlkampfendspurt hin wieder ihre Infostände aufgebaut haben. Kaum ein Kinderwagen ist zu sehen, über dem nicht mindestens ein Heliumballon mit Parteilogo schwebt. "Die werden einfach drangehängt, da wird man gar nicht groß gefragt", sagt eine Köschingerin lachend über gleich vier Exemplare hinweg.

Eigentlich ist die Frau mit ihrem Mann und den beiden Kindern zum Plasmaspenden in der Stadt - an den Infoständen gibt es aber kaum ein Vorbeikommen, ohne angesprochen zu werden. "Jeder versucht sein Bestes", erkennt die Köschingerin die Bemühungen der Lokalpolitiker an. "Aber manchmal schaffen sie es einfach nicht." Deshalb sei sie unentschlossen, wo sie am 14. Oktober ihr Kreuz macht. Ihr Mann wird da konkreter: "Ich wähle alles außer CSU und SPD", sagt er bestimmt. "Die haben unser Land ruiniert, ich bin stinksauer auf die." Als Beispiel nennt er die Asylpolitik, im Zuge deren "Geld mit vollen Händen rausgeschmissen" werde. "Dabei haben wir so viele eigene arme Leute im Land."

Wie ihm geht es offenbar vielen, die an diesem Tag durch die Fußgängerzone bummeln: So einige können immerhin auf Anhieb sagen, welche Partei sie auf keinen Fall wählen werden. "Die Linken", antwortet eine 70-Jährige aus Ingolstadt, ohne genau begründen zu können, warum. "Und die Braunen, die kommen gar nicht in die Tüte." Die Frau kommt an jedem Samstag in die Stadt, um am Wochenmarkt einzukaufen und Bekannte zu treffen. Diesmal nutzt sie mit ihrem Mann aber auch die Gelegenheit, um sich an den Infoständen noch einmal bewusst zu informieren. In ihrer Tasche sind deshalb schon so einige Broschüren gelandet. "Ich bin mir diesmal so unsicher wie nie", gibt sie zu und nennt als Grund den "politischen Zirkus" der vergangenen Monate. Das Schlimmste wäre ihrer Meinung nach allerdings, gar nicht wählen zu gehen. "Aber ich habe ja noch eine Woche Zeit für meine Entscheidung."

Ein Paar aus Baden-Württemberg, das mit seinen beiden Hunden durch die Stadt läuft, ist froh, in diesem Jahr nicht wählen zu müssen. "Das wäre gerade eine schwere Entscheidung", sagt der Mann. Ähnlich sieht das wohl ein Bub, der sich über die Werbegeschenke der Parteien freut wie die gebastelte Blume, die er bei den Grünen erhalten hat. "Die CSU ist aber auch nett", sagt er gerade zu seinen Eltern und seinem Bruder, nachdem er einen weiteren Luftballon eingeheimst hat. Während seine Mama schon weiß, wen sie am 14. Oktober wählt, lässt sich sein Papa mit der Entscheidung noch Zeit. "Das mache ich dann erst an der Wahlurne, wenn ich wirklich alles gesehen und gehört habe", meint er.

Zu hören ist an diesem Tag kurzzeitig so einiges am Stand der AfD neben dem Viktualienmarkt, wo ein Mann lautstark mit den Parteivertretern diskutiert. Wörter wie "Nazi" fallen da - "aber mit denen kann man ja nicht reden", ruft er anschließend auf die Frage, was ihn so aufregt, ehe er aufgebracht in Richtung Wochenmarkt davonrauscht. Apropos AfD: Nicht alle Passanten finden es gut, dass ihnen offenbar viele der anderen Parteien direkt davon abraten, die Alternative für Deutschland zu wählen. "Das ist nicht im demokratischen Sinn, unabhängig davon, für was die AfD steht", betont eine Ingolstädterin, die mit Mann und Enkel unterwegs ist. "Früher hat es das nicht gegeben, dass an den Infoständen andere Parteien bewertet wurden."

Anders will es Marco Böhm machen: Er zieht bewusst von Infostand zu Infostand, um sich die Parteiprogramme zu holen. "Für die Demokratiebildung in der Katholischen Jugendstelle", erläutert der Jugendreferent fürs Dekanat Ingolstadt. Aber auch er freut sich, als ihm der Grünen-Bezirkstagskandidat Joachim Siebler ein dickes Heft in die Hand drückt. "Das lege ich oben drauf, damit ich nicht erklären muss, warum ich einen AfD-Flyer habe", sagt Böhm augenzwinkernd.

Michelle Gmelin aus Ingolstadt - am Buggy ihres Kindes hängen zwei Luftballons, und Christian De Lapuente hat eben eine rote SPD-Quietscheente oben drauf gelegt - hat für ihre Entscheidungsfindung den Wahl-O-Mat im Internet genutzt. Geholfen hat ihr das nicht viel. "Bei mir liegen die Parteien nur ein paar Prozentpunkte auseinander, das wird echt schwer", erzählt sie. Die Ursache dafür sieht sie im "Kampf zwischen Seehofer, Söder und Merkel". Sechs Tage hat Gmelin nun noch Zeit. Aber wer weiß, ob sie am Ende überhaupt eine Entscheidung fällen muss: Ihre Wahlunterlagen sind - wie die vieler anderer (DK berichtete) - auf dem Postweg verschollen gegangen.
 

Tanja Stephan