Augsburg
Wagner-Wunder

05.05.2014 | Stand 02.12.2020, 22:44 Uhr

Unglaubliche Leistung: Szene aus dem Augsburger „Lohengrin“ mit Gerhard Siegel (vorne) - Foto: Schaefer

Augsburg (DK) Nicht nur gute Solisten erfordert Richard Wagners „Lohengrin“, sondern auch ein hervorragendes Orchester und einen ebensolchen Chor, vor allem in Sachen Männerstimmen. Ergo: Dieses Stück auf den Spielplan zu nehmen, ist ein Wagnis.

Doch nicht nur die reale Welt von König und Politik mit ihrem nicht selten hohlen Getöse gelingt den Augsburger Philharmonikern ganz vorzüglich. Auch der flimmernde Klangteppich mit seinen vielfach geteilten Streichern im Vorspiel (die Welt des Grals symbolisierend) scheint schwerelos zu schweben. Kaftan dirigiert höchst präzise, beweist ein untrügliches Gespür für die richtigen Tempi und die passende Dynamik und achtet höchst feinfühlig auf seine Sänger-Protagonisten.

Von denen kommen immerhin vier von sechs aus dem Augsburger Ensemble. Allen voran liefert Sally du Randt als Elsa die persönliche Bestleistung der letzten Jahre: Lyrisch da, wo es nötig ist – und dramatisch, wenn es die Partie erfordert. In Kerstin Descher wächst ein dramatischer Mezzo von großem Format, vielleicht sogar eine Wagner-Hoffnung für die Zukunft heran: Schon jetzt füllt sie die Partie der Ortrud mit Sinnlichkeit, der Fähigkeit zur Wagner’schen Deklamation im dramatischen Rezitativ und mit großen Ausbrüchen. Auf männlicher Seite wächst Vladislav Solodyagin im Verlauf des Stücks mit ausgezeichneter Textverständlichkeit in die Partie des König Heinrich, unterstützt durch den stimmlich akkuraten Dong-Hwan Lee als Heerrufer. Dass sich Gerhard Siegel, dessen Karriere einst am Theater Augsburg begann, diesem Haus nach Wagner in Bayreuth noch verbunden fühlt, ist ein Segen. Nach Mime, Loge und weiteren Ausflügen ins Charakterfach ist die Stimme freilich nicht mehr die des reinen, unberührten Gralsritters, sondern hat verschiedenste Farben, aber immer noch ein Durchhaltevermögen par excellence und eine große Bühnenpräsenz.

Jaco Venter (Gast vom Staatstheater Karlsruhe) ist nicht zuletzt die stimmliche wie optische Idealverkörperung des Grafen Telramund – mit selbstbewusst auftrumpfendem Bariton.

So weit, so hervorragend. In Sachen Inszenierung hat man das Stück dem isländischen Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson anvertraut, der in Augsburg mit der „Fledermaus“ schockiert und mit „La Bohème“ begeistert hatte. Dem „Lohengrin“ nähert er sich sehr vorsichtig, aus der Entstehungszeit des Werkes heraus: Wagner hatte eben eine gescheiterte Revolution erlebt und konnte – da in Deutschland steckbrieflich gesucht – noch nicht mal die Weimarer Uraufführung selbst miterleben. Als der Vorhang sich öffnet, blicken wir in einen einstmals prächtigen, jetzt verfallenen Theaterraum (Bühne: Jósef Halldórsson) und auf eine heruntergekommene Gesellschaft in historischen Kostümen (Filippia Elísdóttir), die sich nach einem Wunder sehnt. Als das in Gestalt Lohengrins erscheint, ist man sehr schnell bereit, sich dem strahlenden Schwanenfedern-Weiß des Erlösers anzupassen – die Räume werden moderner, offener. Doch auch dieser Held verrät sein Volk und verschwindet. Letztlich sind es die Menschen, die am Schluss einige Federn und den jungen Herzog Gottfried ratlos zurücklassen – zu enttäuscht, um am Schluss noch „Weh“ rufen zu können.

Die Personenführung verläuft sonst sehr ruhig. Überraschungen bietet nur der Schlussakt, in dem Elsa Telramund im nüchtern-weißen Brautgemach mit einer Schwanenfeder ermordet. Jubel ohne Grenzen für eine außergewöhnliche Produktion.