Wettstetten
Von Personalgesprächen und Weidentalks

Ein Jahr nach seiner Versetzung spürt der ehemalige Gemeindereferent Wolfgang Nefzger die "Leichtigkeit der Kirche"

27.05.2020 | Stand 02.12.2020, 11:17 Uhr
Der Religionspädagoge und nebenberufliche Biolandwirt Wolfgang Nefzger hat nach seinem Weggang aus Wettstetten im Pfarrverband Böhmfeld-Hitzhofen-Hofstetten eine neue Anstellung gefunden. Mit den Verantwortlichen dort bietet er gerade "Weidentalks" an - Gespräche über Gott und die Welt auf seiner Ziegenwiese in Arnsberg. −Foto: Gülich

Wettstetten/Böhmeld/Arnsberg - Vor einem Jahr musste Wolfgang Nefzger seinen Posten als Gemeindereferent im Pfarrverband Hepberg-Lenting-Wettstetten räumen - obwohl eine Protestgruppe 250 Unterschriften für seinen Verbleib sammelte. Wie es ihm heute geht, berichtete Nefzger im Gespräch mit unserer Zeitung.

Gemeindereferent Wolfgang Nefzger wartet vor einem Traum-Panorama: Unter dem strahlend blauen Himmel thront das Arnsberger Schloss auf den Dolomitgestein-Felsen; durch die unterhalb gelegene, saftig grüne Wiese fließt die Altmühl, Radler treten in die Pedale und grüßen im Vorbeifahren. Mittendrin in diesem Idyll liegt Nefzgers Ziegenweide: Der Religionspädagoge und Familienvater wohnt in Arnsberg und ist im Nebenberuf Biolandwirt. Auf der Wiese steht eine Bierbank-Garnitur, Nefzger hat den Tisch in corona-tauglichem Abstand in rechtem Winkel zwischen die Bänke gestellt. Darüber dient ein großer, knallorangefarbener Schirm als Sonnenschutz. Welch ein Platz zum Durchatmen und Reden!

Seit Treffen zweier nicht zum gleichen Haushalt gehöriger Menschen wieder möglich sind, haben die Hauptamtlichen des Pfarrverbands Böhmfeld-Hitzhofen-Hofstetten - Pfarrer Alois Spies, Pfarrer Anton Schatz sowie Gemeindereferent Wolfgang Nefzger - ihre Gläubigen zu "Pfarrhausgesprächen und Weidentalk" eingeladen. "Das Angebot wird sehr gut angenommen, mehrere Leute machen sich täglich auf den Weg hier raus", berichtet Nefzger. Das schätzt er, neben der Kinder- und Jugendarbeit, am meisten an seinem Job: den Austausch über Leben und Glauben, Gott und die Welt.

Vor zehn Monaten sah das Leben des 45-Jährigen allerdings anders aus: Zwei Jahre hatte der äußerst beliebte Religionspädagoge im Pfarrverband Hepberg-Lenting-Wettstetten ausgeholfen. Zeitgleich zum Auslaufen seines befristeten Vertrages war im gleichen Pfarrverband eine andere Gemeindereferentenstelle frei geworden, auf die Nefzger sich sofort beworben hatte. Allerdings bekam ein anderer Bewerber den Zuschlag - ohne dass die Pfarrer vor Ort vorher in diese Entscheidung eingebunden worden wären. Nefzger hatte zunächst keine neue Stelle in Aussicht. Das wollten die Wettstettener Gläubigen nicht hinnehmen, vor allem wollten sie "ihren menschlichen Schatz nicht wortlos ziehen lassen", so die damalige stellvertretende Leiterin der Kinderkirche, Claudia Borgmann. Eine "WWW - Wir wollen Wolfgang"-Protestgruppe sammelte 250 Unterschriften für den Verbleib Nefzgers, die sie im Bischöflichen Ordinariat in Eichstätt dem damaligen Generalvikar Isidor Vollnhals und seinem Stellvertreter Pater Michael Huber, der Vollnhals inzwischen im Amt gefolgt ist, übergaben.

"Im Laufe des Gesprächs, das wir beim Überbringen der Unterschriften geführt haben, wurde klar: Das Vorgehen der Diözese war völlig regelkonform", hält Borgmann fest. "Damit offenbarte sich aber eine Baustelle, die den vermeintlichen Einzelfall als Regelfall entlarvte." Sandra Bauer vom Wettstettener Mesner-Team ergänzt: "Der zuständige Pfarrer formuliert zwar die Stellenausschreibung, aber wer dann für die Stelle genommen wird, entscheidet Eichstätt alleine. Der Ortspfarrer bekommt den ausgewählten Kandidaten mitgeteilt, er kann weder irgendwie mitbestimmen noch ein Veto einlegen."

Generalvikar Pater Michael Huber hatte im Zuge zweier Treffen mit den Wettstettenern zwar erklärt, dass die Diözese künftig versuchen wolle, diese Entscheidungsprozesse zu optimieren. Was aus dieser Ankündigung in der Praxis geworden ist, ist allerdings nicht konkret zu fassen. Auf Anfrage erklärte das Büro des Generalvikars vergangene Woche: "Die internen Personalentscheidungsprozesse im Bischöflichen Ordinariat sind aufgrund der Anregungen noch einmal einer kritischen Reflexion unterzogen worden. Die örtlichen Entscheidungsträger werden in Zukunft noch adäquater in die entsprechenden Überlegungen einbezogen." Die weitere Nachfrage, wie sich das "adäquatere Einbeziehen" denn praktisch gestalte, blieb unbeantwortet. Erkundigt man sich zu diesem Thema direkt bei Gemeindereferenten und Pfarrern, erntet man vor allem eines: Schweigen.

Mit Wolfgang Nefzger persönlich wurde allerdings wesentlich sensibler umgegangen als zuvor: Er bekam kurz nach der Protestaktion das Angebot, als Gemeindereferent im Pfarrverband Böhmfeld-Hitzhofen-Hofstetten anzufangen. Die ursprünglich auf ein Jahr befristete Stelle wurde inzwischen in eine unbefristete umgewandelt - nach Rücksprache mit Nefzger selbst und Dialog mit seinem betreuenden Pfarrer, wie Nefzger anerkennend berichtet. Er ist heute glücklich und zufrieden mit seiner Arbeit, aber unsicher, wie weit das Entgegenkommen ihm gegenüber etwas über eine generell geänderte Personalpolitik aussagt.

Nachdenklich streichelt er seinem Zicklein namens "Happy" das Fell und erzählt von den vielen Gesprächen, die er in den vergangenen Wochen auf seiner Ziegenwiese führen konnte: "Das ist eine besondere Gelegenheit, mal in Ruhe reden zu können. Trotz aller Schwierigkeiten gibt Corona uns die große Chance, unser Leben, unsere Gewohnheiten und auch unseren Glauben neu zu überdenken", sagt der Gemeindereferent und freut sich über die "Leichtigkeit der Kirche", die er hier draußen spürt. Und die trotz aller Einfachheit eine große Relevanz im Alltag habe und Menschenleben verändere.

DK