Weißenburg
Von Muffins und Morden

Petra Hammesfahr stellt beim Weißenburger Krimifestival ihr neues Werk vor – Mitgefühl mit den Opfern

22.09.2014 | Stand 02.12.2020, 22:12 Uhr

Plaudern und signieren: Gut eine Stunde nimmt sich die Bestsellerautorin vor ihrer Lesung Zeit für ihre Fans. - Foto: Leykamm

Weißenburg (HK) Die Königin des Psycho-Krimis ist da: Petra Hammesfahr ist einer der Stars beim Weißenburger Krimifestival. Am Samstag stellte sie im Weißenburger Wildbadsaal ihr neues Werk „An einem Tag im November“ vor.

Die Frau mit den roten Haaren kommt im sehr gut belegten Weißenburger Wildbadsaal bestens an: Eine Stunde vor der Lesung aus ihrem neuen Werk „An einem Tag im November“ unterhält sich die Rheinländerin prächtig mit den Besuchern, die wiederum nach der Veranstaltung Schlange stehen, um sich Bücher von der Autorin signieren zu lassen. Dazwischen ist es oft mucksmäuschenstill – knisternde Spannung lag spürbar in der Luft.

Immer wieder aufgelockert durch Moderator Dirk Kruse, seines Zeichens Journalist und Schriftsteller. Der will gleich zu Beginn wissen, was er denn jetzt nach deren ausgiebigen Gesprächen mit den Besuchern überhaupt noch fragen könne. Da gebe es noch einiges, denn es sei im Vorfeld „um Rezepte für Muffins“ gegangen, so die Autorin lakonisch.

Um mörderische Angelegenheiten geht es dann im Austausch auf der Bühne. Denn die ziehen sich durch alle ihrer 30 Bücher. „Schreiben Sie doch mal was ohne Mord und Totschlag, dafür mit Happy end“, empfiehlt Kruse. Letzteres gäbe es tatsächlich in ihren Büchern, so Hammesfahr. Denn es stürben ja nicht immer die Guten, sondern auch mal die weniger Guten. Doch wer auch immer ins Gras beißen muss, er genieße ihre Anteilnahme.

„Mich interessieren die Opfer“, erklärt Hammesfahr und appelliert, sich um die Kinder zu kümmern, „auch wenn es nicht die eigenen sind“. Ein versöhnlicher Aspekt, der das eisige Gefühl wieder etwas auftauen lässt, dass einem allein beim Anblick des neuen Romans beschleicht. Das Titelbild zeigt eine düstere Straße, auf dem verloren ein Kinderfahrrad liegt. Was allerschlimmste Assoziationen hervorruft. Nicht ganz zu Unrecht. In dem Werk geht es um das Verschwinden einer Fünfjährigen. Und um seelische Abgründe, „die in jedem von uns aufbrechen können“, so Hammesfahr. Denn keiner werde als Mörder geboren, man werde dazu gemacht. Diese Entwicklung interessiert sie.

„Wie kann aus einem hilflosen Säugling 40 Jahre später ein grausamer Verbrecher werden“, fragt sie, bevor sie in die eigene Biografie blickt und erklärt, wie aus einem Mädchen, dem man das Lesen verboten hat, eine erfolgreiche Schriftstellerin wird. Sie hatte in jungen Jahren erlebt, wie Bücher Menschen zutiefst anrührten. So reifte ein bestimmter Wunsch in ihr heran: „Ich wollte die Erwachsenen zum Weinen bringen.“ Das schafft sie heute auch bei sich selbst. Einige Stellen ihrer Bücher würden so sehr auf die eigenen Tränendrüse drücken, dass sie sie nicht vortragen könne.

In ihre Arbeit kann sie sich richtig reinknien. Die Bücher werden einige Mal neu geschrieben. „Es gibt keine gelungene erste Fassung.“ Die Werke selbst nehmen oft überbordende Komplexität an. Um sie wieder aufzulösen, „braucht es schon mal sechs Jahre Arbeit“. Es kann aber auch ganz schnell gehen. Manchmal müsse sie nur einer inneren Stimme zuhören und schreiben.

Auch in das aktuelle, 500-seitige Werk kann Hammesfahr nur schlaglichtartig blicken lassen. Unter anderem taucht dort ein untersetztes Mädchen auf, das sich durch die Kumpanei mit kickboxenden Russinnen vor Hänseleien zu schützen weiß. Die beiden Osteuropäerinnen wiederum wissen das Geschick ihrer rundlichen Schulkollegin beim Diebstahl zu schätzen. Zu dritt terrorisieren sie eine Schule und drohen sogar mit Mord. Dann stirbt tatsächlich jemand – und das Rätselraten kann beginnen.

Groß ist auch in diesem Buch die Zahl der Personen, die sich wie in den anderen Romanen Hammesfahrs in einem eigenen Register wiederfinden. Die Autorin selbst betrachtet diese Verlagsvorgabe eher skeptisch. „Finden Sie ein solches Verzeichnis hilfreich“ fragt Kruse in den Saal, worauf sich doch etliche Hände erheben. Die Figuren in den Büchern sind dabei keine Statisten. „Ich lebe mit diesen Leuten“, so Hammesfahr. Deswegen scheut sie auch sinnlose Gewalt. Als Autorin könne sie die Personen des Buches „nur dann schwer verletzen, wenn ich weiß, dass sie überleben.“ Blutiges Gemetzel möge sie nicht. Dass ihr der Stoff einmal ausgehen könne, davor hat sie keine Angst. „Es gibt noch so viele Missstände aufzudecken und noch so viele Leichen auszugraben . . .“